Heinz Buschkowsky: „Integration ist knallharte Arbeit“

„Einwanderung ist nicht der Testbetrieb für die Sozialsysteme!“ Mit eingängigen Bildern und markigen Worten warb der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky in Basel für eine Integrationspolitik, die alle Beteiligten in die Pflicht nimmt. Güvengül Köz Brown kritisierte, Buschkowsky leiste rassistischen Vorurteilen Vorschub. Der Buchautor von „Neukölln ist überall“ referierte auf Einladung der Ausländerberatung der Basler GGG.

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Der Mann hat Ecken und Kanten. Vermutlich hat die Ausländerberatung der GGG Basel gerade deshalb Heinz Buschkowsky, den rhethorisch versierten Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, eingeladen, an diesem heissen Sommertag über die Integrationsdebatte zwischen Polemik und Schönfärberei zu sprechen. „Integration ist nicht der Wettbewerb um den Mutter-Teresa-Preis und auch keine Sektion von Brot für die Welt, sondern knallharte Arbeit.“ Mit einem flammenden Plädoyer für die harte Arbeit der Integration rief der Sozialdemokrat dem voll besetzten Saal zu: „Die Gemeinschaft muss ihre Türen offen halten für Einwanderer und ihnen sagen, toll, dass du hier mitmachen willst in unserer Gesellschaft.“ Dies könnten zwar alle noch locker unterschreiben. „Aber im Hausflur ist alles anders“, schmetterte der bullige 64-Jährige. Da passten dem einen die fremden Gewürzgerüche im Treppenhaus nicht und dem anderen die anders tönende Musik. Folge: Viele stimmten mit dem Möbelwagen ab und zögen in ein vermeintlich besseres Quartier. „Zurück bleibt eine Lücke von fehlender sozialer Kompetenz.“ Dies sei in Berlin-Neukölln nicht anders als in der Schweiz.

Unpopuläre Massnahmen

DSC_0033Doch wie schon „unser aller Mutti Kanzlerin Angela Merkel“ kürzlich richtig festgestellt habe, brauche Deutschland und wohl auch die Schweiz nicht weniger, sondern mehr Einwanderer. Dies allein schon, um den demografischen Wandel aufgrund der gesunkenen Geburtenrate  aufzufangen. Jährlich verlassen ca. 150000 Akademiker Deutschland. „Ein Leben in Wohlstand wird es in Zukunft in Deutschland nur mit der Integration der Einwandererkinder geben“, argumentiert Buschkowsky. Aber das deutsche Bildungssystem sei nicht dafür eingerichtet, die Einwandererkinder zu integrieren und fit zu machen für den Lebensalltag. So landeten in Neukölln 70 Prozent der Schulabgänger direkt im Jobcenter. Die Maturandenquote in Berlin betrage laut Buschkowsky 56 Prozent bei den einheimischen jungen Leuten, 30 Prozent bei Einwanderkindern.  2012 hätten in Neukölln 40 Prozent der Erstklässler keine Deutschsprachkenntnisse gehabt. „Hier wächst ein Prekariat heran“, folgert der Neuköllner Bezirksbürgermeister. Und er untermauert seine Sicht mit dem Zitat eines Berliner Jugendrichters, der sich ernsthaft Sorgen mache, „dass in Berlin eine Generation aufwächst, die es zu nichts bringen wird“. Sie hätten kein Selbstwertgefühl und keine Orientierung. Nur eins hätten sie gelernt: fürs Überleben müsse man nichts tun, das Geld komme ja vom Amt. Dieser gesellschaftlichen Realität gelte es, ins Auge zu blicken.

Gegensteuer will Buschkowsky mit der Einführung einer obligatoirschen Kindergartenpflicht und mit Ganztagesschulen geben. Entsprechend scheut sich der hemdsärmelige Berliner nicht vor unpopulären Massnahmen. Originalton Buschkowsky: „Kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht aufs Konto.“ Solche Sanktionen würden wirken, wie die Erfahrung in Neukölln zeige. Für den streitbaren Bezirksbürgermeister gibt es denn auch keine kulturellen Rabatte. „Eine Gesellschaft muss sich gestalten wollen, und ich will, dass Einwanderer und ihre Kinder Teil dieser Gesellschaft werden.“ Unmissverstandlich unterstreicht Buschkowsky: „Wer in Deutschland lebt, kennt die Regeln, die nicht auf dem Altar der Beliebigkeit geopfert werden.“ Für die Rettung der systemrelevanten Banken habe die Regierung Merkel rund 300 Milliarden Euro investiert. „Sind unsere Kinder etwa nicht systemrelevant?“ fragt der beleibte Sozialdemokrat rhetorisch zurück, ohne einen Deut auf die viel beschworene political correctness zu geben.

Zensurversuch

Fotos: Wolf Südbeck-Baur
Fotos: Wolf Südbeck-Baur

Güvengül Köz Brown, Basler Kommunikations- und PR-Spezialistin, kritisierte Buschkowsky Überlegungen grundlegend. „Die Wahrheit ist, dass wir mit solchen Äusserungen die Angst vor dem Fremden nicht loswerden.“ Sie förderten rassistische Vorurteile und machten die Opfer zu Tätern. Sie erinnerte daran, dass die NPD Sachsen-Anhalts angetan gewesen sei vom Ausländerbild, das Buschkowsky in seinem Buch „Neukölln ist überall“ gezeichnet habe. Gleichsam im Gegenzug verwies  Köz Brown auf OECD-Angaben, nach denen 2009 in der Schweiz 76000 Ausländer selbstständig erwerbend waren, rechnet man die Eingebürgerten mit, so waren es sogar 135000, die insgesamt über 250000 Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen haben. In Richtung Buschkowsky meinte Köz Brown: „Diskriminierung fördert vieles, aber sicher nicht die Integration“.

Auch wenn sich Buschkowsky beim abschliessenden Podium mit einer öffentlichen Repblik zurückhielt, sagte er auf Anfrage des aufbruch am Rande der Veranstaltung, dass er solche Äusserungen als „Zensurversuch“ und „Denkverbot“ ablehne.

Wolf Südbeck-Baur, Redaktor des aufbruch

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