Ökumenisches Gipfeltreffen: Ist der Papst der neue Reformator?

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Die ehemalige deutsche Ministerin Annette Schavan ist heute Botschafterin am Heiligen Stuhl in Rom. Beim ökumenischen Gipfeltreffen in der ökumenischen Kirche Flüh BL beschrieb sie Papst Franziskus als charismatische Persönlichkeit, welche die katholische Kirche durch Zeichen, praktisch und volksnah reformiere.

 

«Ökumenisches Gipfeltreffen» heisst die Veranstaltungsreihe, die zurzeit im Leimental stattfindet. Dass der Titel nicht zu vollmundig ist, bewies die erste ökumenische Kirche der Schweiz Mitte November. Eingeladen hatte sie Annette Schavan, die ehemalige Bildungsministerin und heutige Botschafterin Deutschlands am Heiligen Stuhl in Rom.

 

Annette Schavan, deutsche Botschafterin beim Vatikan, in Flüh. (Foto: Zuber) 
Annette Schavan, deutsche Botschafterin beim Vatikan, in Flüh. (Foto: Zuber)

 

«Ist der Papst der neue Reformator?», wollte Moderator Michael Bangert, von ihr wissen. Bangert ist Pfarrer der christkatholischen Kirche in Basel. Der Gedanke sei nicht abwegig, fand die Botschafterin. Schon beim Amtsantritt habe Franziskus der Kurie klar gemacht, dass es eine radikale Änderung brauche. Er habe ihnen den Spiegel vorgehalten und erklärt, sie litten an klerikalem Narzissmus und beschäftigten sich nur mit sich selbst. Stattdessen sollten sich die Geistlichen um jene kümmern, die am Rande der Gesellschaft leben und unter Verachtung und Not leiden, so der Papst.

«Der Papst jedoch, möchte, dass wir erwachsen werden und die Verantwortung wahrnehmen, ohne ständig zu fragen, was die da oben wollen.» Annette Schavan

 

Papst der Gesten. Franziskus vermittle seine Botschaft über Bilder und Gesten. Mit seinen Auftritten rücke er jene ins Zentrum, die die Gesellschaft übersieht, sagte Annette Schavan Mit seinem Besuch in Lampedusa machte er auf das Flüchtlingselend im Mittelmeer aufmerksam. Zeichen setze der Pontifex auch bei seinem Auftritt zur Eröffnung des Reformationsjahres im schwedischen Lund. Zunächst durch Äusserlichkeiten: Er trug die gleiche Kleidung wie die Vertreter des Lutherischen Weltbundes und setzte sich auf die gleichen Stühle. Und er umarmte eine Erzbischöfin herzlich. «Das gab es noch nie», meinte Schavan.

Mit diesen Gesten demonstriere Franziskus: der Papst thront nicht über all den anderen, sondern sucht ernsthaft den Dialog auf Augenhöhe. Gerade im Hinblick auf Lutheraner und Reformierte erkenne Franziskus, dass Luthers Anliegen berechtigt waren. Die Kirche sei damals in einer desolaten Verfassung gewesen. Doch Luthers Methode, die zur Kirchenspaltung führte, sei falsch gewesen.

«Der frische Wind im Vatikan müsste sich auch in der Theologie niederschlagen.» Annette Schavan

 

Stunde der Theologen. In Flüh prophezeite die Botschafterin, dass Franziskus für die Institution Kirche ein anstrengender Papst werde. Er erwarte, dass «wir glauben und nicht ständig alles erklären». Die Theologie drohe, in ihren Erklärungen festzufahren. «Der Papst jedoch, möchte, dass wir erwachsen werden und die Verantwortung wahrnehmen, ohne ständig zu fragen, was die da oben wollen.» Annette Schavan bleibt jedoch skeptisch, ob sich die Christinnen und Christen durch seine Amtszeit «nachhaltig bewegen» lassen.

Viele in Rom sagten, dieser Papst sei im Gegensatz zu seinem Vorgänger Benedikt XVI kein Theologe, so Schavan. Das sei eine eurozentrische und akademische Sicht. In Südamerika betreibe man eine andere Theologie, die sich stärker den Armen verpflichtet sieht. In Europa werde dies leider kaum wahrgenommen. Der frische Wind im Vatikan müsste sich auch in der Theologie niederschlagen, forderte die Botschafterin. «Es ist die grosse Stunde der Theologen und Theologinnen.»

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