Bischof Bonnemains Bärendienst an der Glaubwürdigkeit

Ein kritischer Kommentar von Amira Hafner-Al Jabaji zu Bischof Bonnemains Aussagen im Beitrag: Kann der Synodale Prozess die Kirche aus ihrer Glaubwürdigkeitskrise führen? (aufbruch Nr. 254 und hier im Blog). Sie moniert den Bärendienst, den Joseph Bonnemain der Religion allgemein und im Blick auf die Gesellschaft erwiesen hat.

Von Amira Hafner-Al Jabaji

Es will gut überlegt und begründet sein, wenn eine Muslimin die Worte eines römisch-katholischen Bischofs kommentiert, welche eine innerkirchliche Angelegenheit zu betreffen scheinen. Doch was der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain im aufbruch Nr. 254 zur Frage «Kann der Synodale Prozess die Kirche aus ihrer Glaubwürdigkeitskrise führen?» schreibt, muss jeden interreligiös engagierten Menschen hellhörig machen. «Die Kirche sollte sich nicht um ihre Glaubwürdigkeit kümmern», lautet der Eingangssatz, denn sie sei «kein Unternehmen», so der Bischof.

Wollen sich andere Glaubensgemeinschaften auf einen vertrauensbildenden Dialog mit Vertretern einer Kirche einlassen, der die Glaubwürdigkeit egal ist? Alle Beziehungen, so auch die interreligiösen, sind nur tragfähig, wenn sie von Vertrauen geprägt sind. Solches kann nur erlangt werden, wenn Glaubwürdigkeit als zentraler Wert gelebt wird. Haltungen, Worte und Taten müssen übereinstimmen. Das wurde zu Recht in den letzten Jahren von den muslimischen Gemeinschaften und Repräsentant:innen eingefordert und ist heute entscheidend, wenn es um ihre gesellschaftliche Einbindung geht. Dieser Standard muss für alle gelten. Wo Wortbrüchigkeit, Doppelbödigkeit und leere Versprechen hinführen, zeigen Geschichte und Gegenwart deutlich.

Amira Hafner-Al Jabaji ist Islamwissenschafterin und feste freie Mitarbeiterin der Redaktion, Foto: Laurent Burst

Es ist ein tiefgreifender Vertrauensverlust gegenüber gesellschaftstragenden Institutionen und insbesondere gegenüber institutioneller Religion als Ganzes im Gang, der in seiner individuellen und kollektiven Destruktivität nicht zu unterschätzten ist. Die Aussage eines römisch-katholischen Bischofs im Jahr 2022, es sei erstrebenswert, sich «nicht zu sehr um die Glaubwürdigkeit der Institution Kirche zu kümmern», wirkt weltfremd und erzeugt Klärungsbedarf hinsichtlich des interreligiösen Dialogs.

Wer sich seitens Minderheitenreligionen im interreligiösen Dialog engagiert, ist mit mindestens zwei grossen Herausforderungen konfrontiert: erstens sich gegenüber den etablierten, landeskirchlichen Dialogpartner:innen auf Augenhöhe zu bringen und zweitens sich gegenüber einer zunehmend religionskritischen und mit mangelndem Wissen über das Religiöse behaftete Gesellschaft zu erklären und Vorurteile gegenüber Religion und religiös lebenden Menschen abzubauen. In Europa, wo Religion» immer noch stark, wenn auch nicht mehr absolut, an die Idee und die Institution «Kirche» gebunden ist, kann die Aussage des Bischofs leicht auf Religion allgemein übertragen werden. Wenn religionsferne Menschen lesen, Kirche habe sich nicht um Glaubwürdigkeit zu kümmern, sehen die sich in ihrem negativen Urteil über religiöse Menschen bestätigt und deuten die Aussage im Sinne: «Religiösen Menschen ist ihre Glaubwürdigkeit egal, weil sie sich ohnehin in der moralisch sicheren Position wähnen». Mit dieser Unterstellung ist für das Ansinnen von Religion und für den Dialog mit der säkularen Gesellschaft nichts gewonnen. Die Aussage des Bischofs fällt letztlich auf alle Religionsgemeinschaften zurück und bestärkt Vorurteile in der Gesellschaft gegenüber Religion und religiösen Menschen.

Auch stellt sich die Frage: Wer ist die römisch-katholische Kirche als Dialogpartnerin, wenn die Haltungen an der Basis gegenüber jenen in der klerikalen Hierarchie immer häufiger auseinanderdriften? Soll man mit der «römisch-katholischen Kirche» als Institution im Dialog sein oder mit einzelnen oft kritisch der Autorität gegenüberstehenden Katholik:innen? Die Glaubwürdigkeitsfrage für jedwelchen Dialog und jegliche Form von Beziehung kann meines Erachtens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

«Die Aussage eines Bischofs im Jahr 2022, es sei erstrebenswert, sich ’nicht zu sehr um die Glaubwürdigkeit der Institution Kirche zu kümmern‘, wirkt weltfremd und erzeugt Klärungsbedarf.»

Amira Hafner-Al Jabaji

5 Gedanken zu „Bischof Bonnemains Bärendienst an der Glaubwürdigkeit“

  1. Die Katholische Kirche und damit die ausführende Institution des Vatikans ist beseelt von Menschen , nicht von Managern. Und Menschen zeigen Glaubwürdigkeit oder eben nicht. Menschen glauben an Gott oder eben nicht. Sie suchen „Ihn“ und keinen Stellvertreter in Italien.
    Der Katholizismus hat die Geburt Jesu von Anfang an nicht verstanden und hat bis heute 1,3 Mrd Opfer auf einen falschen Glaubensweg verführt.
    Jesus und Gott, dort beginnt meine unerschütterliche Glaubwürdigkeit.

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  2. Die katholische Kirche erstickt seit Jahrzehnten an ihren inneren Widersprüchlichkeiten.

    Die Verlogenheit und Heuchelei in der kath. Kirche ist beispiellos. Der Verlust ihrer Glaubwürdigkeit eine stringente Konsequenz!

    a)Lange Zeit gab es im Kirchenrecht keine Pflicht zur Strafverfolgung von klerikalen Pädophilieverbrechern, sobald innerkirchlich „Gerechtigkeit“ wieder hergestellt war. Und immer noch ist Missbrauch kein Verstoß gegen Leib und Leben, sondern nur ein Verstoß gegen Sitten und das 6. Gebot, nämlich nicht die Ehe zu brechen. – Ein Skandal!

    b) Priester können wiederverheiratet Geschiedenen die Kommunion verweigern, obwohl sie selber – offiziell festgestellt – Pädophilieverbrecher sind, da die Amtskirche keinen Sakramentenverstoß feststellen kann.

    c) In der offiziellen Lesart versteht sich die kath. Kirche als eine Kirche des Dienstes. In Wirklichkeit ist sie jedoch in ihren Strukturen und in ihren Ämterpersonen eine Kirche der Macht, der Herrschaft und der Äußerlichkeiten – des Klerikalismus!

    d) Wenn man den Vergleich mit dem Mann aus Nazareth zieht, dann sind viele Amtskirchenvertreter bezüglich ihrer Menschennähe um Lichtjahre entfernt, von demvon Jesus praktizierten Umgang mit seinen Anhängern.

    Besonders deutlich machte das der Kölner Bischof Woelki beim Einzug zum Gottesdienst bei der Eröffnung der Synode:
    Woelki ließ sich beim Einzug zur ersten Synodensitzung im Februar 2020 wie folgt zitieren: „Das ist ja auch schon das sehr deutlich prägende Bild beim Einzug zum Gottesdienst gewesen, als Bischöfe und Laien alle gemeinsam eingezogen sind und zum Ausdruck gebracht wurde, dass da jeder gleich ist. Und das hat eigentlich nichts zu tun, was katholische Kirche ist und meint.“
    Genau diese Hybris und diese von ihnen gepflegte Vergöttlichungspraxis machen deutlich, dass diese Amtskirchenvertreter die „Zeichen der Zeit“ nicht verstanden haben.

    e)Eine Rechtfertigung für die Trennung von Klerus und Laien lässt sich nicht mehr rechtfertigen, geschweige denn theologisch begründen. Diese Trennung gehört als erstes abgeschafft.

    Es ist und bleibt ein heutigen Menschen kaum mehr vermittelbarer Widerspruch, wenn die Kirche dem Volk Gottes einerseits zubilligt, durch Taufe und Firmung in allein seinen Gliedern „ein heiliges Priestertum“ zu verkörpern, andererseits jedoch darauf hinweist, dass das Priestertum des Klerus „nicht dem Grade nach, sondern wesentlich“ von der christlichen Vollmacht der Laien verschieden sei. Es bleibt zu fragen, ob das Beharren gegenüber veralteten Legitimationsformen und Herrschaftsstrukturen letztendlich weniger einer lebendigen Verkündigung der jesuanischen Botschaft dient als vielmehr des vordergründig menschlichen Interesses an der Erhaltung überlebte Machtstrukturen.

    f) Nach Ansicht von Papst Benedikt sind vor allem der durch die Aufklärung und Reformation sich vermehrt ausbreitende Relativismus und die Folgen der 68-Revolution für den Niedergang der kath. Kirche verantwortlich. Dass der Niedergang mit der seit kaum messbarer Zeit mit der Unfähigkeit und Unwilligkeit der kath. Kirche zu Reformen ursächlich zu tun hat, gehört ebenfalls zu den Widersprüchlichkeiten führender Amtskirchenvertreter ; diese Zusammenhänge werden konsequent geleugnet, da man sich auf angeblich „göttliche“ Gesetze beruft, die in Wirklichkeit jedoch alle eine menschliche Handschrift tragen – ein Skandal, ein Ausbund von Heuchelei!

    g)Wie wollen die kath. Amtskirchenvertreter über Menschenwürde und Menschenrechte sprechen, wenn sie selber der Hälfte der Katholiken, nämlich den Frauen, den Zugang zu allen Weiheämtern verweigern?

    h)Wie wollen die kath. Amtskirchenvertreter über Menschenwürde und Menschenrechte sprechen, wenn sie tausendfachen Priesterfrauen den öffentlichen Auftritt mit ihrem Mann verweigern und den „Priester-Mann“ bei einem Outing aus dem Amt entfernen?
    i)Wie wollen die kath. Amtskirchenvertreter über Menschenwürde und Menschenrechte sprechen, wenn die Kinder in Priesterehen ein gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit verwehrt wird – es sei denn unter Akzeptanz der dann auf dem Fuß folgenden Konsequenzen?
    Die Liste der Widersprüchlichkeiten könnte beliebig fortgesetzt werden!

    Die einzige Glaubwürdigkeit der kath. Kirche ist ihre Unglaubwürdigkeit.

    Die kath. Kirche kommt aus dieser kleinen Auflistung von „Ver-widersprüchlichungen“ niemals heraus. Sie müsste sich sozusagen neu erfinden und endlich zurückkehren zu den jesuanischen Quellen.

    Doch das ist jedoch ein Warten auf Godot.

    Eine Kirche, die diesen Weg ginge, müsste eine Kirche sein, die eine Vielzahl von Bischöfen nach dem 2. Vatikanum im sogen. „Katakombenpakt“ beschrieben haben. Doch Joh.Paul II. und der damalige Vorsitzende der Glaubenskongregation, ein gewisser Herr Joseph Ratzinger, haben sofort für einen Abbruch dieses Versuches gesorgt und damit einer konsequenten Hinwendung der katholischen Kirche hin zu dem Mann aus Nazareth die Luft abgeschnürt.

    Auch das alles gehört zu den oben beschriebenen Widersprüchlichkeiten.

    Die Katholiken quittieren diese Heuchelei und Verlogenheit mit dem Austritt „mit Füßen“. Was sollen sie auch anders machen?

    Es sei denn, sie machen sich Steigbügelhaltern eines Systems, das der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf laut einer Zeitungsmeldung wie folgt umschreibt:

    Die katholische Kirche hat nach Einschätzung des namhaften Kirchenhistorikers Hubert Wolfdermaßen an Glaubwürdigkeit eingebüßt, dass sie in aktuellen Debatten kaum noch relevant ist. »Die Zeichen der Zeit verlangen dringend nach einer Deutung. Aber der Kirche fehlt dafür jede Glaubwürdigkeit«, schrieb der Münsteraner Professor und Leibniz-Preisträger in einem Gastbeitrag für den »Kölner Stadt-Anzeiger«. (Dezember 2020)
    Es verwundere nicht, dass zu den aktuellen Herausforderungen von der Kirche kaum etwas zu hören sei. »Denn wer wollte notorischen Lügnern glauben?« Statt Licht zu verbreiten, seien Kirchenvertreter verantwortlich für Verdunkelung und Vertuschung, kritisierte Wolf mit Blick auf den Missbrauchsskandal.
    »Die Zeichen der Zeit ehrlich zu erkennen, hieße radikale Umkehr und Buße; hieße Rücktritt und Bestrafung der Verantwortlichen; hieße effektive Reformen sofort, statt falsche Hoffnungen auf ›Synodale Wege‹ zu wecken, die am Sankt Nimmerleinstag immer noch nicht an ein Ziel gelangt sein werden.«
    Scharfe Kritik übte der Theologe auch am Agieren der Kirche in der Corona-Krise. Die Kirche beschäftige sich hier fast ausschließlich mit sich selbst. »Es geht um Selbsterhaltung, es geht um – in der Pandemie natürlich notwendige – Zugangsbedingungen und Sitzordnungen für Weihnachtsgottesdienste.« Darunter drohe die eigentliche Botschaft des christlichen Evangeliums unterzugehen. Ohne sofortige radikale Reform werde die Kirche »zu einer fundamentalistischen Sekte verkommen«.

    Im Sommer 2019 hat der im Bistum Münster tätige Pfarrer Stefan Jürgens sein Buch „Ausgeheuchelt“ vorgestellt.

    Mit dem Titel dieses Buches ist zum gegenwärtigen Zustand der kath. Kirche alles, aber auch alles gesagt.

    Die katholische Kirche erstickt seit Jahrzehnten an ihren inneren Widersprüchlichkeiten.

    Paul Haverkamp, Lingen

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  3. Unglaublich, diese bischöfliche Arroganz, welch verzweifelt-plumper Verdrängungsversuch, nicht einfach eines Unbedarften, der was kopfloses vor sich hinplaudert, sondern eines Repräsentanten der Kirche, der zu ihrem Kader gehört – die kirchlichen Abgründe scheinen keine spirituelle Falltiefe mehr zu kennen – unglaublich, alles Augenreiben nützt nichts: es ist die nackte Realität, eine, die dem Evangelium direkt ins Gesicht spuckt (sorry für die Empörung)

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  4. Liebe Christen, eigentlich geht es hier in der Disskussion nur um Äußerlichkeiten.
    Die Kirchen klären die Menschen nicht auf über den Sinn der Menschwerdung Christi, noch über den Sinn und Zweck allen Lebens. Sie sprechen nur vom Leiden und Sterben des Herrn von der Auferstehung und von der Versöhnung mit Gott, die Christus fertiggebracht hatte. so unterlässt sie es, den Menschen über die Ursache dieser Menschwerdung aufzuklären. Man müsste die Menschen über die guten und die bösen Geister aufklären.
    Wo die Bibel von „Toten“ spricht, sind die von Gott getrennten luziferischen, geistig Toten gemeint,. Gott aber ist ein Gott der Lebendigen.
    Man muss doch erkennen können, dass der Mensch selbst ein Geist ist , der in einen menschlichen Leib seine Prüfungen bestehen muss. Der Blick müsste also dahin gelenkt werden, wohin wir nach diesem irdischen Leben kommen. Hat nicht Christus gesagt: Ich gehe hin um euch eine Wohnung zu bereiten. Glauben wir das etwa nicht? Man sollte sich also mit Geistigem beschäftigen.

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  5. Es ist schon erstaunlich, mit welch großem Genuss auf die Kirche und die dort Beschäftigten eingeschlagen wird. Wir alle sind doch nicht vollkommen und könnten zuerst einmal vor der eigenen Türe kehren! Der Wandel der kirchlichen Institutionen wird erfolgen, muss auch sein. Aber: Sollten wir uns nicht auf die Bibel besinnen? Sie ist die ideale Anleitung, um die Missstände in sich selber zu entdecken und in der Folge auszuräumen. Sollten wir nicht die Hybris im eigenen Denken, Kommunizieren, Handeln suchen?
    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. Mahatma Gandhi
    Herzliche Grüße von Claudius Walter Schmidt

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