Herr G. hat Angst

Unsere Welt ist komplex, bewegt und unsicher: Krisen, Kriege, Katastrophen. Kein Wunder also, dass Herr G. Angst hat. Doch was tun mit dieser Angst? Sich ihr hingeben? Sich verlieren in Sorgenspiralen, Worst-Case-Szenarien, Panik, in Verlust- und Versagensängsten? Da muss es doch noch andere Wege geben …

Von Anna K. Flamm

Mit seinem Buch „Herr G. hat Angst: Und macht sich auf eine Reise durch Philosophie, Wissenschaft und Spiritualität“ nimmt Thorsten Glotzmann seine Leserschaft mit auf eine Exkursion hin zu einem zentralen, universell menschlichen Gefühl – der Angst. Sorgfältig recherchiert und gut durchdacht erkundet er verschiedene Dimensionen dieser Angst, betrachtet sie durch die Linsen der Philosophie, Wissenschaft und Spiritualität. 

Irrender Ritter

Die Reise beginnt mit einer persönlichen Erzählung von Herrn G., der stellvertretend für jeden Menschen stehen könnte, der sich seinen Ängsten stellt. Der Zugang über ihn als „irrenden Ritter“ macht die tiefen und oft komplexen Themen zugänglich, lässt aber auch, ohne perspektivisch zu sehr einzuengen, deutlich werden, dass die Auseinandersetzung mit der Angst eine individuell-persönliche ist. Herr G.’s Reise führt ihn durch historische und moderne philosophische Ideen, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und tiefgreifende spirituelle Einsichten.

Katalysator für persönliches Wachstum

Thorsten Glotzmann, der Philosophie, Deutsche und Französische Literatur studiert hat, nutzt zunächst die Philosophie als Werkzeug, um die Natur und die Ursprünge der Angst zu beleuchten. Er diskutiert klassische und modernere Philosophen – von den Epikureern und Stoikern über Kierkegaard bis hin zu Sartre – und zeigt, wie deren Gedanken zur Angst im Kontext der Existenzialphilosophie stehen. Die Diskussion über die Idee, dass Angst nicht nur ein Hindernis, sondern auch ein Katalysator für persönliches Wachstum sein kann, bleibt dabei sehr lebendig in Erinnerung.

Angst ist behandelbar

Auf der wissenschaftlichen Seite liefert der Autor eine klare und präzise Erklärung darüber, wie Angst im Gehirn funktioniert. Er erörtert die Rolle von Neurotransmittern, die Evolution der Angstreaktionen und erklärt, wie moderne Therapien wie die kognitive Verhaltenstherapie wirken. Informativ und gut verstehbar, wird deutlich: Angst ist behandelbar, man kann mit ihr, an ihr arbeiten.

Spirituelle Dimension

Die spirituellen Aspekte des Buches sind besonders eindrücklich. Glotzmann betrachtet, wie verschiedene Weltreligionen und spirituelle Praktiken Angst behandeln. Durch die Einbeziehung von Buddhismus, Christentum, Hinduismus und anderen spirituellen Traditionen bietet das Buch eine breite Palette an Techniken und Perspektiven zur Bewältigung von Angst, von Meditation bis Gebet.

Fazit

Angst ist ein natürlicher Bestandteil unseres Lebens. Das wird bei der Lektüre von „Herr G. hat Angst“ deutlich. Aber: Sie muss nicht das letzte Wort haben. Es gibt Strategien, um mit ihr umzugehen, einen Weg zu finden, mit ihr und durch sie zu wachsen auf ein Leben in Freiheit hin. Insofern ist das Buch empfehlenswert für alle, die ein tiefes Verständnis von Angst anstreben. Zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und narrativer Prosa informiert Thorsten Glotzmanns Werk nicht nur, sondern inspiriert auch und gibt Werkzeuge an die Hand, um ein reicheres, erfüllteres Leben zu führen, das weniger von Angst bestimmt wird.

Thorsten Glotzmann: Herr G. hat Angst: Und macht sich auf eine Reise durch Philosophie, Wissenschaft und Spiritualität. Berlin Verlag, 304 Seiten.

2 Gedanken zu „Herr G. hat Angst“

  1. Innerkatholische Konflikte müssen auf hoher See gelöst werden. Frau Flamm schreibt u.a. „Mit seinem Buch „Herr G. hat Angst: Und macht sich auf eine Reise durch Philosophie, Wissenschaft und Spiritualität“ nimmt Thorsten Glotzmann seine Leserschaft mit auf eine Exkursion hin zu einem zentralen, universell menschlichen Gefühl – der Angst.“
    Mit meinen wenigen im Folgenden angefügten Zeilen möchte ich auf eine andere Angst in einem anderen Bereich aufmerksam machen:
    Nämlich auf die Ängste von Kirchenvertretern innerhalb der kath. Kirche vor Veränderungen und Reformen: Wer sich vor Reformen fürchtet, hat im Grunde zu wenig Gottvertrauen. Wer Gottvertrauen hat, kann sich auch auf die hohe See hinauswagen. Er weiß, dass ihn die Stürme nicht vernichten. Es ist wie in der Legende von Petrus, der über das Wasser geht. Er kann auf dem Wasser gehen, solange er auf den entgegenkommenden Herrn schaut und nicht auf den Sturm. Sobald er auf die Wogen starrt, geht er unter.
    Reformunwilligkeit und Kommunikationsunfähigkeit finden ihren gemeinsamen Ursprung im fehlenden Gottvertrauen. Rembrandts Bild „Christus im Sturm auf dem See Genezareth“ spiegelt die Situation der Amtskirchenvertreter in der Gegenwart in exzellenter Weise wider.
    Papst und Bischöfe haben jedoch offensichtlich so grosse Ängste vor jeglicher Art von Reformen und Veränderungen, dass sie in ihrem Schiff auf offener See (genau wie die Jünger Jesu) der Zusage Jesu kein Vertrauen mehr schenken und in Verzagtheit und Kleingläubigkeit verfallen: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4,40) Jesus und mit ihm die Laien werden sagen: „Duc in altum!“ – „Fahre hinaus auf die See!“
    Wer glaubt, er könne im sicheren Schutz des Hafens verharren und aus dieser Position im 3. Jahrtausend noch Menschen für die „froh machende Nachricht“ begeistern, obliegt einem veritablen Irrtum.

    Paul Haverkamp, Lingen

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