Paris, 1894: Auf der Suche nach ihrer Mutter, die seit ihrer Kindheit verschwunden ist, lässt sich Fanni freiwillig in die psychiatrische Klinik «Hôpital de la Salpêtrière» einliefern. Hier zeigt sich ihr eine bedrückende Realität: Hunderte, ja Tausende von Frauen, die oft zu Unrecht und gegen ihren Willen mit der Diagnose „Geisteskrankheit“ interniert sind, Prostituierte, Beeinträchtigte, Hysterische.
Eine Filmkritik von Anna K. Flamm
Unter der strengen Aufsicht der unnachgiebigen Wärterin La Douane, die wiederum von einer sehr rigiden Klinikchefin befehligt wird, lernt Fanni nach und nach die Einrichtung mit ihren ganz eigenen Behandlungsmethoden und die besondere Gemeinschaft der Insassinnen kennen. Zwischen den psychiatrischen Fällen und Frauen, die einfach nur eingesperrt worden sind, um sie von der Gesellschaft zu verbannen, entstehen komplexe Beziehungen. Während der letzte grosse Ball der Salpêtrière geschäftig vorbereitet wird, wühlt Fanni in der dunklen Vergangenheit der Institution. Der «Bal des folles», an dem sich die Bourgeoisie jährlich beim Anblick von 150 als „verrückt“ bezeichnete Frauen in extravaganten Kostümen vergnügt, birgt für sie die Chance zur Flucht…
Die Schrecken einer Internierung im 19. Jahrhundert
Regisseur Arnaud des Pallières hat mit „Captives“ einen Film geschaffen, der sich zwischen historisch-realistischem Drama und grausamem Märchen bewegt und die Schrecken der Internierung von Frauen im 19. Jahrhundert neuartig beleuchtet. Durch die Augen von Fanni lernen die Zuschauenden la Salpêtrière als exklusive Gemeinschaft für Frauen mit ihren ganz eigenen Wirkweisen kennen. So erhalten Armut, Brutalität und die willkürliche Herrschaft des Irrationalen konkrete Gestalt: Arme, alte, vergewaltigte, unterdrückte, unangepasste, alkohol- oder drogenabhängige Frauen geraten in den Blick – ohne grosse Hoffnung auf „Heilung“ oder Befreiung.
Arnaud des Pallières gelingt es, filmisch die bedrückende Atmosphäre einer fragwürdigen Anstalt einzufangen und gleichzeitig die Menschlichkeit der Insassinnen zu beleuchten. Den zentralen Anteil hieran hat die hochkarätige Frauenbesetzung, darunter Mélanie Thierry, Marina Foïs, Carole Bouquet und Josiane Balasko. Sie versteht es, mit jeder Figur eine eigene Welt zu entwickeln, Obsessionen lebendig werden zu lassen und so eine bewegende Geschichte zu erzählen, die die Grenzen zwischen Wahnsinn und gesellschaftlicher Rebellion verschwimmen lässt. „Captives“ ist bunt, intensiv und bewegt, bisweilen etwas abrupt. Die starken schauspielerischen Leistungen und seine Auseinandersetzung mit menschlich-sozialen Themen zwischen Stigmatisierung und Aufbegehren aber machen den Film zu einer eindrucksvoll-berührenden Erzählung, die das Publikum sicherlich auch nach dem Abspann noch beschäftigen wird.
„Captives“, der Film, der mit Ansehen und unterschiedlichen Ansichten bzw. Betrachtungsweisen spielt, ist ab dem 8. August in den Kinos der Deutschschweiz zu sehen. Unter anderem in:
Luzern im Bourbaki Neugass
St.Gallen im Kinok
Klosters im Kulturschuppe 89
Solothurn im Canva
Liestal im Sputnik
Winterthur im Kiwi Loge
Frauenfeld im Luna
Zürich im Arthouse Piccadilly, Paris
Bern im Quinnie
Basel im Kult.Kino atelier
Ich habe nur diesen kurzen Ausschnitt gesehen. Ich werde mir denFilm im Kino anschauen und ich werde es nicht bereuen, das weiss ich.
Wieder ein Stück Frauengeschichte, das mit diesem Film ins Bewusstsein geholt wird. Leider waren oft Frauen auch Täterinnen.
Die Darstellerinnen sind beeindruckend.