Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern

Alternativen zu einer Wirtschaftsweise, die den Planeten bedroht. Text von Wolfgang Kessler


Bild: Reimund Bertrams, Pixabay

 

Um die Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern geht es beim aufbruch-Podium am 5. März 2020 um 19h im Basler Unternehmen Mitte mit Wolfgang Kessler, Wirtschaftspublizist und ehemaliger Chefredaktor von Publik-Forum und SP-Fraktionsvize Beat Jans, Co-Autor des SP-Wirtschaftspapiers. Im aufbruch-Blog gibt Wolfgang Kessler erste Einblicke.

In der Schweiz wie in Deutschland verteidigt die überwiegende Mehrheit der Politiker das herrschende Finanz- und Wirtschaftssystem ohne Wenn und Aber. Dies ist ein Fehler. Denn ohne grundlegende Veränderungen des kapitalistischen Wachstumssystems wird es keine klimaverträgliche Wirtschaft geben, ohne eine Umverteilung des Reichtums keine globale Gerechtigkeit. (…)

Zerstörerisch ist die Wachstumsspirale, die der globale Finanzkapitalismus antreibt. Die Vermögens-Ungleichheit hat die wirtschaftliche (und politische) Macht zu den großen Geldkonzernen verschoben, die das Kapital der Vermögenden verwalten: Allein der weltgrößte „Vermögensverwalter“, Black Rock, investiert jährlich mehr Geld als alle Mitgliedsländer der Europäischen Union zusammen in einem Jahr erwirtschaften. Die Investoren folgen vor allem einem Prinzip: So viel Rendite wie möglich wie für ihre Kapitalanleger – völlig unabhängig von ethischen Prinzipien. (…) Die Folgen beschreibt ein aktueller UNO-Bereich: Eine Million Arten könnten aussterben, das Klima wird immer schneller aufgeheizt, die Wälder sind bedroht, die Meere werden vermüllt, Dürren und Überschwemmungen nehmen zu. Eine wachsende Weltbevölkerung verschärft das Problem. Dennoch ist es der entfesselte Kapitalismus, der den Planeten bedroht.

Deshalb ist eine offene Debatte über die Veränderung dieses Wirtschaftssystems dringend notwendig. (…) Fünf Strategien zeigen, dass und wie dies möglich ist – ohne dass die herrschende Wirtschaft in die Krise stürzt.

  1. Wider das Diktat der Rendite

Die erste Alternative besteht darin, viele Lebensbereiche vom rendite-orientierten Börsenkapitalismus zu befreien. Das Gesundheitswesen, die Pflege, die Bildung, die Wasserversorgung, der öffentliche Verkehr oder der soziale Wohnungsbau sind für die Menschen da, nicht für Investoren. (…) Eine nachhaltige Wirtschaftsweise wird sich nur durchsetzen, wenn die Politik und kritische Anleger neue unternehmerische Modelle fördern. Genossenschaften sind eine Möglichkeit.  Eine weitere wäre die Förderung von Unternehmen, die nicht nur eine betriebswirtschaftliche Bilanz vorlegen, sondern eine Gemeinwohlbilanz: Mehr als 1500 Unternehmen in ganz Europa versuchen dies (darunter 67 in der Schweiz) – und ersehen aus dieser Bilanz, wie sie ihren Beitrag zum Gemeinwohl verbessern können.

  1. Eine gerechtere Verteilung des Reichtums

Da die kapitalistische Konkurrenz Geld dort hintreibt, wo sich schon viel Geld konzentriert, sind die Vermögen und Einkommen auch in den Industrieländern immer ungleicher verteilt. (…) Die Entwicklungsorganisation Oxfam hat errechnet, dass sich das Vermögen der weltweit 1896 Milliardäre jeden Tag um 2,5 Milliarden Dollar erhöht – jedes Jahr also etwa um knapp 900 Milliarden Dollar. Gleichzeitig fehlt es weltweit, aber auch in den Industriestaaten, an Geld, um die Armut zu bekämpfen, den Klimaschutz zu forcieren oder um Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit , preiswertes Wohnen und Altersvorsorge für alle zu ermöglichen.

Um dieses Geld zu mobilisieren, braucht es den Mut der Regierenden zu einer gerechten Besteuerung von Vermögen, hohen Einkommen und hohen Erbschaften. (…)

  1. Abkehr von der Wachstumswirtschaft

(…)  Notwendig ist der Übergang der kapitalistischen Wachstums- und Wegwerfwirtschaft in eine ressourcenarme dienstleistungs-orientierte Kreislaufwirtschaft.  Das ist durchaus möglich, wenn die Politik die Anreize entsprechend setzt: Man stelle sich vor, eine Regierung erhebt Ökoabgaben auf fossile Produkte und auf wichtige endliche Rohstoffe, aber auch auf Plastik. Diese Abgaben erhöhen den Wert der Ressourcen und verteuern ihre Verschwendung. Wenn die Ökoabgaben jedes Jahr steigen, wächst der Druck auf die Unternehmen, so viele Ressourcen wie möglich einzusparen.

(…)

Es gibt sie also, die Alternativen zu einem globalen Kapitalismus, der Gesellschaften zerrüttet und die Welt bedroht. Doch die Stärkung dieser Alternativen setzt voraus, dass Politiker und Verbraucher den Kapitalismus nach ethischen Maßstäben von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie grundlegend verändern. Da der Kapitalismus keine ethischen Ziele kennt, muss endlich offen über dieses Wirtschaftssystem diskutiert werden –  unabhängig von den Machtinteressen jener, die am Status quo festhalten wollen, weil sie an ihm gut verdienen.

 

Wolfgang Kessler ist Wirtschaftswissenschaftler und Publizist. Er war von April 1999 bis Mai 2019 Chefredakteur von Publik-Forum. Von ihm erschien im Mai das Buch: Die Kunst den Kapitalismus zu verändern. Publik-forum Verlag. 15 Euro

Flyer zum aufbruch-Podium am 5. März 2020 um 19h im Basler Unternehmen Mitte: Inserat_Podium

 

3 Gedanken zu „Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern“

  1. Sehr wertvoll, wenn endlich die Diskussion zu unserem Wirtschaftssystem aufgegriffen wird. Die Klimakrise ist durch die herrschende Wachstumsideologie nicht zu bewältigen.

    Antworten
  2. Spannendes Thema. Ich denke, der Kapitalismus ist einer Situation wie der Corona-Krise nicht gewachsen. Das Coronavirus hat die Weltwirtschaft hart getroffen. Vielen Ländern droht eine Rezession. Ich sah das Inserat / den Flyer fürs Podium rein zufällig – ging hin und war überrascht von den klaren Worten Wolfgang Kesslers, als er sagte, wie sich das Wirtschaftssystem ändern sollte, wie wichtig ein starker Sozialstaat ist und warum ein Bedingungsloses Grundeinkommen im Moment nicht hilft.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar