Wie im Wartezimmer zum Paradies

Hape Kerkeling 018

 

 

 

 

Die Zuhörer lachen, johlen, raunen wie im Wartezimmer zum Paradies, wenn Hape Kerkeling loslegt, vorliest und alle möglichen und unmöglichen Fragen mit wertschätzender Aufmerksamkeit beantwortet. Mit gleichsam himmlischem Humor versteht es der Komödiant und Pilger-Buchautor, das Publikum zu fesseln. Bei der ersten öffentlichen Präsentation seiner Autobiografie „Der Junge muss an die frische Luft“ kürzlich in Tübingen war das nicht anders.

Von Wolf Südbeck-Baur

Was sich Hape Kerkeling denn von der neulich in Rom tagenden Bischofssynode erwartet, will der Reporter vom berühmten Jakobsweg-Pilgerer wissen, als er das achte Kapitel „Die Königin winkt“ seiner druckfrischen Autobiografie „Der Junge muss an die frische Luft“ zu Ende vorgetragen hat. „Sie lachen ja schon, bevor ich eine Antwort gegeben habe“, nimmt der Autor die erwartungsvoll gute Laune der gut 700 Zuhörer auf: „Was ich mir erwarte?“ Schnell schiebe ich noch nach, dass ich von der Presse bin …. „aaahooh, dann entscheide ich mich doch für Antwort B.“ Das Gelächter des Publikums schwillt wieder an, und Kerkeling antwortet im Ton wieder verbindlicher: „Ach, das ist ganz einfach. Was ich mir erwarte von dieser Bischofssynode ist das, was der neue Papst ausstrahlt: mehr Menschlichkeit – schlicht und ergreifend…“ Tosender Applaus brandet auf, und der Entertainer fährt mit gedämpfter Stimme fort: „…auch dass die Geschiedenen nicht mehr zur Kommunion – ach, ich weiss es nicht, ich bin Schriftsteller.“ Erneut applaudiert die Menge mit aufbrandendem Lachen. Kerkeling schmunzelt und hebt seine Hand wie den Schirm einer Mütze an die Stirn – ein klares Zeichen an das Publikum für die nächste Frage.
Wer hat Sie am meisten geprägt? „Meine Grossmutter Änne“, die Kerkeling als sechsjährigen den Wallach Bubi schenkte, „meine Grossmutter Bertha“, die Kerkeling nach dem Selbstmord seiner Mutter 1973 grosszog, und „meine Tante Lisbeth vom Orden der Clemens-Schwestern“, einer grandiosen „Mischung aus der lustigen Doris Day und der bodenständigen Professorin Rita Süssmuth“, wie der Komödiant schreibt. Ein Zitat unterstreicht den besonderen Einfluss dieser drei starken Frauen:

„Meine Reaktion auf die Bestimmtheit meiner Grossmutter ist, dass auch ich die besondere Nähe zu den von ihr bewunderten Frauen suche, also zu Oma Bertha und zu Tante Lisbeht. Sie werden für mich zu den beiden anderen wichtigen Bezugspunkten innerhalb unserer grossen Familie. tatsächlich werden mich diese zwei besonderen und starken Frauen bis an ihr Lebensende niemals entäuschen, sondern immer wieder positiv überraschen. Ohnehin ist Oma Bertha neben Änne die einzige Person, die einen derart starken Einfluss auf mein Leben hat. Mit ihrer Bescheidenheit, Zurückhaltung, Ernsthaftigkeit und gänzlich anders gelagerten Lebenslust wird es ihr immer wieder gelingen, mich tief zu beeindrucken und Weichen für meine Zukunft zu stellen.“

Keine Frage, Kerkelings bestsellerverdächtiges Buch über „die Geschichte meiner verlorenen Kindheit“ spiegelt mit einer virtuosen sprachlichen Leichtigkeit die Abgründe eines Stücks deutscher Nachkriegsgeschichte. Trotz aller Schwernisse eines Kindes, dessen psychisch kranke Mutter unvermutet Selbstmord begeht, verliert Kerkeling nie sein ihn tragendes Gottvertrauen. Das ist aus jeder Zeile zu spüren, etwa wenn Kerkeling über die Audienz beim Dalai Lama berichtet oder vom Treffen mit der todkranken Melanie, mit der er als legendärer Horst Schlämmer verkleidet drei Tafeln Schokolade verdrückt.
Man kauft es dem irgendwie bodenständigen Showstar ab, wenn er am Schluss seines neuen Buchs versichert: In erster Linie habe er „diesen mitunter harten Knochenjob“ auf der Bühne gemacht „für die Menschen, denen es nicht so gut ging und denen vor dem heimischen Bildschirm partout nicht zum Lachen zumute war. Die Zuschauer, die auf ihrer Lebensstrasse ausgerutscht oder ins Schlingern geraten sind, das waren meine Hauptadressaten.“
Kerkelings Buch und Hörbuch ist ein Lese- oder Hörvergnügen im wahrsten Sinn des Wortes, das ich jeder und jedem nur empfehlen kann.

Hape Kerkeling, Der Junge muss an die frische Luft. Meine Kindheit und ich, Piper Verlag 2014, 320 Seiten, CHF 28.90; als ungekürzte Autorenlesung CHF 29.90

Foto: Wolf Südbeck-Baur

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