Asyl und Coronavirus – eine ethische Reflexion

In den letzten Wochen hat sich die Aktualität rund um die Pandemie in der Schweiz und in
Europa beschleunigt. Zeit, um Abstand zu nehmen, um darüber nachzudenken, wie sich in
dieser Zeit die sanitäre Notsituation auf den Asylbereich auswirkt. Text: Pierre Bühler

“Ansteckung unter hoher militärischer Aufsicht”© Marc-André Freudiger / Amnesty
International / Fotis Filippou

 

Ein kleines theoretisches Modell
In seiner grossen Theorie der Gerechtigkeit unterscheidet der angelsächsische Philosoph John
Rawls zwei Grundperspektiven, die einander überkreuzen und miteinander in Konflikt geraten
können. Wir haben Absichten, Wünsche in Hinsicht auf Gerechtigkeit, wir bemühen uns, gewisse
Ziele zu erreichen: Das ist der teleologische Aspekt (vom griechischen telos, das Ziel, die Finalität).
Unter diesem Gesichtspunkt steht Rawls im Streit mit dem im angelsächsischen Bereich weit
verbreiteten Utilitarismus, der sagen kann, dass das Opfer einiger legitim ist, wenn es zum
grösstmöglichen Wohl der grösstmöglichen Menge beiträgt. Ganz im Sinne der traditionellen
Formel gilt hier, dass der Zweck die Mittel rechtfertigt. In Rawls’ Urteil widerspricht diese Position
der Perspektive, die er deontologisch nennt (vom griechischen deon, was sein muss, das
Verpflichtende): Im Namen der Menschenrechte und -pflichten ist es illegitim, irgendwen zu
opfern, denn jeder Mensch muss ausnahmslos geschützt werden. Deshalb müssen für Rawls alle
unsere Teleologien stets der Deontologie unterworfen werden.
Um es kurz zu fassen: Daraus folgert er zwei Gerechtigkeitsprinzipien: Das erste verlangt, dass alle
rechtlich gleichgestellt sind und alle die gleichen Chancen bekommen; das zweite besagt, dass,
wenn Ungleichheiten unvermeidbar sind, diese immer so eingerichtet werden müssen, dass sie die
Situation der am stärksten Benachteiligten verbessern (er nennt das die maximin-Regel: «die
Minima maximieren»).

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2 Gedanken zu „Asyl und Coronavirus – eine ethische Reflexion“

  1. Herzlichen Dank Stephanie für Deinen Kommentar. John Rawls, wahrscheinlich der herausragenste Ethiker der USA sagt es so, wie es die Trumpregierung nicht wahrnimmt.

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    • Danke dir, lieber Hansruedi und schön, von dir zu hören! Der Text stammt aber nicht von mir, sondern von Pierre Bühler. Ich habe nur den Blog aufgesetzt 🙂

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