Ein ermutigender Anfang ist gemacht




Nuran Serifi (Schiitin, li) und Mariann Halasy-Nagy Luratni (Sunnitin) leiteten am Begegnungstag für Frauen verschiedener religiöser Traditionen einen Workshop. (Foto: Esther Gisler Fischer) Nuran Serifi (Schiitin, li) und Mariann Halasy-Nagy Luratni (Sunnitin) leiteten am Begegnungstag für Frauen verschiedener religiöser Traditionen einen Workshop. (Foto: Esther Gisler Fischer)

Unzählige Begegnungen und anregende Gespräche zwischen Frauen ermutigen die Frauenarbeit in den verschiedenen Religionsgemeinschaften. Die Teilnehmerinnen des ersten Schweizerischen Begegnungstags von und für Frauen verschiedener religiöser Traditionen sind überzeugt, dass Religion(en) Ressourcen für ein gutes Zusammenleben im Gepäck haben.

Von Esther Gisler Fischer

„Frauen wollen sichtbar mitgestalten: Sich begegnen, wahrnehmen, füreinander einstehen, sichtbar werden.“ Unter diesem Motto organisierten anfangs Mai das Katharina-Werk, der SKF Schweizerische Katholische Frauenbund und die EFS Evangelische Frauen Schweiz den ersten Schweizerischen Begegnungstag von und für Frauen verschiedener religiöser Traditionen. 80 Frauen sind der Einladung zu diesem interreligiösen Anlass nach Basel gefolgt.

In ihrem Grusswort plädierte die Integrationsdelegierte von Basel-Stadt Nicole von Jacobs dafür, Vielfalt zuzulassen und grundsätzlich als bereichernd zu betrachten. Keine Religion sei im Besitz der Wahrheit.

In ihrem Impuls zum Thema berichtete die Muslimin und Islamwissenschaftlerin Dilek Ucak von ihrer Arbeit in der Stärkung von Frauengruppen in türkischen Moscheeverbänden in der Schweiz, aber auch ihren alltäglichen Erfahrungen als mit Kopftuch äusserlich erkennbare Vertreterin ihrer Religion. Sie wünscht sich einen Dialog auf Augenhöhe.

In den Workshops vertieften sich die Frauen unter Anleitung von religiös gemischten Teams in einzelne Themenfelder. So wurde im Workshop des Interreligiösen Think-Tank (ITT) zu ihrem neu erschienenen „Leitfaden zum interreligiösen Dialog“ festgestellt, dass sich dieser vielfach asymmetrisch gestaltet, da die christliche Seite oft ExpertInnen schickt, auf der muslimischen Seite jedoch oft Laienpersonen involviert sind: Während die einen theologische Fragen klären wollen, geht es den anderen mehr darum, ihre gelebte Alltagsreligion vorzustellen. Missverständnisse seien vorprogrammiert. Auch sei oft nicht klar, wer als Vertreter/Vertreterin einer Religionsgemeinschaft in wessen Namen spricht. Eine Klärung der Sachlage sei da vonnöten.

Anhand von Bildmaterial wurde im Workshop zur medialen Repräsentation von Frau(en) und Religion(en) aufgezeigt, wie negative Fremdbilder und Stereotypen medial produziert und reproduziert werden und welche Wirkung sie dabei entfalten. Sie halten sich hartnäckig und sind mit der Darstellung positiver Einzelbeispiele nur schwer zu korrigieren. Oft werden sie auch bewusst eingesetzt, zum Beispiel im politischen Diskurs.

Dass Selbst- und Fremdbilder stark divergieren können, wurde auch im Workshop „Welches Bild der Muslimin?“ deutlich. Sich kennen lernen und dadurch Vorurteile abbauen ist am ehesten im alltäglichen Umgang miteinander möglich, so das Fazit. Radikaler Respekt und Achtung vor der Selbstdefinition der Anderen sollte dabei Leitschnur sein. Aber auch Irritationen sind zuzulassen und Differenzen sollen benannt werden können. Nebst dem interreligiösen Dialog ist auch der innerreligiöse wichtig; der Wahrheitsanspruch der eigenen Religion soll hinterfragt werden. Dabei sollten die im interreligiösen Dialog engagierten Frauen nicht nur mit den „connectors“, sondern auch mit den „dividers“ innerhalb ihrer Religionsgemeinschaften und über deren Grenzen hinaus in Kontakt stehen. Diesen Rat gab die Koordinatorin für Religionsfragen des Kantons Basel-Stadt Lilo Roost Vischer den anwesenden Frauen mit auf den Weg. Zu beachten sei auch die Arbeitsteilung zwischen dem Staat zur Sicherung der Religionsfreiheit einerseits und der Zivilgesellschaft zur Stärkung eines differenzverträglichen gesellschaftlichen Klimas anderseits.

Am Schluss der Tagung kam die Frage auf, wie es weiter geht. Wie die Organisatorinnen der Tagung, Heidi Rudolf und Angela Büchel Sladkovic betonten, sind sie daran, sich diese Frage auch zu stellen. Vielleicht wird einmal eine interreligiöse Frauensynode geplant – analog der bereits bestehenden. Das Bedürfnis nach einer Fortsetzung war jedenfalls deutlich spürbar.

Während des ganzen Tages fanden in den Workshops, in den Pausen und beim feinen pakistanisch-tamilischen Mittagessen unzählige Begegnungen mit anregenden Gesprächen zwischen Frauen statt: Ermutigung für das gemeinsame Weitergehen und die Frauenarbeit in den verschiedenen Religionsgemeinschaften. Gespeist durch die Überzeugung der Teilnehmerinnen, dass Religion(en) Ressourcen sind für ein gutes Zusammenleben. Oder wie es eine Gruppe als Kernsatz ihrer Workshoparbeit formulierte: „Wir leben alle aus einer Quelle: Glaube, Liebe, Verlässlichkeit …“

*Esther Gisler Fischer ist reformierte Pfarrerin

 

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