Die unerschrockene Franziskanerin

Die kroatische Ordensfrau und Herbert-Haag-Preisträgerin 2017 Rebeka Anić hat harte Hürden auf ihrem steinigen Weg zur feministischen Theologin gemeistert. Die Expertin für Gleichberechtigung von Männern und Frauen gerade auch in der Kirche macht anschaulich klar, dass bis heute eine falsche Berufung auf Bibel und Kirchenpraxis zur Diskriminierung der Frauen beiträgt. Gleichwohl ist Religion und Glaube für die Franziskanerin ein befreiendes Mittel zur Emanzipation

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„Ich habe geweint, als die Ordensleitung und meine Novizenmeisterin entschieden, ich sei für das Theologiestudium geeignet“, erzählt die kroatische Franziskanerin Rebeka Anić mit einem sanften, fast entschuldigendem Lächeln auf den Wangen. Eigentlich wollte die 57-Jährige die Kunstakademie in Zagreb besuchen und Kunstmalerin werden. „Malen war meine erste Liebe.“ Aber Rebeka, die 1979 gegen massiven Widerstand ihrer Eltern ins Kloster eingetreten war, folgte dem Drängen des Ordens.

„Nach dem ersten Studienjahr stieg in mir die Erinnerung hoch, dass ich bereits in der Grundschule den Wunsch hatte, Theologie zu studieren“, berichtet die diesjährige Herbert-Haag-Preisträgerin für Freiheit in der Kirche. Ihr damaliger Geschichtslehrer – wir bewegen uns in der kommunistischen Ära Kroatiens – hatte abfällig über Jesus gesprochen. Das ging der kleinen Rebeka gegen den Strich. Sie stand auf und fing an, mit ihrem Lehrer über Jesus zu diskutieren, merkte aber, dass sie zu wenig über das Evangelium und über Jesus wusste. „Nachdem ich mich an dieses Ereignis erinnert hatte, konnte ich mich voll und ganz hinter mein Theologiestudium stellen und es gut akzeptieren“, sagt die Franziskanerin überlegt und bescheiden zugleich. „Malerin kann ich immer noch werden“, schmunzelt Schwester Rebeka mit sich versöhnt, „wenn ich in den Ruhestand trete“.

 

Aus dem öffentlichen Leben verdrängt

Insbesondere vor dem Hintergrund westeuropäischer Verhältnisse gilt es, sich den gesellschaftlichen Kontext Kroatiens während der sozialistischen Ära vor Augen zu halten. Vergleiche man etwa die Stellung der Ordensfrauen mit der der Frauen im Sozialismus dieser Zeit, erläutert die feministische Theologin aus Split, „so ist ein Zwiespalt zu erkennen. Den Frauen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg eine in der Verfassung und im Gesetz verankerte Gleichberechtigung mit dem Mann sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben verbrieft. Die Ordensfrauen jedoch“, betont die Gender-Expertin, „wurden aus dem öffentlichen Leben verdrängt, die im Orden herrschende Armut machte eine universitäre Ausbildung unmöglich“. Daher erlebte man in Kroatien die Schwestern in dieser Zeit „als arm, der Schrift unkundig und vom Priester abhängig respektive als Dienstmädchen des Priesters“. Diese Unterordnung in Kirche und Gesellschaft wollte vor allem Rebekas Mutter ihrer Tochter Ende der 70er Jahre ersparen.

Dass Rebeka Anić trotz aller Widrigkeiten zur Theologie fand, war zum einen dem rudimentären theologischen Wissensstand punkto Frauen in der kroatischen Kirche zu verdanken, andererseits dem Angebot, in Wien beim Pastoraltheologen Paul Zulehner ihre Studien zu vertiefen. Mit einer auch auf Deutsch zugänglichen Doktorarbeit über die Rolle der Frauen in der Kirche Kroatiens des 20. Jahrhunderts wurde Sr. Rebeka 2001 promoviert.

Wie Bischöfe zur Diskriminierung der Frauen beitragen

Besonderes Augenmerk legte Schwester Rebeka dabei auf das kirchliche und kommunistische Verständnis von der „Natur der Frau“. Sie fand heraus, dass in Kroatien Frausein schon seit über hundert Jahren nicht mehr mit Rationalität in Verbindung gebracht worden ist. Frauen seien für Gefühle und Beziehungen, Männer für die Rationalität und Entscheidungen zuständig. Weiter machte Rebeka Anić unter anderem deutlich, dass „eine sachlich falsche Berufung auf Bibel und Kirchenpraxis zur Diskriminierung der Frauen beigetragen hat“, wie die Herbert-Haag-Stiftung festhält.

„Gottes Reichtum soll fruchtbar und in den Dienst der Menschen gestellt werden.“ Rebeka Anić

Obwohl die kroatischen Bischöfe die Theologin offiziell nie mit einem Lehrverbot an theologischen Fakultäten und Institutionen belegt haben, ist für die Denkerin klar, „dass ich nie ein nihil obstat für eine Professur, also grünes Licht aus Rom, bekommen werde“. Und das ist laut der Gender-Expertin so zu erklären: „Im Buch Wie ist Gender zu verstehen? wollte ich die kroatische Öffentlichkeit über die Geschichte des Begriffes Gender informieren, über dessen Gebrauch in internationalen Dokumenten und in der Theologie, über die Begriffsverwirrung und die falschen Interpretationen, die den Thesen von der deutschen Publizistin Gabriele Kuby anhaften sowie über die Position des Heiligen Stuhls während der vierten internationalen Weltfrauenkonferenz in Peking (1995).“ Doch statt Anerkennung fand Schwester Rebeka Anfeindungen. „Ich wurde als „Gender-Ideologin“ beschuldigt.“ Insbesondere wirft man der kleinen Ordensfrau mit den grossen braunen Augen vor, sie habe aufgezeigt, dass in der Kirche die katholischen Autoren und Autorinnen mit ultrakonservativer, fundamentalistischer Orientierung in der Tat grösseren Einfluss haben als katholische Theologen und Theologinnen.

Keine dogmatischen Irrtümer

Der Konflikt um die Gleichstellung und Gleichbehandlung der Frauen eskalierte. Ein Theologieprofessor forderte, Anić den Lehrauftrag wegen ihrer feministisch-theologischen Thesen zu entziehen. Doch ein wissenschaftlicher Ausschuss der Fakultät in Split urteilte, „dass das Buch weder dogmatische noch moralische Irrtümer enthält“. Beanstandet wurde lediglich die Anwendung des Begriffes Fundamentalisten auf Autoren, auf die sich sowohl der Päpstliche Rat für die Familie als auch die Glaubenskongregation in seinen Erklärungen zur Genderkonzeption stützt. Für die rote Karte für Anić reichte das aber nicht. Dennoch legte die Ordensfrau ihren Lehrauftrag nieder, „weil ich während des gesamten Prozesses nur mühsam an Informationen kam, die es mir ermöglicht hätten, eine angemessene Entscheidung zu treffen“. Dazu kam, dass sie als Ordensschwester öffentlich gebrandmarkt und aufgefordert wurde, bescheiden und gehorsam zu sein. Heute arbeitet die Gender-Expertin als Senior Research Associate am Institut für Sozialwissenschaften Ivo Pilar – Regional Centrum Split (Kroatien).

Warum die katholische Kirche gegenüber feministisch-theologisch engagierten Frauen derart misstrauisch ist, erklärt die Kroatin so: „Zwar sind immer mehr Frauen in kirchlichen Leitungsämtern, aber sie wissen genau, dass sie über Themen wie etwa Frauenfragen, Frauenpriestertum, Zölibat und Ämterfrage nicht öffentlich sprechen dürfen.“ Im Klartext: Der Wille zu Kirchenreformen fehlt. Wenn Papst Franziskus etwa eine Frau in ein päpstlichen Rat nach Rom beruft, setze er zwar ein Zeichen, analysiert die Franziskanerin. „Zugleich aber spricht der Papst ganz traditionell von den Frauen in der Kirche. Er will seine Reformen in anderen Bereichen“, so meint sie, „nicht gefährden.“ Grundsätzliche Veränderungen anzupacken, sei aber genau das, was die Frauenfrage konsequent zu Ende gedacht, verlange. Bibelwissenschaftlerinnen, Dogmatikerinnen und Fundamentaltheologinnen hätten längst genügend wissenschaftlich fundierte Argumente – beispielsweise sind Frauen wie die Männer auch ein Ebenbild Gottes – auf den Tisch gelegt, die diese nachhaltigen Veränderungen nahe legen. „Doch mächtige Kirchenmänner wollen, dass die Stellung der Frauen so bleibt wie sie ist. Aber Gottes Reichtum soll fruchtbar und in den Dienst der Menschen gestellt werden“, unterstreicht Rebeka Anić zu Recht. „Tut sie es nicht, verliert die Kirche ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung“!

In diesem Sinn für die Freiheit in der Kirche zu leben und sich zu engagieren, bleibt für die Herbert-Haag-Preisträgerin zumal als franziskanische Ordensfrau und Theologin „ein Abenteuer mit Gott“.

Publikationen von Rebeka Anić: Die Frau in der Kirche Kroatiens im 20. Jahrhundert“ (Wien, 2004); „Kako razumjeti rod? Povijest rasprave i različita razumijevanja u Crkvi“ („Wie kann man Gender verstehen? Die Geschichte der Debatte und verschiedene Deutungen in der Kirche“), Zagreb 2011;  Franziskanerinnen in der „Männerkirche“. Zustand und Erneuerung. in: Michaela Sohn-Kronthaler – Willibald Hopfgartner – Paul Zahner (Hg.), Zwischen Gebet, Reform und sozialem Dienst. Franziskanische Frauen in den Umbrüchen ihrer Zeit, Innsbruck – Wien, Tyrolia-Verlag, 2015. 279-302

 

1 Gedanke zu „Die unerschrockene Franziskanerin“

  1. Jadranka Sr. Rebeka Anić ist am Montag 20. März 2017 von 14.00-17.30 Dialogpartnerin des Forums für offene Katholizität im Romerohaus Luzern, gemeinsam mit Angela Büchel, Bern. Beiden promovierten Theologinnen erörtern die gegenwärtige Lage der feministischen Theologie in der römisch-katholischen Kirche.

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