Eine Kirche, die sich bewegen sollte

werlenDer ehemalige Abt des Klosters Einsiedeln hat ein neues Buch veröffentlicht. Darin zeigt er auf, weshalb sich die Kirche in einer Sackgasse befindet aus der auch der Papst bei allem Goodwill keinen Ausweg zu finden vermag.

von Xaver Pfister

Papst Franziskus ist der meist zitierte Autor im neuen Buch von Martin Werlen. Und eigene Erfahrungen und Erlebnisse machen die am meisten aufgenommene literarische Gattung aus. Damit wird deutlich, wie stark Martin Werlen sich vom Denken und Handeln des Papstes leiten lassen will. Er stellt nämlich fest, dass nicht nur oben in der Kurie, nein auch bei den Gläubigen und Seelsorgenden hierzulande die neue Art der Präsenz von Franziskus kaum aufgenommen wird. Die Kirche steckt in einer Sackgasse und bröckelt vor sich hin. Deshalb ist Umkehr gefragt, die in der Barmherzigkeit Gottes wurzelt. „Zur Umkehr versucht Papst Franziskus die Getauften zu bewegen. Wie wenig das verstanden wird, zeigen die Erwartungen von links und rechts, dass er einzelne Stühle auf dem Schiff Petri umstellt. Das aber ist nicht Glaube, sondern Organisation.“

Die Situation der Kirche sei dramatisch. Sie lebt in Illusionen, statt sich der Wahrheit zu stellen. Leben steckt im Loslassen der Illusionen. Die Funktionäre der Kirche nehmen sich zu wichtig, nehmen sich keine Zeit für sich selbst und verlieren so ihre Lebendigkeit und Authentizität. Viele wollen nicht vorwärts gehen. Das Christsein wird auf den Besuch des Gottesdienstes beschränkt. Ökumene steht nicht im Zentrum der Kirche. Man nistet sich mit denen ein, die gleich denken und fühlen und meidet den Kontakt mit andern. Kann sich da die Kirche noch erneuern, fragt Werlen. Antwort findet er bei Papst Franziskus, in seinen phantasiereichen Handlungen, weniger in seinen Worten, noch weniger in seiner Theologie. Das profetische Denken, das die Finger auf die Wunden der Kirche und der Welt legt, öffnet eine neue Zukunft. Dazu gehört etwa das Gespräch mit Ausgetretenen. Dabei soll die erste Motivation nicht die Rückkehr des Gesprächspartners sein. Primär sind das Hinhören und die Suche nach der eigenen Umkehr. „Die Gesprächspartner erfahren uns dann nicht als Beamte, die sie von oben herab belehren, sondern als Gottsuchende, die selbst von ihnen lernen wollen.“ In solchen Gesprächen entdeckte der Benediktiner, dass vor allem Heuchelei und Verlogenheit, also mangelnde Authentizität Menschen  aus der Kirche treiben. Das geschieht in der Art, wie Bischof Huonder über homosexuelle Menschen redet. Das geschieht, wenn das Geschlecht über der Taufe steht. Die Frauen bleiben am Rand. Das bleibt ein Skandal. Das geschieht, wenn der Dialog mit der Wissenschaft, mit Denkerinnen und Denkern nicht gesucht wird. Das geschieht, wenn man sich im Bestehenden einrichtet und vor sich her die Fahne trägt mit dem Aufdruck: „Es ist alles gut. Wir brauchen uns nicht zu verändern.“ Was ist dagegen zu tun? Das ist die Grundfrage dieser dritten Publikation des ehemaligen Abtes von Einsiedeln. Die Erzählung von Mose vor dem Dornbusch ist für ihn die Schlüsselgeschichte zu dieser Frage. Der Alltag wird dem Hirten zum heiligen Boden, auf dem er Gott  begegnet. Er zeigt sich überraschend als der, der er sein wird. Und damit als einer, der immer wieder zu suchen ist. Wer Gott im Hosensack hat, hat es nicht mit dem lebendigen Gott zu tun, den wir suchen sollen und der uns immer wieder überrascht. Dort aufmerksam werden, wo heute der Dornbusch brennt, das ist die Aufgabe der Kirche.  Das geschieht, wo nicht nur Toleranz geübt wird, sondern wo wir  uns dem andern zum Nächsten machen. Das geschieht, wo wir zu Freunden der Armen und Zukurzgekommenen werden. Das geschieht, wo wir entschieden nach der einen Kirche aufbrechen; wo wir loslassen können und nicht meinen, alles selber machen zu können, wo wir achtsam die Gegenwart Gottes in unserem Tag für Tag suchen.

Martin Werlen legt uns interessante Überlegungen vor. Er macht es aber schwer, sein Buch zu lesen. Es erscheint mir wie ein ungeordneter Zettelkasten. Darin finde ich Karten mit guten Texten, aber in eine leserfreundliche Abfolge sind sie nicht gebracht. Der Verzicht auf Kapitelüberschriften errichtet eine zusätzliche Hürde. Und zuletzt dies: Dieser letzten Publikation fehlt die Glut, die unter den beiden ersten strahlte.

Martin Werlen Wo kämen wir hin? Für eine Kirche, die Umkehr nicht nur predigt, sondern selber lebt. Herder Freiburg in Breisgau, 2016, ISBN 978-3-451-37556-9

1 Gedanke zu „Eine Kirche, die sich bewegen sollte“

  1. Diese Rezension ermattet mich, das hat aber nichts mit Rezensent Xaver Pfister zu tun. Es ist das Buch, wiewohl ich es nur aus der Rezension kenne.
    Vorweg: Entgegen einem möglichen ersten Eindruck möchte ich betonen, dass es mir darum zu tun ist, dem Autor mit Respekt zu begegnen, doch mir erschliesst sich aus der Rezension keine grundlegende Hoffnung; bezeichnend ist die Anmerkung, dass „die Glut“ fehle. Viele gute Gedanken und die zahlreichen Verweise auf Papst Franziskus machen diesen Mangel nicht wett; der Rest zerfasert, so stimmig Einzelheiten auch erscheinen mögen.
    Die mehrfache Rede vom dem „brennenden Dornbusch“, den es zu suchen und zu finden gelte, ist ein eindrucksvolles Bild. Als Schlüssel kann der brennende Dornbusch für einen Christen meines Erachtens jedoch nur wirken in Verbindung mit dem Leiden und dem Tod Jesu Christi und dessen Auferstehung von den Toten. Zu diesem Punkt ist in der Rezension nichts hervorgehoben; im Text vielleicht.
    Eine in das Mark gehende Gesundung besteht aus meiner Sicht nur in der glaubwürdigen Verkündigung von Jesu Leiden, Tod und Auferstehung; alles andere ist Betrieb, der letztlich in einer Traditionspflege endet, von der eine Reihe von Personen noch gut leben kann.
    Hubert Krebser

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