Update zur Lage der Pfarrei-Initiative

Anfang Juli wurden die deutschschweizer Bischöfe zum Gespräch mit der Glaubenskonkregation nach Rom zitiert. Es ging unter anderem um die Pfarrei-Initiative. Wo steht die Pfarrei-Initiative heute? Ein Zwischenbericht von Erwin Koller

Monika Schmid, Ute von Apeldoorn und Markus Heil gehören zum Kernteam der Pfarrei-Initiative.  Foto: Wolf Südbeck-Baur Monika Schmid, Ute von Apeldoorn und Markus Heil gehören zum Kernteam der Pfarrei-Initiative. Foto: Wolf Südbeck-Baur

Der aufbruch hat im März 2013 ein Dossier über die Pfarrei-Initiative herausgegeben. Dabei wurde festgestellt, dass die zehn ‚Selbstverständlichkeiten‘, welche die Pfarrei-Initiative im Herbst 2012 öffentlich präsentiert hat, viel ausgelöst haben. Sie dokumentieren die Zerrissenheit der katholischen Kirche, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil zwar als Volk Gottes definiert, in der Praxis jedoch hierarchisch dirigiert wird. Allerdings sind zwischen Chur, Basel und St. Gallen Differenzierungen angebracht, und erst recht international vom Ursprungsland Österreich über Deutschland, Irland bis in die USA und Australien.

Für die letzten Monate sind drei Punkte hervorzuheben.

1. Zwei von drei Schweizer Bischöfen haben die Herausforderungen der Pfarrei-Initiative in Dialogprozessen aufgenommen

Zwar lehnen die Bischöfe in einer offiziellen Stellungnahme die Pfarrei-Initiative ab. Doch der St. Galler Bischof Markus Büchel und der Basler Bischof Felix Gmür setzen auf Dialog. Offensichtlich können sie nicht übersehen, dass viele der ‚Selbstverständlichkeiten‘, welche die Kirchenleitungen gemäss dem Diktat Roms verbieten oder doch unter dem Deckel halten sollten, ganz schlicht eine kirchliche Realität sind.

Bischof Markus Büchel hat die Unterzeichnerinnen der Initiative, die mit bischöflicher Missio im Bistum St. Gallen arbeiten, zum Gespräch eingeladen und sie gebeten, ihre Unterschrift zu begründen. So konnten die Unterzeichnerinnen ihre Motivation darstellen, und der Bischof hatte Gelegenheit, seine Anfragen und seine Kritik zu thematisieren. Beide Gesprächsrunden waren geprägt durch einen aufmerksamen, respektvollen Dialog, der auch die Unterschiede deutlich werden liess.

Im Juni befassten sich der Priesterrat und der Rat der hauptamtlichen Laienseelsorgerinnen mit den Themen der Pfarrei-Initiative. In vier Gruppen wurde über Ökumene, wiederverheiratete Geschiedene, sexuelle Orientierung sowie Liturgie und Sakramente gesprochen. Dabei ging es vor allem um die Frage, in welcher Weise an diesen Themen weiter gearbeitet werden soll.

Grundsätzlich stellte Bischof Markus Büchel fest: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Initianten und Unterzeichner das direkte Gespräch mit uns Bischöfen gesucht hätten. Trotzdem möchte ich die Anliegen, die auch hinter den Formulierungen, die ich nicht teilen kann, zu erkennen sind, ernst nehmen.“

Das Bistum Basel hat Anfang 2013 einen Dialogprozess in Gang gesetzt. In einem offenen Brief hat Bischof Felix Gmür am 20. Mai Bilanz gezogen und das Vorgehen für die nächsten Jahre festgelegt. Vor allem drei Problemkreise sollen im Gespräch von Bistumsleitung und Seelsorgenden angepackt werden: Klärungen der kirchlichen Berufsbilder, Schaffung von Vertrauen und Verbindlichkeiten zwischen Kirchenführung und Seelsorgenden, Bewusstseinsprozess bezüglich Normen und Regeln.

Gegenüber Radio Vatikan sagte Bischof Felix Gmür am 24. Mai: „Sanktionen bringen nichts, weil Sanktionen auf Tatsachen beruhen müssen, die man wirklich feststellen muss. Ich müsste also für Seelsorger ein Verfahren einführen. Aber das würde unsere Zeit und unsere Kräfte überfordern. Jede Sanktion würde im Übrigen jeden Dialog beenden. Aber ich brauche ja Seelsorger. Deshalb ist es besser, sie ins Boot zurückzuholen anstatt sie auszugrenzen.“

Bischof Vitus Huonder hat in seiner gewohnt streitbaren Art den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern aus dem Bistum Chur Ende Februar nahe gelegt, ihre Missio (kirchliche Beauftragung) abzulegen. Im Januar hatte er sich geweigert, deren Stellungnahme persönlich entgegenzunehmen. Inzwischen haben zwei Seelsorgende ihre Unterschrift unter die Pfarrei-Initiative zurückgezogen. Generalvikar Josef Annen jedoch führte in Zürich ein konstruktives Gespräch mit Vertreterinnen der Pfarrei-Initiative.

2. Die Pfarrei-Initiative gibt sich Strukturen

Die Initiantinnen sind überzeugt, dass die Kirche durch die Pfarrei-Initiative an Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit gewonnen hat. Die Pfarrei-Initiative stehe öffentlich dazu, dass in vielen katholischen Pfarreien die Seelsorge im Alltag nicht mehr den offiziellen Vorgaben entspricht. Diese selbstverständliche und bewährte Praxis wolle man weiterverfolgen, auch wenn sie zum Ungehorsam führe.

Die Initiative habe überdies eine ‚gesunde Unruhe‘ und bei den Bischöfen eine gewisse Verunsicherung geschaffen. Das sei eine gute Voraussetzung, um Bestehendes zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Die Kerngruppe der Pfarrei-Initiative ist erfreut darüber, dass die Bischöfe von Basel und St. Gallen die angesprochenen Themen aufgreifen und auf die Zeichen der Zeit eingehen wollen.

Die ursprüngliche Sprechergruppe der Pfarrei-Initiative hat sich zu einer Kerngruppe weiterentwickelt. Sie setzt sich aus elf Männern und Frauen aus allen Deutschschweizer Diözesen zusammen. Diese Kerngruppe hat sich im April und Mai zu zwei Arbeitstagen getroffen, um Standort und künftige Ausrichtung der Pfarrei-Initiative zu bestimmen. Die Aufgaben wurden auf mehrere Untergruppen verteilt und Öffentlichkeitsverantwortliche neu bestimmt. Zuhanden der 541 Initiantinnen und 1091 Sympathisantinnen (Stand Anfang Juli 13) sollen regelmässig Rundbriefe verschickt werden.

Einer der Initianten der Pfarrei-Initiative Schweiz, Markus Heil, verlässt als Gemeindeleiter die Pfarrei Sursee wegen Spannungen innerhalb des Pfarrei-Teams. In der Pfarrei-Initiative wirkt er weiterhin mit.

3. Die Glaubenskongregation zitiert Bischöfe in den Vatikan

rom 247Erzbischof Gerhard Müller, Präfekt der Glaubenskongregation, hat sich am 1. Juli mit den drei genannten Bischöfen über die Pfarrei-Initiative ausgetauscht. Als damaliger Bischof von Regensburg hat er sich im Februar 2012 sehr dezidiert gegenüber der Pfarrer-Initiative geäussert. Sie sei „ganz und gar unchristlich“ und stelle sich besserwisserisch „in Fragen der Lehre und Pastoral über den Glauben der Kirche“.

Die Stellungnahme nach der Visitation vom 1. Juli in Rom, an der von Seiten des Vatikans auch der Präfekt der Bischofskongregation Kardinal Marc Ouellet teilnahm, liest sich dagegen harmlos. Es seien in einer brüderlichen Atmosphäre einige Fragen bezüglich der Pfarrei-Initiative erörtert worden. Dabei habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Lehre der Kirche, basierend vor allem auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, die Grundlage für die Lösung der entstandenen Fragen bilde. Das gehört freilich auch für die Pfarrei-Initiative zu dem, was ‚selbstverständlich‘ ist. Auf dieser Basis liesse sich ein fruchtbarer Dialog führen, so der Wille dazu da ist.

Mittels der Pfarrei-Initiative bzw. Pfarrer-Initiative bildet sich allmählich ein internationales Netzwerk von kritisch gesinnten Seelsorgerinnen und Seelsorgern, welche den nötigen Freimut und die unerlässliche Bodenhaftung haben. Diese Solidarisierung auf der untersten Stufe des kirchlichen Kaders macht es den Bischöfen und dem Vatikan offensichtlich nicht mehr so einfach, den Protest zu verleugnen. Doch gerade mit diesen Seelsorgerinnen und Seelsorgern sind die allermeisten Gläubigen Kirche.

Kommentar von Erwin Koller

Erwin Koller ist Präsident der Herbert-Haag Stiftung für Freiheit in der Kirche und Ehren-Herausgeber des aufbruch

1 Gedanke zu „Update zur Lage der Pfarrei-Initiative“

  1. Mich interessiert, was Erzbischof Gerhard Müller, Präfekt der Glaubenskongregation, dazu bewogen hat die Pfarrer-Initiative als „ganz und gar unchristlich“ zu bezeichnen und festzustellen, dass sie sich besserwisserisch „in Fragen der Lehre und Pastoral über den Glauben der Kirche“ äußere?

    Wir müssen meines Erachtens davon ausgehen, dass im Zweiten Vatikanischen Konzil das Geheimnis der Eucharistie in den Mittelpunkt der katholischen Kirche gestellt wurde, nicht die Demokratisierung der Kirche. Somit ist für mich noch nicht klar welche Strategien die Pfarrei-Initiativen ergreifen, um diese Art von Diktatur zu beenden? Wir wissen, dass der ehemalige Papst Benedikt meinte, er hätte nicht die Erlaubnis, Frauen zu Priesterinnen zu machen. Wer kann ihm das aus welchem Grund verbieten? Und warum dürfen Priester idR nicht heiraten, sonstige Beziehungen werden jedoch zum grossen Teil geduldet. Wie wird dieser Widerspruch von der Pfarrei-Initiative erklärt? Axel Tigges

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