Fatma Sagir (Ed.): Rocking Islam

Der Stellenwert von Musik in muslimischen Ländern wird kontrovers diskutiert. Dennoch hat sich im Laufe der Geschichte in muslimischen Kulturen sowohl religiös inspirierte als auch weltliche Musik entwickelt, verbreitet und etabliert.

von Hamit Duran

Insbesondere hat sich in der jüngeren Geschichte unter muslimischen Jugendlichen eine aktive und vielfältige Musikszene entwickelt. Dabei dient Musik oft als Ausdrucksmittel für die Jugendlichen und hilft ihnen dabei eine eigenständige religiöse Legitimation für ihren modernen Lebensstil zu entwickeln.

Eingehend beschäftigt sich das Buch mit der Entwicklung einer muslimischen Jugendkultur in Anbetracht der rasanten Globalisierung etwa mittels moderner Technologien. Sie geht einher mit einer «Glocalization», also einer Vermengung von globalen Einflüssen und lokalen Kulturen. Das wird anhand konkreter Entwicklungen, bezüglich Sounds, Songtexten und Publika in verschiedenen Ländern verdeutlicht. Insbesondere in Grossbritannien ist seit den 90er Jahren ein starker Anstieg kultureller Aktivitäten zu beobachten, der sich etwa in Film, Comedy, Print- und Online-Medien sowie in der Mode zeigt. Im Beitrag zur Rolle muslimischer Frauen zeigt sich allerdings, dass für sie in höherem Mass als für Männer religiöse und kulturelle Leitplanken existieren. So setzen etwa selbsternannte «Wächter» (Gatekeeper), aber auch die bewusst oder unbewusst ausgeübte Zensur in der muslimischen Community ihnen Grenzen. Durch die immer grösser werdende Vielfalt werden diese allerdings stetig ausgeweitet.

Spannende Entwicklungen zeigen die Beiträge über die Rap-Szene in Marokko oder die «Mahraganāt» in Ägypten. Das populäre Musikgenre entstand 2005 in Kairo. Es bricht zwar mit einem traditionell konservativen Islam-Verständnis, zeigt aber gleichzeitig, dass Religion ein integraler Bestandteil der Lebensrealität der ägyptischen Gesellschaft ist.

Fatma Sagir (Hrsg.): Rocking Islam – Music and the Making of New Muslim Identities,
2021,  Freiburger Studien zur Kulturanthropologie

Weitere Beiträge befassen sich mit dem Einfluss des Islam auf die Schwarze Musikszene, oder mit der Bedeutung von Musik für die Verständigung zwischen Asylsuchenden und Ansässigen in Deutschland. Auch einen Beitrag zur muslimischen Musikszene in der Schweiz hat es im Buch! Die beiden Rapper, Shah Rick aus Genf und Mel-K aus Lausanne legen dar, wie sie durch ihre Kunst ihre hybride Identität zum Ausdruck bringen. Um den Themenkomplex «Musik – Religion – Identität» geht es denn auch im Folgekapitel. Viel Erkenntnis dazu liefert der Beitrag von Meltem Peranic, der sich mit der Verschmelzung von populärer Musik und muslimischer Frömmigkeit befasst. Er zeigt: Die muslimische Jugend hat Wege gefunden hat, ihren Lebensstil mit ihrem Glauben zu vereinbaren.

Der letzte Beitrag, von Herausgeberin, Fatma Sagir, befasst sich mit Musik und muslimisch-weibliche Formen der Selbstdarstellung («Embodiments»). Sagir stellt zunächst fest, was allgemein von einer Muslimin im öffentlichen Raum erwartet und wie sie in den westlichen Medien dargestellt wird. Das Fehlen eines positiven medialen Bildes und die ungenügende Vertretung muslimischer Frauen in der Popkultur wurde von manchen jungen Musliminnen dazu genutzt, eine neue selbstbestimmte Selbstdarstellung zu etablieren.

Das Sammelwerk «Rocking Islam» gewährt aufschlussreiche und überraschende Einblicke in das vielfältige regionale Musikschaffen junger Muslime in verschiedenen Ländern. Die Beiträge im Buch fassen die Konferenz, die im Herbst 2018 unter demselben Titel an der Universität Freiburg i. B. stattfand, zusammen und zeigen eine vielfältige, kreative und anpassungsfähige Community.

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