Ein Amerikaner will Papst werden

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Foto: www.nbcnews.com

Der Rahmen hätte barocker nicht sein können. In seiner mit Bernini-Gemälden gepflasterten Titularkirche Santa Maria della Vittoria nutzt Kardinal Sean Patrick O’Malley seine Sonntagspredigt, um seine Ambitionen auf den Stuhl Petri geschickt in seine Auslegung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn zu verpacken. Wie Gott, der Vater, stets offene Arme für sündig prassende Söhne habe, so habe es immer Platz für Sünder in der Kirche. Gemeint waren natürlich all die gefallenen Kardinäle, die verstrickt sind in den unsäglichen Missbrauchsskandal und die  Vatileaks-Affäre. Und dann zählt der Kapuziner-Kardinal, der in seinem Bistum an der amerikanischen Ostküste vor allem nach dem Missbrauchsskandal mit eisernem Besen durchaus hemdsärmlig aufgeräumt hat, die Sünden der Kirche auf, spricht von der Mittelmässigkeit von Gottes Bodenpersonal, erinnert an die schmerzlichen Skandale, die die Herde Christi aufwühlen und einem „nicht positiven Geist“, der sich nicht nur in den Dienststuben der Kurie breit gemacht habe. Aber keine Sorge, väterlich redet O’Malley vom barmherzigen Jesus, der die Kirche nie im Stich lassen werde. Keine flammende Abrechnung mit den kriminellen Machenschaften der Kollegen, kein mahnender Appell von wegen Null-Toleranz. Stattdessen ginge es darum, predigt der freundlich wirkende Amerikaner irischer Abstammung, „die Verlorene zu suchen und das Kranke zu heilen“.

So redet einer, der was werden will. Nicht anklagend, sondern integrierend, nicht polarisierend, sondern den Mantel ausbreitend. O’Malleys Predigt war nichts mehr und nicht weniger als eine smarte Bewerbungsrede. Aber wird ein Amerikaner Papst? Wohl kaum, denn zu gross ist die Sorge vor allem unter den kurialen Wahlmännern, dass der Einfluss der politischen Interessen der USA zu stark werden könnte.

Wolf Südbeck-Baur, Rom

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