Muslimische Jugendliche im Zwiespalt

Viele muslimische Jugendliche in der Schweiz befinden sich in einer Dilemma-Situation: Sie sind in der Schweiz aufgewachsen, fühlen sich hier wohl, werden von der Gesellschaft aber nicht voll akzeptiert. Das hat stark mit der politischen Grosswetterlage zu tun – allgemeine Vorurteile, der Jihad und v.a. die Minarett-Initiative von 2009 lösten ein Signal aus: „Ihr gehört hier nicht dazu“.

© epd-bild / LICHTBLICK / Guido

Der öffentliche Vortrag an der Universität Luzern über die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Imame, Rapper, Cybermuftis“ des Zentrums für Religionsforschung mit dem Titel „Hallo es geht um meine Religion! Muslimische Jugendliche in der Schweiz auf der Suche nach ihrer Identität“ fand nur ein Dutzend Zuhörerinnen und Zuhörer. Dabei ist es ein hoch aktuelles und überaus wichtiges Thema im ganzen politischen Diskurs um Islam und Integration.

Die Islam-Debatte in der Schweiz drängt viele junge Musliminnen und Muslime zur Positionierung

Die Hinwendung zu religiösen Fragen geschieht bei muslimischen Jugendlichen während der Phase des Erwachsenwerdens. Das ist nicht neu – denn die Auseinandersetzung mit Sinnfragen, Identität und Religion beginnt – unabhängig der religiösen Zugehörigkeit – normalerweise im Jugendalter. Aber das sich Auseinandersetzen mit religiösen Fragen und der eigenen Identität schliesst bei vielen muslimischen Jugendlichen seit der Minarett-Initiative auch ein politisches Moment mit ein: Die ganze Islam-Debatte in der Schweiz drängt die jungen Musliminnen und Muslime zur Positionierung. So müssen sie sich nicht nur mit ihrer eigenen Herkunft und mit ihrer Religion stärker auseinandersetzen, sondern auch politisch Stellung beziehen. Dies drängt die Jugendlichen, die sich bereits mit ihrer Minderheitensituation abfinden müssen, zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit ihrer eigenen religiösen Identität. Der Islam bedeutet für die Jugendlichen viel, aber auch dessen Vereinbarkeit mit dem Leben in der Schweiz.

Die Studie zeigt weiter auf, dass muslimische Institutionen wie Moscheen, religiöse Autoritäten wie Imame oder gar die Eltern nur wenig Einfluss auf die Jugendlichen und ihre religiöse Identität haben. Viele Jugendliche sind sehr kritisch. Dieses Faktum wirft die geläufigen Annahmen vieler Medien und Politiker über den Haufen.

Das Dilemma: hier aufgewachsen aber nicht akzeptiert – ein trauriges Ergebnis der Studie

Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Musliminnen und Muslimen in der Schweiz ist erschreckend. Sie werden als anders wahrgenommen: als nicht dazugehörig, als nicht integriert, als Ausländer oder einfach als Muslime. Und das ist das Dilemma, indem sich viel muslimische Jugendliche in der Schweiz befinden. In der offenen Diskussionsrunde spricht ein junger Moslem dieses Dilemma an: er ist hier geboren und aufgewachsen, fühlt sich wohl in der Schweiz, merkt aber immer wieder, dass er nicht voll in der Gesellschaft akzeptiert ist. Die Studienleiter bestätigen diese Dilemma-Situation und beschreiben sie als ein trauriges Ergebnis, das sie feststellten und das festgehalten werden muss.

Auch der Vorwurf an die Medien, dass sie nur mangelnde Kenntnisse über den Islam hätten, oder dass sie berichten ohne zu differenzieren, wird laut. Diesbezüglich stellt sich aber auch die Frage, weshalb bei einem öffentlichen Vortrag zu dieser Thematik nicht Medienschaffende direkt eingeladen wurden. Damit hätte konkret ein Zeichen gesetzt werden können; etwa indem Stereotypisierungen und Vorurteile revidiert bzw. abgebaut werden können.

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