Hans Küngs Vermächtnis: „Schweiget nicht!“

DSC_0013Der Schweizer Konzilstheologe Hans Küng, 85, zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Seinen letzten Auftritt nutzte der scheidende Präsident der Herbert Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche, beim neuen Papst Franziskus eine Kirchenreform im Geist von Franz von Assisi anzumahnen. Mündige Christen sollen nicht schweigen, wenn es um Reformanliegen in Kirche und Gesellschaft geht.

Mit fester Stimme und sichtlich aufgeräumt trat Hans Küng am 14. April in Luzern vor die Festgemeinde der Herbert Haag-Stiftung, noch bevor die diesjährige Preisträgerin Sr. Pat Farrell mit dem Preis für Freiheit in der Kirche ausgezeichnet und geehrt wurde. Mucksmäuschenstill war es im Saal, als der inzwischen 85-jährige Theologe feststellte,dass Papst Franziskus vom römischen System domestiziert werden könnte, lasse sich nicht ausschliessen. Gleichwohl sollte die Hoffnung auf Strukturreformen nicht zu schnell aufgegeben werden. „Was tun, wenn uns die Hoffnung auf Reform von oben genommen wird?“, fragte Küng.

Seine Antwort hebt sich wohltuend ab von der alten Gehorsamsmystik des Mittelalters, wonach Gott gehorchen hiess, der Kirche zu gehorchen „und das wiederum heisse, dem Papst zu gehorchen, und umgekehrt“. Dem stellte der abtretende Präsident der Herbert Haag-Stiftung durchaus in Anspielung auf den Ungehorsam der Pfarrer- und Pfarrei-initiativen das Apostelwort entgegen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Bleibt der Reformstau auch unter Franziskus bestehen, „wird der Ruf „Empört euch!“ mehr und mehr auch in der katholischen Kirche erschallen und Reformen von unten provozieren“.

Um Ratschläge zur Umsetzung solcher Reformen von unten war der Kirchenkritiker freilich nicht verlegen. Gleichsam wie sein Vermächtnis wiederholte Küng fünf Parolen, die er bereits vor 40 Jahren der Erklärung

"Vertraut auf die Macht der Gemeinschaft." „Vertraut auf die Macht der Gemeinschaft.“

„Wider die Resignation“ mit auf den Weg gegeben hatte. „Schweiget nicht!“ rief er den gut 200 Festgästen zu. Jede und jeder in der Kirche habe das Recht und bisweilen die Pflicht, „der Kirchenleitung (…) Vorschläge zur Verbesserung einzubringen“. Sodann heisse die Devise: „Selber handeln. (…) Vertrauen wir auf die Macht der Tat.“ Beseelt von der Hoffnung meinte der 85-Jährige, „ob vielleicht nicht doch einmal nach dem arabischen ein ‚katholischer Frühling‘ kommen könnte?“ Weiter mahnte Küng, stets gemeinsam vorzugehen, niemals als Einzelner. „Vertraut auf die Macht der Gemeinschaft!“ Beredtes Beispiel sei die österreichische Pfarrer- und die Schweizer Pfarrei-Initiative, die unterdessen von 540 Seelsorgenden unterschrieben worden ist. Ferner rät Küng zu Zwischenlösungen. „Oft muss man zeigen, dass man es ernst meint.“ „Vertraut auf die Macht des Widerstands“, rief er kein bisschen müde in den Saal. Und kämpferisch fügte der Reformtheologe hinzu: „Nicht aufgeben!“ Gerade in der gegenwärtigen Phase innerkirchlicher Restauration komme es darauf an, „in vertrauendem Glauben ruhig durchzuhalten und den langen Atem zu bewahren“. Am Schluss bleibt das Vertrauen auf die Macht der Hoffnung, das die grossen gesellschaftlichen Probleme wie den Kampf gegen Armut und Hunger etwa einschliesst.

Neu ist Hans Küng Ehrenpräsident der Herbert Haag-Stiftung. Nachfolger Erwin Koller überreichte ihm die Medaille der Stiftung.   Fotos: Wolf Südbeck-Baur Neu ist Hans Küng Ehrenpräsident der Herbert Haag-Stiftung. Nachfolger Erwin Koller überreichte ihm die Medaille der Stiftung. Fotos: Wolf Südbeck-Baur

Auch wenn der Tübinger Theologe aus der Schweiz nun die grosse öffentlichce Bühne verlässt, so werde er weiterarbeiten und die Entwicklungen wie gewohnt wach und aufmerksam verfolgen. Und mit Sicherheit wird der wortgewaltige Ökumeniker um den ein oder anderen Kommentar, Ratschlag oder Tipp nicht verlegen sein. Gefragt wäre er.

Wolf Südbeck-Baur

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