Die Mehrheit hat nicht immer recht

Balthasar Glättli sagt nach der Asylgesetz-Abstimmung: „Der Kampf für Grundrechte wird schwieriger“

Inland - NationalratDie Niederlage des Asylgesetz-Referendums vom 9. Juni war zu erwarten. Doch nicht in dieser Deutlichkeit. Warum hat ein höherer Prozentsatz als früher der Verschärfung zugestimmt? Obwohl mit dem Botschaftsasyl eine Möglichkeit der Schutzgewährung abgeschafft wird, die gerade für sogenannt „echte Flüchtlinge“ – zu einem grösseren Teil als sonst auch Frauen und Kinder – wichtig gewesen wäre?

Wesentlich zur hohen Niederlage beigetragen hat eine neue Ausgangssituation. Erstmals verteidigte mit Simonetta Sommaruga eine sozialdemokratische Bundesrätin eine Asylrevision. Sie versuchte die Abstimmung vor allem zum vorgezogenen Plebiszit über ihre Pläne für beschleunigte und gleichzeitig mit obligatorischem Rechtsschutz ausgestaltete Asylverfahren zu machen. Der hohen Ja-Anteil erklärt sich mit der tiefen Stimmbeteiligung. Die absolute Zahl der Verschärfungs-Befürworter war sogar leicht kleiner als 2006. Von den Nein-Stimmenden von 2006 dagegen blieb fast die Hälfte zu Hause. Wollten sie den Weg für schnellere und fairere Verfahren nicht behindern? Wahrscheinlich. Dass schnellere Verfahren schon jahrelang gesetzlich vorgeschrieben wären wurde ja wenig diskutiert: Es gibt sie nicht, weil das Bundesamt organisatorisch überfordert ist, zu wenig Ressourcen hat und positiven Entscheide zurückstellt, aus Angst vor einer Sogwirkung.

Nach dem 9. Juni ist der Einsatz für die Grundrechte jener Menschen, die in der Politik – wenn überhaupt – so meist nur als Sündenböcke vorkommen, nicht einfacher geworden. Einfach die Segel zu streichen ist aber keine Option. Dass eine Mehrheit in einer Demokratie Recht erhält, ist korrekt und zu akzeptieren. Ob sie immer Recht hat, das darf man durchaus anzweifeln.

Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen Partei

2 Gedanken zu „Die Mehrheit hat nicht immer recht“

    • Lieber Herr Fischer

      ich bin absichtlich nicht auf diese Kontroversen am Anfang der Referendumsphase eingegangen. Als das Referendum zustande gekommen war, haben sich die Hilfswerke klar fürs NEIN positioniert. Ebenso übrigens auch die Kirchen. Und HEKS Direktor Ueli Locher persönlich ist engangiert und kompetent an meiner Seite in der Arena für ein NEIN eingetreten.

      Balthasar Glättli

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