Die Ökumene kapituliert

In Dübendorf konnte keine ökumenische Eucharistie gefeiert werden. Der Druck der katholischen und orthodoxen Kirche war zu gross.

Kapuzinerpater Willi Anderau erklärt den Verzicht auf die Eucharistiefeier.  Fotos: Martina Läubli Kapuzinerpater Willi Anderau erklärt den Verzicht auf die Eucharistiefeier. Fotos: Martina Läubli

Der ökumenische Aufstand ist verschoben. Laute Rufe der Enttäuschung und Empörung erklingen in der Lazariterkirche in Gfenn bei Dübendorf, als Priester Willi Anderau erklärt, man werde entgegen der Ankündigung nun doch keine Eucharistie feiern. Die katholischen Geistlichen werden als Gäste am Abendmahl teilnehmen. „Das ist feige“, ruft eine Frau, und verlässt die Kirche. Weitere Besucher machen ihrer Enttäuschung Luft: „Ich protestiere gegen die Halbherzigkeit dieser Sache!“ „Ich bin enttäuscht.“ Ein Paar erklärt, seit 43 Jahren interkonfessionell verheiratet zu sein. Sie hätten gehofft, das Sakrament der Eucharistie nun erstmals zusammen zu erhalten. Doch „es gibt wieder nichts zu feiern.“

 Blanke Nerven wegen Pfarrei-Initiative

„Der Verzicht auf die Eucharistie ist keine Kapitulation, sondern geschieht aus Rücksicht“, erklärt Kapuzinerpater Anderau in der berstend vollen mittelalterlichen Klosterkirche. Die interkonfessionelle Abendmahlsfeier habe ungeahnte Publizität erlangt und bei der katholischen Kirche zu grossem Gegendruck geführt. Tatsächlich fällt die Feier in eine angespannte Zeit: Kommende Woche sind die Schweizer Bischöfe in Rom vorgeladen, um mit dem Papst Gespräche über die von Schweizer Seelsorgenden eingereichte Pfarrei-Initiative zu führen. Die schwierigen Verhandlungen in Rom würden durch die ökumenische Feier der Eucharistie zusätzlich belastet, so Anderau. Diese ist in der römisch-katholischen Kirche nämlich strikt verboten. Im Jahr 2007 verweigerte Papst Benedikt den evangelischen Kirchen die Anerkennung als „Kirche im eigentlichen Sinn“ und bestätigte damit die umstrittene Instruktion in „Dominus Iesus“ von 2000.

Die Schweizer Ordensleute Willi Anderau und Josef Bruhin widersetzten sich mit ihrer Beteiligung an der ökumenischen Abendmahlsfeier also der Vorschrift ihrer Kirche. Die Reaktion aus dem Bistum Chur kam postwendend. Bischof Vitus Huonder verurteilte die Veranstaltung am Donnerstag in einer E-Mail an alle Mitarbeiter. Trotz angedrohten Sanktionen hielten der Kapuzinerprater Anderau und Jesuitenpater Bruhin zunächst an der ökumenischen Eucharistie-Feier fest. Als Ordensleute sind sie dem Bistum Chur nicht direkt unterstellt. Dass sich Anderau und Bruhin in letzter Minute doch anders entschieden haben, löst unter den Gläubigen in der Lazariterkirche eine Enttäuschung aus, die mit Händen zu greifen ist.

Orthodoxer Priester fehlt

Pfarrer Roland Diethelf bereitet das Abendmahl vor. Pfarrer Roland Diethelf bereitet das Abendmahl vor.

„Das Ordinariat Chur hat eine Verbindung zwischen dieser Feier und der Pfarrei-Initiative hergestellt – das stimmt aber nicht“, betont Anderau. Was „nur“ eine symbolische Feier im Sinne der Botschaft Jesu Christi hätte sein sollen – alle sind zum Gastmahl eingeladen –, wurde von der kirchlichen Obrigkeit als Aufstand verstanden. Nicht nur die katholische Kirche reagierte mit einer Machtdemonstration, sondern auch die griechisch-orthodoxe: Priester Ignatios Papadellis musste „aufgrund einer Intervention der orthodoxen Kirchenleitung“ ganz auf eine Teilnahme an der Feier verzichten. Abgesehen davon war auch die reformierte Kirche nicht glücklich über die Aktion. Dafür hat sie ihre eigenen Gründe: Michel Müller, Präsident des Zürcher Kirchenrats, hält den Zeitpunkt für ein grundsätzliches ökumenisches Manifest für schlecht, weil die Stimmung zwischen dem Kanton Zürich und dem Bistum Chur wegen der Äusserungen von Regierungsrat Martin Graf zum 50-Jahr-Jubiläum der katholischen Kirche im Kanton Zürich angespannt ist. So haben sich einmal mehr genau jene institutionellen Machtdemonstrationen durchgesetzt, welche die „Tischgemeinschaft Symbolon“ überwinden möchte.

„Der Name Christus steht für eine Einheit, die grösser ist als Machtdenken“, verkündet der reformierte Pfarrer Gerhard Traxel zu Beginn der Feier. Hier möchte die Tischgemeinschaft Symbolon ein theologisches Zeichen setzen. „Jesus verwandelt das Leben – darum geht es“, so Traxel. Seit fünf Jahren feiertdie Tischgemeinschaft Symbolon das  Abendmahl mit der Beteiligung verschiedener Geistlicher. Bisher hat das nicht für Aufsehen gesorgt. Doch dieses Jahr haben sich die Organisatoren erstmals mit einem Manifest an die Öffentlichkeit gewandt. In der malerischen Kirche aus dem 13. Jahrhundert wimmelt es von Kameras.

„Skandal im Zentrum des Glaubens“

Eine „ökumenische Reformation“ fordert das Manifest, das sich an den Papst, die orthodoxen Patriarchen, den Erzbischof von Canterbury und die protestantischen Kirchenpräsidenten richtet. „Das traditionelle Christentum erlebt heute in Mitteleuropa eine fundamentale Krise“, stellen die Verfasser fest. Diese Krise manifestiere sich intern am „Getrenntsein der grossen Konfessionsfamilien im Abendmahl Christi“. Dies sei ein „Skandal im Zentrum des Glaubens“. Um glaubwürdig zu bleiben, müssten die Kirchen dringend ihre Strukturen reformieren und eine Grenzen sprengende Eucharistie-Gemeinschaft bilden. Dass dies ein schwieriges Vorhaben ist, zeigt die zurechtgestutzte Feier: Die Grenzen der Institutionen wirken ungebremst. Auch die reformierte Kirche konzentriere sich angesichts der interkonfessionellen Schwierigkeiten auf die innerevangelische Ökumene, erklärt Pfarrer Traxel gegenüber dem aufbruch. „Aber das ist keine Lösung.“

Kirche ist voll. Laut SRF sind es ca. 150 Menschen gekommen. Die Kirche ist voll. Laut Fernsehen SRF sind rund 150 Menschen gekommen.

„Die Erneuerung des Lebens kommt von unten“, verkündet Traxel im Gottesdienst, sie werde normalerweise nicht von Institutionen in Gang gesetzt. „Von offizieller Seite hören wir nur kirchentaktische Argumente“, sagt Traxel gegenüber dem aufbruch. Dabei gehe es um etwas anderes, nämlich um die theologische Botschaft. „Wir wollen alle Menschen am Tisch der Liebe Christi zusammenbringen.“ Ein deutliches Zeichen für die Ökumene erhofften sich jedenfalls die vielen Besucher der Feier. Nach dem ersten Aufruhr haben einige Empörte die Lazariterkirche verlassen, doch ungefähr 150 Menschen empfangen das Abendmahl, das die beteiligten reformierten Geistlichen – Gerhard Traxel, Christoph Sigrist und Roland Diethelm – verteilen. Grossmünsterpfarrer Sigrist erklärt: „Dies ist ein Zeichen des Aufbruchs, der noch in den Kinderschuhen steckt.“ Wie dieser Aufbruch die Kirchenleitungen erreichen soll, scheint jedoch niemand so genau zu wissen.

Martina Läubli

Martina Läubli ist aufbruch-Redaktorin

2 Gedanken zu „Die Ökumene kapituliert“

  1. Diese Überschrift scheint mir doch etwas einseitig. Wer ist die Ökumene, die hier kapituliert? Wenn Priester von oben Druck bekommen, mit welcher Verbindlichkeit stehen wir dann zusammen, oder freuen wir uns am Mut der Einzelnen. Ich hatte fast den Eindruck, wir freuen uns voyeuristisch am Mut der einzelnen nach dem Motto: „Gut dass die etwas machen, jetzt schauen wir, wann es knallt.“ Natürlich ist das ein wichtiges Thema aber den gemeinschaftlichen Umgang mit Druck von oben haben wir (meine ich) noch nicht gelernt. Markus Heil

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  2. Das Problem wird sich auf der nördlichen Halbkugel bald biologisch lösen. Wenn es demnächst keine „wandlungsfähigen“ kath. Priester mehr gibt, gehört die Interkommunion -oder wie man dem dann immer sagen wird- bald zur Norm; genau so wie auch die verheirateten Frauen und Männer am Altar. Anton Schwingruber

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