Der Einfluss von Opus Dei wächst global

Joseph Bonnemains Ernennung zum neuen Bischof von Chur wurde weitherum erleichtert kommentiert. Er sei ein dialogfähiger Seelsorger, der Brücken baut und auf Menschen zugehen kann.

Indes scheint seine Mitgliedschaft im Opus Dei – die Personalprälatur versteht sich aller Unkenrufe zum Trotz als «Stosstruppe Gottes» – kaum ins Gewicht zu fallen. Dieser weltkirchlich gewichtige Aspekt darf bei allem Wohlwollen für den 73-jährigen neuen Bischof in Chur jedoch nicht ausser Acht gelassen werden.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Johannes-Paul II. und Benedikt XVI. hat Papst Franziskus Opus-Dei-Priester nur als Weihbischöfe neu ernannt oder sie als bereits installierte Weihbischöfe hernach zu Diözesanbischöfen befördert, wenn der Vorgänger zurückgetreten oder gestorben war. Insgesamt war er mit der Berufung von Opus-Dei-Priestern zu Bischöfen sehr zurückhaltend.  Selbst den seit 2017 neuen Prälaten des Opus Dei Fernando Ocáriz Braña hat der Papst nicht zum Bischof erhoben. Als Franziskus sein Amt im Vatikan übernahm, amtierten 23 Priester des Opus Dei als Bischöfe. Derzeit sind es – Bonnemain inklusive – nur noch 15 aktive bei 13 emeritierten.

Der Papst schwenkt um

Somit bricht der liberale Papst mit der Ernennung des Jurassiers Joseph Bonnemain mit seiner bisherigen Linie. Damit stärkt Franziskus zum ersten Mal das weltkirchliche Netz des wohlhabenden Opus Dei. Das mag für die regionale Ebene der Kirche Schweiz nicht allzu erheblich sein. Global betrachtet ist die Ernennung Bonnemains jedoch eine erhebliche Aufwertung des Einflusses des Opus Dei, das kontinuierlich und beharrlich viel daransetzt, «an kirchliche Schaltstellen in Diözesen und Vatikan zu kommen», wie Opus Dei-Kenner Peter Hertel schreibt.

Zu kritisieren sind die Methoden des Opus Dei, mit denen es seine religiösen Ziele – Alltag und Arbeit heiligen – vorantreibt. Zu diesen Methoden gehören Geheimhaltung, ein rigoroses Innenleben, bisweilen «undurchsichtiges Geschäftsgebaren von Mitgliedern, rückwärtsgewandte Kirchenreform und Andersdenkende ausgrenzender Wahrheitsanspruch».  Die längst fällige Frauenordination oder Ehe für alle? Undenkbar aus der Sicht des Opus Dei.

Zu kritisieren sind die Methoden des Opus Dei, mit denen es seine religiösen Ziele – Alltag und Arbeit heiligen – vorantreibt.

Erinnert werden muss vor diesem Hintergrund an den Aufstieg des früheren Bischofs von Basel Kurt Koch, der heute als Kardinal und Ökumene-Minister in Rom zu den engsten Mitarbeitern des Papstes gehört. Koch ist als Bischof umgefallen und zum Bewunderer des Opus Dei mutiert. Als Theologieprofessor war er noch kritisch gegenüber dem Opus Dei eingestellt. Doch als er 2002 in einem Buch, das vom Opus Dei zur Heiligsprechung seines Gründers, Josemaría Escrivá de Balaguer (1902-1975), herausgegeben wurde, diesen als „leuchtenden Stern für die Kirche auf ihrem Weg ins dritte Jahrtausend“ bezeichnete, da war der Weg offensichtlich vorgezeichnet für eine römische Karriere, die dann unter Papst Benedikt XVI. begann. So liegt es auf der Hand, dass der Schweizer Kardinal seinen Einfluss bei der Ernennung von Joseph Bonnemain geltend gemacht haben wird. Und so nimmt heute ein Opus Dei-Priester Platz auf dem Churer Bischofsstuhl, auf dem einst der Opus Dei-nahe ungeliebte Wolfgang Haas sass.

Ausbau des weltweiten Informationsnetzes

Dass Joseph Bonnemain wegen der Altersgrenze für Bischöfe in drei Jahren bereits dem Papst seinen Rücktritt anbieten muss, ist aus Sicht des Opus Dei und seiner vatikanischen Gesinnungsfreunde unerheblich. Viel wichtiger für das «Werk Gottes» ist das Faktum der Ernennung Bonnemains zum Bischof, weil das Opus Dei damit auch sein weltweites Informationsnetz und somit seinen Einfluss ausbauen kann. Und weil den Katholiken und Katholikinnen, nicht nur in der Schweiz, klar gemacht werden kann, dass Bischöfe des Opus Dei, das nach einem Urteil des Schweizer Bundesgerichts als Geheimorganisation bezeichnet werden darf, eine Normalität in der katholischen Weltkirche seien.

Machtspiele, die weltkirchlich zumindest zu denken geben.

Wolf Südbeck-Baur

12 Gedanken zu „Der Einfluss von Opus Dei wächst global“

  1. Lieber Wolf

    Herzlichen Dank für Deine Recherche und den aufschlussreichen Artikel.
    Das Opus Dei stellt mit seinem Einfluss leider ein grosses Hindernis für eine zukunftsfähige Kirche dar.

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  2. Ich bin dankbar für den kritischen Artikel. Es hat mich irritiert, dass bis anhin dieser Aspekt der Bischofsernennung kaum ins Gewicht fiel bei den wohlwollenden Gratulationen. Vielleicht wirkt ja Gottes Ruah in Bischof Joseph in eine zukunftsweisende, offene kirchliche Kultur.

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  3. „Aufbruch“ sollte das Wirken von Bischof Bonnemain wegen der im Artikel genannten Gründen kritisch verfolgen und bei Bedarf entsprechend intervenieren. Aufgrund seines
    bisherigen Wirkens kann man davon ausgehen, dass Bischof Bonnemain für das Bistum Chur eine gute Wahl war, hoffen wir. Allerdings ist seine Mitgliedschaft im Opus Dei eine Hypothek für das Bistum Chur. Benediktiner David Steindl-Rast schreibt in seinem Buch „Credo“: Das Lebenswerk Jesu war es ,Menschen zu helfen, untereinander, mit sich selbst und mit Gott Frieden zu finden“. In diesem Sinne sollte Bischof Bonnemain wirken.

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    • Alles was undurchsichtig ist hat etwas unheimliches und Opus Dei versteckt viel. Hat sich in dieser Kirche schon einmal jemand gefragt, was Jesus zu diesem und jenem sagen würde, wenn er da wäre? Ich glaube nicht, dass er einverstanden wäre damit, dass man ihn ständig opfert. Hat er gesagt, stellt einen Altar auf und macht mich dem Volk zur Speise? Wie froh bin ich, glauben zu können, es gibt einen guten Gott und ich kann glauben, weil ich es schon hunderte Mal erfahren habe, und täglich erfahre, dabei ist diese Kirche für mich als geistige Heimat schon lange Vergangenheit.

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  4. Geht die katholisch-innerkirchliche Meinungsfreiheit dahin?

    Der neue Bischof von Chur ist dem „aufbruch“ vielleicht nicht so gewogen – war der andere auch nicht, doch wo liegt das eigentliche Problem?

    Die vorgetragenen Bedenken sind nicht neu, sie sind das Prinzip aller sich als Eliten verstehenden Vereinigungen. Das ist in Abstufungen bei jeder größeren und großen Firma schon so bis hin zu den größten Unternehmen einschließlich der Pharmazeutischen Industrie.

    Beim Opus Dei muss niemand Mitglied sein, wenn es etwa um Geld geht – und wer dort sonst mitmacht, kann jederzeit austreten. Bei den obgenannten Firmen ist Austreten ebenfalls möglich, nur würde das für viele teuer, wenn sie auf das Geld angewiesen sind.

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  5. Bei allem hin und her zur Frage, ob Bonnemain eine gute Wahl ist oder nicht: Dem Grossteil der Katholiken ist es „wurst“, wer in Chur oder wo auch immer, das Sagen hat. Sie machen noch mit, weil sie sich in ihrer Pfarrei wohl fühlen, sie als Gemeinschaft erleben. In unserer Pfarrei besuchen weniger als 2% der 2800 Katholikinnen und Katholiken den Sonntagsgottesdienst. Das ist die Realität.

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  6. Da sind sie wieder, die Märchen vom Einfluss der Personalprälatur Opus Dei in Kirche und Gesellschaft! Warum nur? Was ist so besonders am Ruf der Heiligkeit in der katholischen Kirche. Das 2. Vatikanische Konzil hat genau diese Grundausrichtung der Kirche wiederentdeckt. Also ist am Ruf zur Heiligkeit nun gar nichts besonderes mehr. Es ist ganz normal. Wer bei der jetzigen Bischofsernennung, übrigens nur eine Interimslösung, den Einfluss der Personalprälatur in der Schweiz im Vordergrund sieht, der nimmt die Kirche und Jesus Christus in ihrem Anliegen nicht ernst: Menschen zu Gott zu führen. Nichts anderes ist der Auftrag des Opus Dei in der Kirche. Diesen Dienst möchte die Personalprälatur wahr nehmen, Menschen zu Gott zu führen. Das ist keine Sünde, sondern ein großer Verdienst in der derzeitigen Krise der katholischen Kirche in Europa. Wer von uns unternimmt denn den Versuch Menschen im Glauben zu stärken, andere anzusprechen, zu missionieren? Wozu die Grabenkämpfe, die niemanden mehr interessieren. Diese dienen nur der Selbstdemontage der ganzen Kirche. Also machen sie weiter so und bald wird niemand mehr da sein, der ihr Magazin lesen möchte.

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    • Die Sebstdemontage ist längst vorangeschritten unter den letzten Päpsten. Rückwärtsgewandte Kirche, wie sie das Opus Dei vertritt, vertreibt zu viele Gläubige aus ihren starren Mauern. Bedenklich, dass langjährige Ehrenamtliche ihre Heimat nicht mehr finden und die Hoffnung auf Öffnung aufgegeben haben

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      • Sehr geehrte Verena Rupf,
        in der Katholischen Kirche gibt es in größerem Maße einen Umbruch im Sinne eines Abbruchs von alten Gewohnheiten, letztlich um eine versuchte Änderung von überkommenen Lehren, – wie das auch in den Gemeinschaften aus der Reformation geht. Das ist unbestreitbar.

        Man mag das bedauern, weil in der Breite viel verloren geht, vor allem auch, weil man in seinem Selbst davon betroffen sein könnte.

        Sie begründen den Vorgang mit einem Rückwärtsgewandt-Sein der Katholischen Kirche, geben aber nicht an, wie Sie zu diesem Urteil gelangen. Wenn Ihre Aussage etwas mit „wahr“ oder „falsch“ zu tun hat, woran machen Sie das fest? Schärfer nachgefragt: hat das mit Jesus Christus zu tun?

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  7. Ich empfehle dringend, den Bericht in der Basler-Zeitung vom 20. Februar 2021 über Opus Dei zu lesen. Auch wenn möglicherweise journalistische Überhöhung in einzelnen Punkten eingeflossen ist, bleibt Opus Dei doch eine Erscheinung, die ein denkender Mensch in der heutigen Zeit am Besten dorthin auslagert, wo sie hingehört: In die Rumpelkammer! Andernfalls muss man wohl davon ausgehen, dass der Bussgürtel am falschen Ort angelegt worden ist.
    Es ist ein Jammer, was sich die Kaltholiken von ein paar alten, weltfremden und rückwärts orientierten Männern bieten lassen. Wie Lämmer werden sie zur Schlachtbank geführt und lassen alles mit sich geschehen ohne z.B. das Mittel des zivilen Ungehorsams einzusetzen. Die von Verena Rupf beklagte Selbstdemontage wird so nicht nur mitverantwortet, sondern auch noch gefördert.
    Markus Müller

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  8. Joseph Bonnemains war bei der gescheiterten Bischofswahl im letzten November bei
    dem konservativen Domkapitel auch nicht genehm. Da zu fortschrittlich.
    Ein Mitglied äusserte sich dahingehend: “ der Priester Bonnemmais sei für in eine
    Enttäuschung“ Ich hoffe er könnte trotz Opus Dei,Rreformen verwirklichen.
    Seppi Egli

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  9. Im Land der Blinden ist der Einäugige bekanntloch König. Oder anders gesagt: Die Katholiki:innen im BIstum Chur sind schon so arg gebeutelt, dasssie dem geschenkten Gaul hat nicht genau ins Maul schauen mögen.

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