Ohrfeige für Schweizer Kirchenfrauen statt Begegnung

Die Schweizer Pilgerinnen für eine stärkere Rolle der Frauen auf dem Petersplatz (Foto: Vera Rütimann)

Die Frauen, die von St.Gallen nach Rom gewandert sind,  trafen dort keine dialogbereiten Männer aus der Kurie. Den Brief an den lieben Papst Franziskus, den sie mitbrachten, nahm niemand im Vatikan entgegen. Dieser Skandal darf nicht als Meilenstein der Kirchengeschichte verstanden werden. Es gibt nur eine Reaktion: Frauen werden widerständiger, zumindest die, die nicht längst aus der Kirche ausgetreten sind.

Von Xaver Pfister

Im nicht angenommenen Brief schreiben die Frauen: „Auf den Weg gebracht hat uns Ihr Vorbild: die Weise, wie Sie Zeichen setzen. Papst Franziskus, Sie bewirken, dass viele Menschen inner- und ausserhalb der Kirche aufhorchen, ja aufatmen. Ihre Worte und Gesten rühren an und erinnern an das Wesentliche des christlichen Glaubens. Sie nähren die Hoffnung auf ein menschlicheres Gesicht der Kirche. Wir leiden darunter, dass viele Frauen sich in unserer Kirche fremd, nicht ernst genommen oder unwillkommen fühlen, weil sie zu wenig in verantwortlichen Gremien eingebunden und an Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Diese Anfragen von vielen lagen zuoberst in unserem Gepäck, und wir vertrauen sie nun Ihnen, als Hirten und Lehrer unserer Kirche an. Lieber Papst Franziskus, wir bitten Sie, in den Institutionen des Vatikans und in den gesamtkirchlichen Entscheidungsprozessen dafür zu sorgen, dass künftig Frauen mitwirken, mitgestalten und mitentscheiden können.  Frauen und Männer unserer Kirche warten darauf und werden es Ihnen danken – und die Kirche kann dabei nur gewinnen, wenn Frauen ihre Gaben und Charismen besser als bisher einbringen können“.

Bild S. 10Frauen lässt man ins Leere laufen. Was hat nun dieses Projekt gebracht, wurde Hildegard Aepli, Initiantin des Projekts «Für eine Kirche mit den Frauen» gefragt. Ihre Antwort: „Er hat sich auf jeden Fall gelohnt. Durch unser Pilgern ist sehr viel in Bewegung gekommen.“ Eva Maria Faber, Theologieprofessorin an der Theologischen Hochschule Chur, meint: „ Als wir vor mehr als zwei Jahren mit der Planung des Projektes begonnen haben, hätte ich persönlich nicht gedacht, dass daraus so etwas Grosses wird. Ich bin einfach nur dankbar.“

So weit gut und schön. Ich ziehe ein ganz anderes Fazit. Der Vatikan hat die pilgernden Frauen auflaufen lassen. Niemand ist ihnen aus der Burg entgegengelaufen. Die Frauen waren am 2.Juli in Rom. Weder  der Papst noch irgendeine wichtige Persönlichkeit wie zum Beispiel der Kardinalstaatssekretär, empfing die Frauen. Hildegard Aepli meint dazu: „Insgesamt wurden zwei Briefe verschickt. Einer ging direkt an die Adresse der Heiligen Vaters und einer über den Nuntius. Wir haben konkret um eine Audienz oder eine Eucharistiefeier mit dem Papst angefragt. Zur Antwort bekamen wir, dass der Papst am 2. Juli Ferien habe. Inzwischen haben wir allerdings erfahren, dass er sich am Samstag mit der neuen römischen Bürgermeisterin getroffen haben soll und erst am kommenden Donnerstag in die Ferien fährt. Ich gehe davon aus, dass er gar nichts von uns weiss.“ Das ist Kommunikationsverweigerung! Nehmen wir wahr, was hier geschieht:

– Die Bischöfe Markus Büchel und Felix Gmür werden im Regen stehen gelassen.

– Manch päpstliches Wort wird fragwürdig. Die offene Diskussion über den Zölibat, zu dem der Papst Bischof Franz Kräutler ermutigte, endet mit dem Votum „Keine Diskussion über den Zölibat.“ Die Frage stellt sich, ist der Papst ein Populist? Freundlich in der Begegnung, pointiert konservativ in der Lehre.

–  Die angestossene Diskussion zum Diakonat der Frau hat zur Bildung einer Kommission geführt. Diese soll das Diakonat von Frauen in der frühen Kirche untersuchen. Eine Retrokommission also ohne Reformauftrag.

Bild S. 10aaBedeutende Kardinäle wollen endlich einen Systemwandel und das Diakonat der Frau. Kardinal Karl Lehmann votiert schon lange für das Diakonat der Frau und für eine mögliche Aufhebung des Pflichtzölibates. Kardinal Reinhard Marx äussert sich in einem in Amerika gegebenen Interview eindeutig. Er halte die „Entklerikalisierung der Macht“ in der Römischen Kurie und in den Diözesen für wichtig, erklärte Marx. „Wir müssen auf das Kirchenrecht sehen und theologisch darüber nachdenken, welche Aufgaben unbedingt Priester erfordern. Alle anderen Aufgaben, im weitest möglichen Sinn, müssen Laien offen stehen, Männern wie Frauen, aber besonders Frauen.“

Die Frauen sind nicht so deutlich aufgetreten wie Marx. Sie sind mit einem vorsichtigen, liebenswürdigen Slogan nach Rom gepilgert: „Für eine Kirche mit den Frauen“. Aber schon dies war offenbar zu viel.

Pilgerin bricht sich den Arm. (Fotos: Vera Rütimann) Pilgerin bricht sich den Arm. (Fotos: Vera Rütimann)

Der Skandal weckt den Zorn. Ich bin zornig, wie selten. Schon der sanfte, schonende Slogan „Für eine Kirche mit Frauen“ prallt an den vatikanischen Mauern ab. Was der Papst versprach: Frauen mit Verantwortung in der Kirchenleitung, ernsthafte Diskussion zum Diakonat der Frau. Seine wir ehrlich. Das ist Makulatur allen Gesprächen voraus schon Makulatur. Das Nichtreagieren des Papstes und seiner Kurie auf den liebenswürdigen Slogan „Für eine Kirche mit Frauen“ ist ein Nein gegen Frauen, die Verantwortung übernehmen wollen. Die Kirche bleibt unerträglich frauenfeindlich.
Ob es möglich ist, darin einen langen Atem zu haben? Dazu riefen die beiden Schweizer Bischöfe auf. Diesen Aufruf zum langen Atem höre ich Zeit meines Lebens und er wird auch, wenn ich endgültig ausgeatmet habe, noch immer ergehen, wie damals und heute. Ist dieser Aufruf nicht einfach der Ruf ins Hamsterrad? Wollen wir denn noch weitere Jahrhunderte in diesem Rad pilgern, das uns nur immer dorthin führt, wo wir schon immer waren? Die Freundlichkeit des Papstes, die an ihm so geschätzt wird, ist also offenbar keine Frauenfreundlichkeit. Kann man jetzt noch freundlich sein? Sicher nicht unanständig, aber widerständig, widerständiger weiterhin und immer mehr. Der Aufruf zum Durchhalten genügt nicht mehr.

Xaver Pfister, Theologe und Mitglied des Vorstands des Förderverein aufbruch. Der Kommentar erscheint in einer kürzeren Version in der nächsten aufbruch-Ausgabe am 28. Juli 2016.

 

12 Gedanken zu „Ohrfeige für Schweizer Kirchenfrauen statt Begegnung“

  1. Dem ist nichts hinzuzufügen. Der Anlass ist aktuell, aber die Themen: „Frauen in der katholischen Kirche“ und „Entklerikalisierung“, sind seit Jahrzehnten – wenigstens seit dem 2. Vatikanischen Konzil – einfach „verschleppt“ oder „schubladisiert“. Zur Stabilisierung und Verfestigung der Klerikalisierung der Kirche hat man den so genannten „Priestermangel“ erfunden, das ist der Zement, das „Bindemittel“, für die Aufrechterhaltung der Verhältnisse. Der emeritierte französische Bischof Dr. Albert Rouet hat den „Kleruskomplex“ der katholischen Kirche durchschaut: „Alle (aktiven Katholiken) möchten die Kirche aufbauen, aber es findet sich kaum jemand für das Reich Gottes.“ Das bewundernswerte Projekt der Kirchenfrauen aus der Schweiz wird so zu einer phänomenalen Illustration der realen Zustände, die Herr Pfister präzise beschreibt.

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  2. Fakt ist: es wurde kein Gesprächstermin bestätigt, demzufolge darf man auch keinen erwarten.
    Es wäre hingegen ein Ärgernis, wenn eine terminliche Vereinbarung nicht zustande gekommen wäre!

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  3. Meine Erkenntnis nach über fünfzig Jahren Theologie und Pfarrer-Sein: „Kirche“ ist weniger auf JESUS (kyrios=Herr) gegründet als auf Paulus. „Christlich“ ist grösstenteils „paulinisch“ und kaum „jesuanisch“.
    Luther ist bei seiner reformatio (Rückbildung) lediglich auf Paulus und dessen Christus-Lehre zurück gegangen, nicht aber auf den historischen Jesus. Was insofern verständlich ist, weil die vergleichende Bibelwis-senschaft noch nicht zur Verfügung stand. Äusserst schade und nahezu beschämend finde ich, dass man immer noch nicht den Weg „zurück zu Jesus“ mit seinem für die damalige Zeit hochmodernen und revolutio-nären Menschen- und Gottesbild gegangen ist. Ich selber habe das konsequent und auch intuitiv getan und habe Jesu Vision von der „Menschwerdung des Menschen“ entdeckt, bei der „Mensch“ ein Ehrentitel ist, der durch stetes Training erreicht werden kann. Und Jesu „Trainingsprogramm“ für eben diese Menschwerdung steht uns in den SELIGPREISUNGEN (Matthäus 5) in reinster Form zur Verfügung. Ich bin überzeugt, dass damit wirkungsvolle Schritte auf dem Weg zur „Versöhnung der Religionen“ und zu gemeinsamen Bemühungen um Frieden in der Welt getan werden können. Sogar mit Einbezug von so genannten „Ungläubigen“, weil Jesu Vision ohne Gottesbild(er) aus-kommt und so allen Menschen „guten Willens“ offen steht. – Was Papst Franziskus un seinen „Weg mit de Armen“ anbetrifft, würde ich es sehr schätzen, wenn aus dem „Weg mit den Armen“ ein radikales „weg mit den Armen“ würde. Die Ausmerzung der der weltweiten Armut durch die gerechte Verteilung all dessen, was uns auf unserer Erde zur Verfügung steht.

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  4. Immer dies: die Anklage der anderen. Der Kleriker. Des Papstes. Der Kurie. Der frauenfeindlichen Hierarchie. Der anderen. Wann beginnt die Wahrnehmung der eigenen Autorität? Der eigenen Sakramentalität? Der eigenen Normalität? Wann nehmen die Töchter Gottes ihren eigenen Auftrag, ihre eigene Würde, ihre ganze eigene Kraft wahr und feiern und vergeben und handeln und begraben und taufen und lachen und weinen und heiraten vor Gott und leiten ihre Orden und ihre Gemeinden? Warum soll das alles vom Papsttum kommen? Christus hat dieses nicht als Voraussetzung der Freiheit der Christinnen gemacht. Ich kann mir nicht helfen. Auch die als „Laien“ depotenzierten Männer mussten lernen, dass sie selber „Christen“ sind. Wann beginnt denn endlich der umgekehrte Weg? Nicht nach Rom hin – sondern auf die eigene Würde zu? Es warten so unendlich viele auf die Ankunft der Frauen, in Europa, in Afrika, in Asien und – in der Schweiz, in Oesterreich und in Deutschland. Wie lange noch bleibt ihr denen fern, die Euch erwarten?

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  5. Ich bin derselben Meinung. Als ich gelesen habe, was der Pilgergruppe widerfahren ist, war ich fast so enttäuscht, wie am Tag als Ratzinger Papst wurde. Meine Generation hat immer nur verloren. Ich bin (war) eine kirchlich engagierte Frau und hatte einfach gehofft, in meinem Leben nochmal etwas Positives zu erleben. Ich glaubte an den neuen Papst und eine zaghafte Öffnung – und jetzt das!
    Hut ab vor unseren beiden Bischöfen! Wir hätten ja auch noch einen Kardinal Kurt Koch in Rom – aber dieser wird wohl mit dem momentanen Wind weggeweht sein.

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  6. Einfach nur naiv, diese Aktion! Mag sein, dass dieser Papst „freundlicher“ daherkommt. Er tarnt sich weit geschickter als seine Vorgänger, wenn es zum Schwur kommt. Ändern wird sich nur, was sich aus sich heraus ändert! Deshalb: Frauen! Hört auf, dieser Männerkirche nachzulaufen. Lass sie in ihren Palästen und unter ihrem ganzen Klimbim weiter den Erstickungstod sterben….

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  7. Ja , mit ihrem Verhalten hat sich diese abgehobene gottesferne und menschenunfreundliche Klerikerkaste selbst disqualifiziert und auch somit verdienter Weise selbst geohrfeigt. Was würde C.G. Jung dazu sagen? Ja , diese gottesfern denkenden priesterlichen Glaubensmänner behaupten immer noch stock und steif , unser jüdischer Bruder Jesus hätte nur Männer um sich gehabt! Da nun unser jüdischer Bruder weder eine Kirche wollte noch das Priestertum mochte, befürchten diese Glaubensmänner, daß sich in dieses Priestertum einschleichende Frauen später dann die von Jesus nicht gewünschte Priesterei komplett abgeschafft werden soll! Daher diese gewaltigen Hässlichkeiten zu unseren Frauen! Es geht also nur um die Beibehaltung der hormongesteuerten, priestermännlichen Machtgelüste … nicht mehr, aber auch nicht weniger ………

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  8. Ich möchte nichts beschönigen und auch niemanden in Schutz nehmen! Mir ist lediglich aufgefallen, dass unmittelbar nach der Aktion erstmals eine Frau im Vatikan zur Medienbeauftragten ernannt wurde. Nicht viel, aber immerhin ein kleines Zeichen.

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  9. Eigentlich bin ich nicht unbedingt der, der in solchen Foren etwas schreibt. Denn ein falsches Wort, und man wird automatisch ohne wenn und aber in eine der beliebten Ecken gestellt.
    Besonders dann, wenn man selbst Priester ist und dies gerne und aus Überzeugung.
    Ich habe dennoch mit grossem Interesse alle Ausführungen und Meinungen gelesen, einige kann ich nachempfinden, bei anderen möchte ich mich nicht zum Inhalt äusseren.
    Aber eines kam mir schlagartig in den Sinn: Als ich vor meiner Weihe stand, habe ich etliche Nettigkeiten gehört, darunter auch diese: „schon wieder ein Frauen verhinderer mehr“.
    Solche Äusserungen schmerzen, und auch als Mann in der Kirche ist es nicht immer einfach, besonders wenn man automatisch in eine Ecke und somit kalt gestellt wird.
    Ich stelle fest, Dialog ja, aber bitte nur in eine Richtung.

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  10. Dass die Pilger und Pilgerinnen in Rom nicht empfangen wurden, ist eine Ohrfeige: Bei angemeldeten Besuchen öffnet man die Tür – alles andere ist eine Frechheit. Nicht mal Kinder reagieren so bösartig: Ihre Freude über jeden Besuch ist unvoreingenommen. Das Verhalten der Zuständigen in den Römer Palästen war unter jedem Niveau.

    Das hat nichts mit Religiosität zu tun – eine Frage des Stils. Oder es hat eben gerade mit Rom zu tun, mit diesem Herrschen, das sich nicht um die Anliegen der Untergebenen kümmert.

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  11. Alles gut und recht lieber Herr Eicher (Prof. em. wie ich vermute), doch so einfach ist diese Selbstermächtigung eben nicht. Wenn frau sich ermächtigen würde oder bestenfalls auch von einer Gemeinde empowert würde, so würde sich die Logik des Systems unweigerlich gegen diese wenden. Ob sich die Bischöfe hinter solch aufmüpfiges Gebaren stellen würden, steht für mich gesehen in den sprichwörtlichen Sternen geschrieben.

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