Warum es feministische Theologie braucht

Der Kampf für Gleichberechtigung ist Knochenarbeit. Welche Rolle spielen dabei Feminismus und Religion? Darüber diskutierten Barbara Schmid-Federer, Christine Stark, Nina Streeck, Orsola Lina Vettori und Béatrice Bowald in Zürich.

Von Martina Läubli

Voller Zuversicht und Freiheit: Eine Skulptur von Margot Güttinger. Quelle: Fama Voller Zuversicht und Freiheit: Eine Skulptur von Margot Güttinger. Quelle: Fama

«Feministische Theologie hat in all den Jahren nichts an Relevanz verloren», sagt Pfarrerin Jacqueline Sonego Mettner anlässlich des 30. Jubiläums der feministisch-theologischen Zeitschrift FAMA. Solange Frauen diskriminiert würden und die eine Kirche einen amputierten Gott verkünde, indem sie Frauen vom Lehramt ausschliesse, während die andere Kirche sich vor der Feminisierung fürchte, wird ihr und den anderen Redaktorinnen die Arbeit nicht ausgehen. Doch die FAMA-Macherinnen wollen nicht nur anprangern und schwarz malen beim Jubiläumsanlass am 21. März im Kunsthaus Zürich, sondern vor allem feiern. Unter dem Motto «einfach unverschämt zuversichtlich» stehen sie für feministische Widerständigkeit und für die Vision einer gerechteren, lebensfördernden Gesellschaft ein. Und das mit gutem Grund: «Feministische Theologie erinnert an Gottes befreiendes Handeln. Daran, dass Gott zu einem aufrechten Gang verhilft», so Béatrice Bowald, Theologin und FAMA-Redaktorin.

Die Relevanz von Religion und Feminismus stand bei einem Podiumsgespräch, das anlässlich des 30. Geburtstag von FAMA organisiert wurde, zur Debatte. «Der Anspruch der feministischen Theologie ist es, die Welt zu verändern», sagte Moderatorin Béatrice Bowald. Doch wie steht es heute um eine frauengerechtere Welt? «Für Frauen ist noch längst nicht alles erreicht, was erreicht sein sollte», stellte die Wissenschaftsjournalistin Nina Streeck fest. «Es kommt auf den richtigen  Zeitpunkt an, um Veränderungsprozesse in Gang zu setzen», hat Orsola Lina Vettori beobachtet. Die Direktorin des Spitals Zollikerberg hat den Führungsstil und die Kommunikationswege in ihrem Spital grundlegend verändert. Dies sei heute, jedoch  nicht vor fünf Jahren möglich gewesen. Zudem bringe es nichts, Veränderungen einfach von oben zu diktieren, sondern man müsse subversive Wege der Umsetzung suchen.

Unheilige politische Allianz

Wie ist ein gutes Zusammenleben möglich? Diese Frage beschäftigt alle Frauen auf dem Podium. Doch diese Perspektive drohe in der Politik in den Hintergrund zu geraten, sagt die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer. Sie beobachtet eine zunehmende radikal-nationalistische Bewegung in der Schweizer Politik. Rigoristische Grundhaltungen, die Menschen einschränkt, erhielten mehr und mehr Raum in der Öffentlichkeit. Die Nationalrätin spricht Klartext: «Die Vermischung von religiösem Fundamentalismus mit einer Rechtsaussen-Politik ist eine der grössten Gefahren in unserem Land.» Eine solche Politik schürt gezielt Konflikte, statt sich für ein gutes Zusammenleben der Menschen in diesem Land einzusetzen. Und sie zielt auf religiöse Symbole wie das islamische Kopftuch – wobei es paradoxerweise rechtskonservative Männer sind, die sich nun plötzlich um die Unterdrückung der Frauen Sorgen machen, obwohl sie das Thema vorher nie interessiert hat.

«Wir müssen die Kopftuchdebatte wieder aufgreifen», fordert deshalb Christine Stark, Theologin und SRF-Redaktorin, «und zwar aus theologischer und aus feministischer Sicht». Wie diese Debatte aussehen könnte, wurde in der Podiumsdiskussion leider nicht weiter thematisiert. Doch der Diskussionsbedarf ist markiert. Ein Beispiel selbstverständlicher Akzeptanz von Verschiedenheiten gab Vettori aus der Praxis: Sie habe eine Mitarbeiterin mit Kopftuch im Spital eingestellt, ohne das Kopftuch zum Thema zu machen. Das sei der Mitarbeiterin vorher noch nie passiert und sie habe dies sehr geschätzt.

Sich nicht unterkriegen lassen

Arbeitswelten: In diesem Bereich lässt die Gleichberechtigung noch immer auf sich warten, hier sind sich alle vier Mitdiskutierenden einig. Streeck erzählt, dass viele Frauen nach einer guten Ausbildung und einem vielversprechenden Anfang im Beruf plötzlich ausgebremst werden. Solche Erfahrungen würden Frauen dann erst noch als persönliches Versagen interpretieren statt als gesellschaftlichen Mechanismus, bestätigt Stark. Und Schmid-Federer, die sich in der parlamentarischen Arbeitsgruppe für Lohngleichheit engagiert, stellt ernüchtert fest: «Für den Kampf für Lohngleichheit finden wir in der Politik keine Mehrheiten.»

Unüberhörbar ist: Es ist Knochenarbeit, Kultur und Systeme zu verändern, die bislang von Männern geprägt worden sind. Vettori greift zum Vergleich mit dem Mythos von Sisyphos: Sisyphos muss den Stein immer wieder von neuem den Berg hochtragen. «Man muss immer wieder von vorn anfangen. Aber man darf sich nicht unterkriegen lassen.» Die befreiende Perspektive feministischer Theologie kann hierzu Energie freisetzen. Schmid-Federer empfiehlt den FAMA-Macherinnnen deshalb, in Zukunft häufiger das gesellschaftliche Gespräch zu suchen, um ihre Inputs einzubringen. «Feministische Theologie muss bekannter werden.»

FAMA im Internet

Die Zeitschrift FAMA erscheint vierteljährlich. Ein Jahresabonnement kostet CHF 32.- Kontakt: Verein FAMA, c/o Susanne Wick, Lochweidstr. 43, 9247 Henau, E-Mail: zeitschrift@fama.ch

Anlässlich des Jubiläums hat FAMA die spannendsten Beiträge aus 30 Jahren in einem Buch herausgegeben: Monika Egger, Jacqueline Sonego Mettner (Hg.): einfach unverschämt zuversichtlich. FAMA – 30 Jahre Feministische Theologie. Theologischer Verlag Zürich 2014.

4 Gedanken zu „Warum es feministische Theologie braucht“

  1. Der Text wird der Überschrift insofern gerecht, dass er das Warum hinreichend beschreibt. Fragwürdig bleibt er in dem, was Feministische Theologie sei.

    Auf diese Frage bin ich gar nicht von selbst gekommen. Und eine Erläuterung derselben wäre mir entbehrlich gewesen in der Annahme, dass dies schon etwas Rechtes sei. Dann aber lese ich etwas von einem „amputierten Gott“ und ich beginne, nach Art meines Fachs (Physik) mir Gedanken zu machen.

    Eigentlich muss ich nicht sagen, dass Theologie keine experimentelle Wissenschaft ist. Doch auch geisteswissenschaftliche Fächer haben philosophische Voraussetzungen (Regeln) und müssen selbst bei den gegebenen „Fakten“ einer Offenbarungsreligion, irgendwie in sich schlüssig und / oder plausibel sein und bleiben.

    Also, was ist feministische Theologie mit einem Anspruch als Wissenschaft?

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  2. Der Ansporn für feministische Theologie scheint mir das „non serviam“ Luzifers zu sein. Dieses Gefühl ist nicht rational geprägt, sondern emotional. Damit ist eine rationale, wissenschaftliche Vorgehensweise nicht möglich.

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