Flüchtlinge aufnehmen dürfen

In weiten Kreisen der Schweizer Zivilgesellschaft trifft die restriktive Migrationspolitik der Schweizer Regierung auf scharfe Kritik. Vereinzelt gibt es hie und da aber auch kleine Lichtblicke.

Von Anni Lanz*

Während der letztjährigen Ostertage kamen in der Schweiz in kürzester Zeit fünfzigtausend Petitionsunterschriften aus den verschiedensten Bevölkerungskreisen zusammen. Sie fordern, die Aufnahme von in Griechenland gestrandeten Flüchtlingen. Seither wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse eingereicht, die die grosszügigere Aufnahme von Geflüchteten in Notlagen verlangen, nicht nur in den Ländern an der EU-Aussengrenze, sondern auch aus Krisengebieten in und um Afghanistan. Der Westen hat aus Sicht des Solinetz beim Abzug aus Afghanistan seine Grundwerte verraten und trägt besondere Verantwortung. Bundesrätin Karin Keller-Sutter war sich nicht zu schade, unsere mit den Grundwerten verbundenen Anliegen mit den immer gleichen Scheinargumenten zu bodigen.

„Der Westen hat beim Abzug aus Afghanistan seine Grundwerte verraten.“

Anni Lanz
Foto: Wolf Südbeck-Baur

Der Schweizer Bundesrat macht es sich migrationspolitisch gemütlich. Er will die EU-Grenzabwehr Frontex mit namhaften Finanzbeiträgen aufrüsten helfen – trotz den zahlreich dokumentierten menschenrechtswidrigen Pushbacks (s. migrationscharta.ch; humanrights.ch). Damit hält er die Zuflucht von Asylsuchenden tief. Die Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge stehen halb leer, während die EU-Aussenländer übermässig gefordert sind. Trotzdem sind diese, wie Italien, bereit, weitere Flüchtlingskontigente über den humanitären Korridor aufzunehmen. Gegen die Erhöhung der Frontexbeiträge von 14 auf 61 Mio. Franken haben zivilgesellschaftliche Kreise das Referendum ergriffen, über das Mitte Mai dieses Jahres abgestimmt werden soll. Die erste Volksabstimmung dieser Art in Europa. Nutzen wir die Chance, um für ein Nein gegen die Aufstockung der Flüchtlingsabwehr-Armee zu weibeln.

Aber auch in mehreren Gemeinden, Kantonen und auf Bundesebene forderten parlamentarische Vorstösse eine gosszügigere Aufnahme von Flüchtenden. Sechzehn Städte haben sich zu einer entsprechenden Allianz zusammengeschlossen. Die Basler Standesinitiative vom vergangenen Frühjahr wurde sogar in der ständerätlichen Kommission mit 3:3 Stimmen und präsidialem Stichentscheid angenommen. Wahrlich, ein schöner Zufall, weil nur die Hälfte der Kommissionsmitglieder anwesend war.

Der Vorstoss 21.7703 verlangt unter anderem auch mehr Aufnahmeentscheide mittels humanitärer Visa. Bis jetzt hat die Schweiz davon kaum Gebrauch gemacht, insbesondere bei den tausenden Gesuchen von Flüchtlingen aus Afghanistan. Beschwerden wurden mit windigen Argumente abgewiesen. Der Schweizer Bundesrat verhärtet sich gegenüber den Flüchtenden zusehends. Aber immerhin ist die ständerrätliche 3:3-Zustimmung eine kleine Ermunterung an uns, weitere Räte und RätInnen und Bevölkerungskreise für die Sache zu gewinnen.


*Anni Lanz ist Mitglied des Solinetz Basel

Mehr Infos: solinetzbasel.ch, migrationscharta.ch

„Der Vorstoss 21.7703 verlangt unter anderem mehr Aufnahmeentscheide mittels humanitärer Visa. Bis jetzt hat die Schweiz davon kaum Gebrauch gemacht.“

Anni Lanz

2 Gedanken zu „Flüchtlinge aufnehmen dürfen“

  1. Ja, der Westen hat seine Grundwerte verraten. Und noch schlimmer: er hat auch fortschrittlich denkende Afghaninnen und Afghanen verraten, indem er diese Menschen, die jetzt Schutz brauchen, schutzlos den Taliban überlässt, sie nur äusserst zurückhaltend aufnimmt. Leider ist auch die Schweiz Teil dieser unmenschlichen Wegschau-Politik.

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