Der Bischof macht es sich zu einfach

Der Basler Bischof Felix Gmür hat im Fall der gescheiterten Pfarrwahl in Riehen seine Sorgfaltspflichten verletzt. Zu dieser Überzeugung kommt, wer der Perspektive der Opfer pädophiler Übergriffe grösseres Gewicht beimisst als der Resozialisierung eines vorbestraften Priesters. Eine zweite Chance sieht anders aus.

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Bild: Bistum Basel

Ein Kommentar von Wolf Südbeck-Baur

Auch wenn Bischof Felix Gmür vor den Medien beteuerte, er habe seinem, wegen sexueller Handlungen mit einem fast 16-Jährigen vorbestraften Schützling «eine Chance für die Wiedereingliederung» geben wollen und dies nur unter Auflagen, hat Gmür gleichwohl seine Sorgfaltspflicht verletzt. Es nützte offensichtlich nichts, dass der Bischof dem Riehener Pfarrkandidaten Stefan Küng nicht nur eine therapeutische Behandlung auferlegte und ihm Kinder- und Jugendarbeit verbot und ihn überdies vor allem zur Transparenz gegenüber der Riehener St. Franziskus-Pfarrgemeinde gemahnte.

Wie die Öffentlichkeit aufgrund des Nachhakens der Medien bei der Thurgauer Staatsanwaltschaft inzwischen weiss, förderte die Einsicht in den Strafbefehl eine andere Offenbarung zu Tage: Der Priester hatte dem Jugendlichen nicht nur die Füsse massiert, sondern ihn unters T-Shirt gelangt, Brustwarzen gestreichelt und am Nacken geküsst.

Da der Bischof über den Vatikan Einsicht in den Strafbefehl gehabt hatte und daher von dem sexuellen Übergriff im Bilde war, hätte es zu seinen Sorgfaltspflichten als Personalchef des Bistums gehört, den Mann in Riehen stärker zu kontrollieren. Es wäre ein Leichtes für den Bischof gewesen, Mitte Januar einen Mitarbeiter an die unrühmliche Informationsveranstaltung der Pfarrwahlkommission zu entsenden, um zu überprüfen, ob sich sein Schützling an die Auflagen hält. Pastorale Verantwortung hätte bedeutet, dass der Bischof die Einhaltung der Auflagen überprüft, gerade wenn es sich erwiesenermassen um einen wegen sexuellen Übergriffs vorbestraften Priester handelt, der sich mit dem Segen des Bischofs als Pfarrer zur Wahl stellt.

Doch hielt der Bischof diesen Akt öffentlicher Demut offensichtlich nicht für nötig. So gesehen berührt es unangenehm, wenn sich Gmür vor der Presse auf rechtlich mangelnde Einsichtsmöglichkeiten in Strafbefehle und Persönlichkeitsrechte zurückzieht. Professionell geht anders.

Ein weiterer schwerwiegender Punkt ist dieser: Durch die ständigen Verweise auf die drei Gutachten, die dem Priester allesamt keine pädophile Neigungen attestieren, lenkt der Bischof vom strukturellen Defizit der seit Jahrhunderten geltenden klerikalen Machtordnung der katholischen Kirche ab. Der Fall der nunmehr gespaltenen Riehener Pfarrei St. Franziskus zeigt, dass es höchste Zeit ist, im Interesse einer zukunftsfähigen Kirche vermehrt synodale Strukturen im Sinne einer Kirche der Gleichwertigkeit den Weg zu ebnen.

Die Geschichte hat soeben eine neue Wende genommen: Laut einer Meldung von SRF sollen Personen, die sich für kirchliche Dienste bewerben einen Auszug aus dem Strafregister vorlegen. Diesen Antrag hat das Fachgremium sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld ausgearbeitet und soll in der nächsten ordentlichen Sitzung der Schweizer Bischöfe behandelt werden. Immerhin…

4 Gedanken zu „Der Bischof macht es sich zu einfach“

  1. Weshalb wird immee von ‚padophilen Übergriffen‘ gesprochen, wenn wie in diesen Fall gutachterlich belegt ist, dass nicht eine pädophile Neigung ursächlich ist, sd. schlichtweg einfach ein Machtmissbrauch?

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  2. Dass der „Riehen Fall“ zu denken gibt ist wohl klar; auch darf kritisch nachgefragt und gedacht werden wie die einzelnen involvierten Akteure gehandelt, bzw. nicht gehandelt haben. Was mich aber ebenso nachdenklich stimmt ist die Berichterstattung in Einzelnen Medien wie auch hier : plötzlich ist der Täter „Pädophil“ was ganz klar nicht zutrifft. Damit will ich nicht behaupten, es wäre nicht schlimm genug, dass dieser Pfarrer deutlich zu weit ging; pädophil ist aber was anderes.

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  3. Nicht der Bischof, sondern die Pfarrwahlkommission hat Fehler gemacht. Zu diesem Schluss kommt, wer in der Sache Pfarrwahl Riehen zu Ende recherchiert. Bischof Felix hat vor den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, Pfarreisekretärinnen, Sozialarbeiterinnen über seine Entscheidungen und deren Begründung ausführlich berichtet und sich den Fragen der anwesenden Personen gestellt. Es zeigt sich in den öffentlich gemachten Informationen ( Basellandschaftliche Zeitung, Kirche heute ), dass die Pfarrwahlkommission ihrem Auftrag nicht gerecht wurde, der Pfarrei wichtige Informationen vorenthielt und am Informationsabend der Pfarrei vor allem mit lustig vorgetragenen Informationen die entscheidende Information versteckte.
    Nach der Verfassung wird in Basel der Pfarrer von der Pfarrei gewählt. Der Bischof kann nur begründet einen Kandidaten von der Wahlausschliessen. Damit ist es falsch, in dieser Sache, nicht im Ganzen der Organisation der Kirche synodale Strukturen zu fordern. Gerade die Pfarrwahl ist in der Kirche im Kanton Basel-Stadt ein synodaler Vorgang. So gilt der Vorwurf der Pfarrwahlkommssion. Ihr ist die Spaltung der Pfarrei anzulasten. Der Vorfall macht bewusst, dass synodale Strukturen wohl wichtig sind, aber Fehlentscheidungen nicht ausschliessen können. Bischöfe, aber eben auch synodale Strukturen schützen nicht vor Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen.
    Xaver Pfister, Theologe und Publizist

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