Spannende Highlights auf den Spuren von Religionen und Kulturen in Ostdeutschland vom 24. bis 29. September 2024

Wartburg, Bauhaus, Wagner

Wenn Tinte den Teufel vertreiben soll

Hat Reformator Martin Luther auf der Wartburg mit seiner Tinte den Teufel vertrieben? Wie wollten die Bauhaus-Pioniere eine Kathedrale der Zukunft architektonisch gestalten? Was hat es mit Richard Wagners Bühnenweihfest in Bayreuth auf sich? Co-Reiseleiter Gian Rudin gibt im Gespräch mit Wolf Südbeck-Baur Einblicke in Perlen der Schatztruhe von Religionen und Kulturen in Ostdeutschland. Freie Plätze gibt es auch noch – bis 31. Juli.

Interview von Wolf Südbeck-Baur

aufbruch: Die aufbruch-Lesereise führt uns unter anderem auf die Wartburg, unweit vom thüringischen Eisenach. Hier lebte Reformator Martin Luther von 1521/1522 als vogelfrei Geächteter gleichsam wie ein Gefangener in der Verbannung. Was bedeutet diese Zeit auf der Wartburg für Luthers Spiritualität?

Gian Rudin: Luthers Grunderlebnis einer milden göttlichen Barmherzigkeit jenseits eigens erbrachter Leistungen ist der Grundtenor seiner Frömmigkeit. Da bewegt sich der Augustinermönch ganz in den Bahnen der mittelalterlichen Mystik. Die damals geläufige Spiritualität der sogenannten «devotio moderna» setzte auf die Verinnerlichung der Glaubensinhalte durch intensive Betrachtungen des Lebens Jesu. In diesem Zusammenhang spielten bereits Bibelübersetzungen in landessprachliche Dialekte eine entscheidende Rolle. Bekannt ist die Anekdote, dass Luther auf der Wartburg den Teufel mit der Tinte vertrieben habe. Damit wird auf seine Bibelübersetzungstätigkeit verwiesen. Durch die Verinnerlichung der in der Schrift ergehenden Heilszusage entwickelt Luther seine Theologie weiter und wirkte damit identitätsbildend für die Fokussierung auf die Heilige Schrift innerhalb der protestantischen Theologie.

aufbruch: Dessau, ein weiterer Höhepunkt unserer Reise, ist eng mit der modernen Bauhaus-Architektur verbunden. Was macht das Bauhaus so einzigartig?

Gian Rudin: Wenn wir uns das Titelblatt des 1919 erschienen Bauhaus-Manifests betrachten, ist dort eine von Lyonel Feininger skizzierte Kathedrale abgebildet. So lesen wir denn auch, es gehe im Bauhaus um die Gestaltung einer Kathedrale der Zukunft und somit um die hohe Vision eines Gesamtkunstwerkes. Das Bauhaus knüpft damit an die mittelalterliche Dombauhütte an, welche unter ihrem Dach verschiedene Kunsthandwerke vereint hat, um so die gotischen Kirchbauten im Sinne eines eigenständigen Stils zu perfektionieren. Das Bauhaus ist um die Einheit von Kunst und Handwerk bemüht und huldigt so einer ganzheitlichen Perspektive in der Baukunst. Nach dem Umzug nach Dessau werden dann massgebende Trends für das Neue Bauen gelegt, die die Architekturgeschichte nachhaltig geprägt haben.

aufbruch: In Bayreuth begegnen wir dem Komponisten Richard Wagner. Mit seinem Werk «Parsifal» legt Wagner das Fundament für ein neues Verständnis von Kunst und Religion. Was zeichnet dieses kunstreligiöse Verständnis aus?

Gian Rudin: Das Markgräfliche Opernhaus fällt Richard Wagner durch seine aussergewöhnliche Bühnentiefe ins Auge. Diese Bühne wird zum Vorbild für sein eigenes Festspielhaus, das auf einer Anhöhe in Bayreuth errichtet wird. Bei der Grundsteinlegung wird in einer Blechkapsel eine Weiheformel eingemauert. Diese spricht von einem Geheimnis, das der Welt offenbart werden soll. Wir befinden uns also eindeutig im Rahmen eines religiösen Sprachspiels. In seinem letzten Musikdrama «Parsifal» steigert Wagner sein religiöses Pathos einem Höhepunkt entgegen: Er bezeichnet das Stück selbst als Bühnenweihfestspiel. Die Bühne wird also ähnlich wie ein Altar in einem rituellen Zusammenhang geweiht. Die Kunst wird hier zur Statthalterin der religiösen Wahrheit und bringt diese durch die dargestellte Schönheit zum vollendeten Ausdruck. Letztes Ziel ist nach den Worten Wagners die Regeneration des Menschengeschlechts.

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