Tagung der Frauenkonferenz des SEK

Gut fünfzig Frauen haben am 14. März 2016 im Haus der Religionen in Bern an der Frauenkonferenz des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) zum Thema „Ich glaube – Du glaubst – Sie glaubt“ teilgenommen und über „Christliche Identitäten in eine multireligiöse Gesellschaft“ diskutiert.

„Religion hat heute in der Politik und in den Medien Konjunktur“. Mit diesen Worten eröffnet die Theologin und Moderatorin Carmen Jud die Tagung der Frauenkonferenz des SEK. Religion werde aber vor allem in den Medien negativ betrachtet. Der Islam stehe häufig in der Kritik, führt Jud aus, und es sei eine gefährliche Mischung aus Ängsten und Konstruktionen auszumachen, wenn wir unterscheiden zwischen einem „wir“ und „den anderen“. Unlängst sei ein religiöser Wandel in unserer Gesellschaft feststellbar, der bedingt sei durch Säkularisierung, Migration und religiöse Individualisierung.

Frauenkonferenz_SEK Doris Strahm an der Frauenkonferenz des SEK

Zur Einstimmung der Tagung werden drei verschiedene mystische Texte über die Gotteserkenntnis vorgetragen. Anschliessende führt die freischaffende feministische Theologin Doris Strahm in ihrem Referat über christliche Identitäten in einer pluralistischen Welt aus, dass kein anderes Thema unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten so verändert habe wie die Folgen des religiösen Pluralismus. Demzufolge wird die religiöse Identität heute auch gern als „Patch-Work-Identität“ beschrieben. Jedoch dient die religiöse Zugehörigkeit heute wieder vermehrt dazu, Abgrenzungslinien zu zeichnen und die Menschen, die in die Schweiz immigrieren auf ihre Religionszugehörigkeit hin zu reduzieren, so die Theologin. Diese Abgrenzungsmechanismen hätten zugenommen und die Rückbesinnung auf unsere christlichen Werte und auf unsere christliche Identität sei wieder angestiegen. Strahm führt aus, dass eine pluralistische Haltung auch angesichts des gesellschaftlichen wie auch des innerchristlichen Pluralismus angebracht sei. Denn nur so könne man der eigenen Identität treu bleiben und für andere offen sein. Dies impliziere, dass die verschiedenen religiösen Traditionen hinsichtlich ihres Wahrheitsanspruches als gleichwertig angesehen werden müssen und das sei angemessen, so die Referentin, weil die „Wahrheit der Religion“ etwas anderes sei als die „Wahrheit Gottes“. Denn nur Gott sei absolut und könne vor keiner menschlichen Lehre vollständig erfasst werden. Die christliche Identität sei schon immer vielfältig, offen und vom Wandel begriffen gewesen, meint Doris Strahm.

Der Schwerpunkt der Tagung liegt auf den vier verschiedenen Workshops zum Thema „Christliche Identität“, welche in verschiedenen Kontexten und Erfahrungen beleuchtet wird, beispielsweise vor der Herausforderung Islam oder bei innerchristlichen Unterschieden im Zusammenleben verschiedener christlicher Migrationskirchen. Bedauerlicherweise ist es beim anschliessenden Podiumsgespräch nicht zu einer gemeinsamen Debatte zum festgelegten Thema „die Suche nach der göttlichen Wahrheit“ gekommen, sondern die in den Workshops behandelte zentrale Frage nach einer christlichen Identität, wurde nochmals aufgegriffen. Wie weitläufig und kontrovers diese Frage ist, wird zum Abschluss der Tagung in einer Quintessenz dargelegt. So spricht Dinah Hess, Leiterin des Zentrums für Migrationskirchen in Zürich, von Schwellenängsten die beim interreligiösen Dialog auftreten. Sie sehe ihre Aufgabe darin, diese Grenzen aufzuweichen und auf die Menschen zuzugehen. Die Idee einer dialogischen Theologie, welche im Workshop von Doris Strahm ausführlich diskutiert wurde, teilen viele Teilnehmerinnen. Denn im Dialog zu anderen Religionen entwickle sich die christliche Identität, weiss Strahm.

Judith Albisser

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