Soziale Fähigkeiten im Roboterzeitalter

Braucht es den Menschen in der digitalisierten Welt überhaupt noch? Ja, denn durch den technologischen Fortschritt werden soziale Fähigkeiten als Ergänzung immer wichtiger

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Bild: EPD

Gespräch mit Nicolas Gerig, Robotikforscher an der Universität Basel:

Wie verändert der technologische Fortschritt unsere sozialen Beziehungen?

Die modernen Kommunikationsmittel verändern vieles in Bezug auf unsere sozialen Beziehungen. Der schnelle Zugriff auf Informationen erlaubt uns, unglaubwürdige Argumente in einer Diskussion schnell aufzudecken und in Frage zu stellen. Ausserdem geht durch die vermehrte Textkommunikation viel Kontext verloren und Missverständnisse entstehen. Dies führt dazu, dass der Mensch ein dickeres Fell braucht, um sich einerseits nicht ständig missverstanden zu fühlen, sowie eine verstärkte Fehlertoleranz mit der Fähigkeit zu verzeihen. Kritisches Denken wird wichtiger, weil man auch durch schnellen Informationszugriff die Möglichkeit hat, sich einfacher eine eigene Meinung zu bilden. Vertrauen gegenüber spirituellen und politischen Führungspersonen verliert hingegen an Bedeutung.

 

Welche sozialen Fähigkeiten und ethischen Ressourcen braucht die Arbeitswelt?

Ethisch-moralische Fragestellungen werden durch den technologischen Wandel wichtiger. War früher Wirtschaftlichkeit ohne moralisches Gewissen notwendig, um als erfolgreich zu gelten, kommen durch die Automatisierung vermehrt Fragen auf, was mit der Technologie erreicht werden kann. Dies führt auch vermehrt zu einer Nachfrage nach Stabilität gegenüber dem Arbeitgeber. Moralisches Mitdenken von einzelnen gelangt immer mehr in den Vordergrund, etwas dass ein Roboter nicht kann.

 

Wie verändert der technologische Fortschritt den Anspruch an das soziale Bewusstsein?

Dies ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wird kritisches Denken wichtiger im Anbetracht von der Menge an erhaltenen Informationen und Fähigkeiten werden belohnt, welche einem erlauben, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Andererseits entsteht durch den Wandel die Gefahr, sich in einer einseitigen Blase zu verlieren, wo nur noch die eigene Meinung immer wieder bestätigt wird. Dies bedingt durch einen bestimmten Freundeskreis und soziale Netzwerke, wo alles so weit personalisiert ist, dass nur die eigene Meinung bestätigt wird. Hier spielt die Bildung eine wichtige Rolle, um die Fähigkeit zu erlangen, kritisch zu sein. Relativierend muss man aber anmerken, dass es wohl schon zu Sokrates Zeiten essentiell war sich mit sich selbst, seinen eigenen Bedürfnissen und anderen Personen kritisch auseinanderzusetzen, mit dem stetigen Anspruch sich zu verändern.

 

Was passiert mit den Verlierern der Digitalisierung?

Es ist Aufgabe der Gesellschaft, diejenigen Leute wieder einzugliedern, welche abgehängt wurden, sonst verlieren wir alle. Insgesamt müssen wir jedoch festhalten, dass die Lebensqualität extrem gestiegen ist und Bildungschancen so gut sind wie noch nie. Durch die Fortschritte in der Robotik werden verschiedene Jobs nicht mehr gebraucht, deshalb muss man sich langfristig überlegen, wie wir Tätigkeiten generell werten. Beispielsweise ob es langfristig sinnvoll ist, dass es immer nur Arbeit sein muss, welche in das Wertebild der Gesellschaft passt, oder ob es auch soziale Aktivitäten sein könnten. Dies ist auch die Herausforderung bei einem Grundeinkommen, welches auf jeden Fall ein aktives Leben ermöglichen sollte.

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