Junge protestieren wegen dem Klimawandel, der ihre Zukunft bedroht. Die fahrlässige Politik vieler „Alten“ treibt Tausende auf die Strasse. Wie lange noch? Die Frage, ob die Klimastreiks nachhaltig seien, taucht oft auf. Als ob der Erfolg und die Kontinuität der Proteste in der Verantwortung der Jugendlichen lägen.
Bild: @gretathunbergsweden
Die Proteste halten seit Monaten an. Sie bewirken bereits viel. Alle politischen Parteien sind nun Umwelt-bewusst. Das verwundert und irritiert. Besonders bei den Freisinnigen. Sie stehen für quantitatives Wachstum. Ihr wahltaktischer Schlenker ist durchsichtig und doch zu begrüssen. An die Öffnung lässt sich anknüpfen. Egal, wie sie motiviert ist. Jeder Schritt ist ein Schritt.
Die Protestierenden wollen sich nicht vereinnahmen lassen. Ihre spontane Bewegung kommt von unten. Darin liegt eine ihrer Stärken. Die Proteste erinnern an frühere Aufrufe und Versprechen. Die Vereinten Nationen (UN) wiesen bereits 1972 an der Stockholmer Konferenz auf die Belastung der Umwelt und darauf hin, wie viele Menschen flüchten müssen, weil die erwärmte Erde den Meeresspiegel ansteigen lässt. Ein Jahr später zeigte der Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ auf. Die Publikation bewegte die Gemüter. Sie trug indirekt auch dazu bei, das Atomkraftwerk in Kaiseraugst zu verhindern. Leibstadt und andere AKWs wurden trotzdem gebaut.
Nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobil (1986) meinte Soziologe Ulrich Beck, „Die Risikogesellschaft“ käme nun zur Vernunft. Seine Hoffnung blühte 1989 weiter auf. Die Berliner Mauer fiel. Der Krieg zwischen West und Ost schien beendet zu sein. Die Rüstungsausgaben sanken. Leider nur für kurze Zeit. Denn seit dem „Sieg des Kapitalismus“ dringt das Kapital viel offensiver dorthin, wo es sich maximal verwerten lässt. „Geld und noch mehr Geld“ lautet das Motto. Die finanzgetriebene Politik kurbelt Profit orientiert das Wachstum an. Auf Kosten der Umwelt.
Die Zerstörung der Natur empört Greta Thunberg. Die Schülerin verweigerte den Unterricht und rief mutig zum Klimastreik auf. Der Funke sprühte weit über Schweden hinaus. Auch in der Schweiz solidarisieren sich viele Jugendliche. Und mehrere Kantone deklarieren sogar den Klima-Notstand. Das symbolische Zeichen ist wichtig. Vor allem, wenn Taten folgen, was bitter nötig ist. Ob und wie das geschieht, hängt von uns allen ab. Wir müssen alle viel dafür tun, einfacher leben und den Schutz der Umwelt nicht nur postulieren, sondern selbst praktizieren. Damit die Schweiz die UN-Ziele einhält und im Jahr 2030 netto kein CO2 mehr ausstösst.
Die 68er-Bewegung hielt die internationale Solidarität als konkrete Utopie hoch. Sie postulierte eine sozial gerechte Globalität, die noch weitgehend auf sich warten lässt. Wie die autonomen Freiräume, die die 80er-Jugend subito verlangte. Die Klimastreiks kommen nun ziemlich pragmatisch daher. Jugendliche gehen mit gutem Beispiel voran. Sie sind gut informiert, differenziert und selbst reflexiv. Wie Martina Montañés. Die Studentin achtet beim Einkaufen darauf, woher die Waren kommen. Sie nimmt frisches Gemüse und Früchte aus der Region. Einmal, erzählte sie mir, haderte sie mit jemandem, der Fischstäbchen aus Neuseeland im Korb hatte. Aber dann fragte sie sich, ob es ihr darum geht, sich moralisch über andere zu erheben. Diese engagierte und reflektierte Haltung kommt an. Sie führt weiter. Vielleicht nicht ewig, aber nachhaltig. Und nicht von alleine.
Ueli Mäder ist Soziologe. Von ihm stammen die Bücher „68 – was bleibt? (2018) und „Dem Alltag auf der Spur“ (2017).
Genau, Jung und Alt begreifen es immer deutlicher: „Das symbolische Zeichen der Klimastreiks ist wichtig. Vor allem, wenn Taten folgen, was bitter nötig ist. Ob und wie das geschieht, hängt von uns allen ab. Wir müssen alle viel dafür tun, einfacher leben und den Schutz der Umwelt nicht nur postulieren, sondern selbst praktizieren.“ Also wieder einmal, „tut um Himmels Willen etwas Tapferes“!
Der Artikel ist ganz nett. Einzig beeindruckt aber hat mich die Erwähnung des Beispiels der Martina Montañés, wo es aus einer persönlichen Erkenntnis heraus zu einer Selbstbeschränkung kommt, die, von vielen angenommen und auf weitere Bereiche ausgedehnt, zu einer merklichen Besserung der Lage führen dürfte.