Vor 70 Jahren fand Gandhi durch einen Attentäter den Tod

Am 30. Januar 1948 wurde der 78-jährige Mahatma Gandhi von einem Hindu-Nationalisten erschossen. Eine der inspirierendsten und vielseitigsten Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts zahlte so mit seinem Tod für seinen unermüdlichen gewaltfreien Einsatz. 

Portrait_Gandhi.jpg

Es ist wohl hauptsächlich Gandhi zu verdanken, dass Indien nicht in einem mörderischen Befreiungskrieg in Schutt und Asche versank – eine erstaunliche historische Leistung Gandhis, gerade auch angesichts der unzähligen verlustreichen Bürgerkriege in der heutigen Welt, in Syrien, Afghanistan, Ukraine!

Gandhi – der erste systematische Praktiker aktiver Gewaltfreiheit

Schon als junger Anwalt in Südafrika entwickelte Gandhi in eindrücklichen Kampagnen seine Instrumente des gewaltfreien Widerstandes: Nichtzusammenarbeit mit dem Übel notfalls auch durch gezielte Gesetzesübertretung (Zivilen Ungehorsam), und mit der Bereitschaft, lieber selber Gewalt zu erleiden als Andern Gewalt zuzufügen. Er entdeckte, dass es nicht um Sieger und Verlierer geht, sondern um die Befreiung von Unterdrückten und Unterdrückern. Seine Ashrams (Lebensgemeinschaften) gaben ihm und seiner Familie dafür den nötigen Rückhalt.

Gandhi und der indische Unabhängigkeitskampf

Ab 1916 wieder in Indien initiierten Gandhi und seine Kongressanhänger etwa alle 10 Jahre grosse Protestkampagnen gegen die britische Kolonialmacht: Eine millionenfache Steuerstreik-Kampagne in Bardoli blies Gandhi ab, als die Menge 20 Polizisten tötete. 1931 brach er zum berühmten Salzmarsch über 241 Meilen bis zum Meer auf, um illegal eine Handvoll Salz zu gewinnen. In der Folge marschierten mehrere Hundert Satyagrahi (=Gewaltfreie) in disziplinierten Reihen schweigend zu einer Salzmine. Reihe um Reihe wurde von den Polizisten niedergeknüppelt, die Schwerverletzten von HelferInnen geborgen – ohne dass die Reihen zurückwichen.  Als im August 1947 Indien und Pakistan die Unabhängigkeit erhielten, brachen sogleich Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen aus. Mit seinen 78 Jahren brach Gandhi in die zerstörten Häuser und aufgebrachten Mengen auf und versuchte, dem Hass und Wüten Einhalt zu gebieten. Sein Fasten bis zum Tod brachte schliesslich die Heisssporne beider Seiten dazu, ihre Waffen vor Gandhi niederzulegen.

Gandhis Vision einer demokratischen Gesellschaft der Zukunft

In allen möglichen Lebensbereichen experimentierte Gandhi und versuchte neue Wege zu gehen: In der Ernährung, Medizin, Erziehung, in der Gleichstellung der Frau, gegen Kastenwesen etc. Für sein riesiges Agrarland Indien zeichnete er in seiner Schrift‚ Selbstherrschaft in Indien „eine grosse Vision“ dezentraler selbstverwalteter Dörfer, die sich mit einfachsten landwirtschaftlichen und handwerklichen Mitteln möglichst weitgehend selber versorgen würden. Sein Symbol dafür war das  Spinnrad. Und er unterstrich: Je mehr die Menschen bereit sind, mit ihren eigenen Händen zum Lebensnotwendigen beizutragen, desto weniger braucht es entfremdende Industrieproduktion. Eine Sicht, die heute angesichts der Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit, aber auch weltweiter Dominanz des Kapitals ungeahnt modern und visionär wirkt!

Die Wahrheit ist Gott

Gandhi war tief ein religiöser Mensch. Täglich stand er um 3 Uhr auf, um zu spinnen und zu meditieren. Schon früh entdeckte er als Hindu auch andere Religionen, und lernte sie schätzen.

Die bleibende Bedeutung von Gandhi

Mit seinen systematischen und wohlorganisierten gewaltfreie Kampagnen inspirierte Gandhi viele herausragende Kämpfe der Neuzeit: Von der Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King bis zur Wende 1989 in Osteuropa und dem arabischen Frühling.  Sie könnten in der heutigen, zerrissenen Welt mit ihren vielen Kriegen enorm hilfreich sein. Bisher haben sich aber höchstens Friedensbe-wegungen wie IFOR (Int. Fellowship of Reconciliation) aktiv dafür eingesetzt. Die christlichen Kirchen hingegen haben sich noch kaum die Mühe gemacht, diesen „Schatz im Acker“ zu heben. Höchste Zeit also, Gandhis Vermächtnis endlich in die Tat umzusetzen!

Ueli Wildberger ist Vorstandsmitglied von IFOR Schweiz, dem Schweizer Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes (IFOR), eines weltweiten Netzwerkes von spirituell verwurzelten Friedensgruppen.

 

Schreibe einen Kommentar