Und Josef?

Das Kind liegt selig in der Krippe auf Stroh, Maria sitzt daneben und lächelt froh. Ein Strahlen geht von den beiden aus. Und Josef? 

Josef Bild: Stephan Moser

Josef verscheucht die Fliegen, die das Gesichtchen des Kleinen umschwirren, und verstopft die Ritzen im Stall notdürftig mit Lappen und Stroh, damit das Pfeifen des kalten Nachtwinds das Kind nicht weckt. Seiner Frau legt er den Mantel enger um die Schultern.

Als die Hirten kommen, um das Kind zu sehen, ermahnt sie Josef, leise zu sein, das Kind schlafe. Und nachher bietet er ihnen Wasser an und Datteln und plaudert mit ihnen noch ein Weilchen über Schafe und Kaiser Augustus und wer dümmer sei.

Als die Könige kommen, um das Kind zu sehen, getraut sich Josef nicht, etwas zu sagen. Er ärgert sich still, als sie den Kleinen aufwecken. Und Maria braucht doch auch Ruhe, die Reise und die Geburt haben sie erschöpft. Nachher bietet er ihnen Wasser und Oliven an, mehr hat er nicht, und als die drei Weisen zu plaudern beginnen, nickt er nur, denn er versteht nichts vom Lauf der Gestirne und vom Regieren. Die Hirten waren ihm lieber.

Und überhaupt ist ihm ganz sturm vom Rummel um das Kind.

Sein Kind?

Er macht Feuer und kocht Hirsebrei für seine Frau und wäscht die dreckigen Windeln am Brunnen mit kaltem Wasser aus, auch wenn die anderen Frauen ihm dabei mitleidige Blicke zuwerfen. Und er füttert den Esel und er putzt den Mist des Ochsen weg, damit es nicht gar so stinkt.

Und des Nachts, wenn Maria weint vor Erschöpfung und weil die Brustwarzen schmerzen und der Kleine nicht richtig trinkt und nur quengelt, dann küsst Josef seine Frau in den Schlaf und nimmt das Baby auf den Arm. Stundenlang trägt er es im Stall herum, wiegt es leise, singt ihm Lieder vor, immer und immer wieder, massiert ihm sein geblähtes Bäuchlein, freut sich über jedes Fürzchen, das dem Kleinen Erleichterung verschafft, und wechselt klaglos die Windeln.

Zwischendurch denkt er, wie es nun wohl weitergeht mit Maria und ihm und dem Kind, und ob sein Verdienst als Zimmermann ausreicht, und was aus dem Kleinen mal werden wird.

So vergeht die Nacht. Er wiegt und trägt das Kind und kitzelt es mit seinem Bart an den Füsschen. Er schaut in seine kleinen Augen und erkennt darin sich selbst. Und lässt es dann nuckeln an seinem kleinen Finger, bis es – endlich – einschläft.

Wie Josef sie so sieht, Maria, das Kind, seine Familie, die ihm heilig ist, da lächelt er und schläft ein.

Seinen Sohn im Arm.

Stephan Moser ist freischaffender Journalist und Autor und fest angestellter Familienmann. 

8 Gedanken zu „Und Josef?“

  1. Auf dem Berge, da gehet der Wind,
    da wieget die Maria ihr Kind
    mit ihrer schlohengelbweißen Hand,
    sie hat dazu kein Wiegenband.
    „Ach Joseph, lieber Joseph mein,
    ach hilf mir wiegen mein Kindelein.“
    „Wie kann ich denn dein Kindlein wiegen?
    Ich kann ja kaum selber die Finger biegen.“
    Schum, schei, schum, schei.

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  2. So schön! So könnte es gewesen sein. Doch was hat man bereits in der Mitte des 2. Jahrhunderts nach der Geburt dieses Bübleins aus dessen Vater gemacht? Einen alten Witwer ohne sexuelle Bedürfnisse und Freuden, denn Maria war zu einer Jungfrau hochstilisiert worden. Und dies sollte sie bleiben auch nach der Geburt ihres ersten Kindes, damit sie dann zur Himmelkönigin gekrönt werden konnte. Doch Josef hatte gemäss der Bibel noch vier weitere Söhne gezeugt sowie einige Töchter (Matthäus 13,55.56). Lieber Josef, Deine Frau war etwa 14 Jahre alt, als Du Dich mit ihr vereinigt hast. Wie alt warst Du damals? 18 Jahre vielleicht? Oder jünger? Ich danke Euch, dass Jesus Euer Sohn ist und dass Gott ihn als seinen Sohn angenommen und ihm eine wunderbare, wenn auch schwere Aufgabe übertragen hat.
    Paul Kohler, pens. Pfarrer

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  3. Danke Herr Pfarrer Kohler für Ihren Beitrag. Ich sehe es exakt auch so. Vor Jahren besuchte ich unter kundiger Führung eines Ägyptologen auf der Ägyptenreise ein Mimisi, einen sogeannten Geburtstemepel. Darüber gab es Reliefs mit folgendem Inhalt: Ein Bote, angelos, Engel erscheint der Pharaonin, sie werde ein Kind bekommen. Sie wird von Gott in der Gestalt des Pharao geschwängert, das Kind wird auf der Töpferscheibe geformt, die Pharaonin gebirt das Kind und die Stimme aus dem Himmel sagt: „Das ist mein Sohn!!“. 3000 Jahre vor Christi Geburti!! Wie konnte man Römern und Griechen damals Gottes Sohn erklären als von Gott geboren? Als Arzt habe ich sowieso als gläubiger Katholik mit der Parthenogenesis, der Jungfrauengeburt meine liebe Mühe!! Jeus wuchs doch in einer damals normalen Famlie mit Geschwistern auf! Ich danke Ihnen.

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  4. Meine Lektüre von Patrick Roth, Sunrise. Das Buch Joseph. Göttingen (Wallstein-Verlag) 2012 – gelesen habe, hat mein Bild von Josef ganz grundlegend verändert. Und ehrlich gestanden, tue ich mir sehr, sehr schwer mit der in diesem Text gezeichneten „Phantasie“ der biblischen Gestalt. Nebenbei: Nur weil der Papa seinem Söhnchen die Nase putzt, schon von Emanzipation der Männer zu reden, ist ein wenig zu schnell abgebogen. Nach wie vor hat das Patriarchat – in den Kirchen gewiss und in der „Welt“ ziemlich sicher – die Zügel fest in der Hand. Die Befreiung daraus und davon wird in der Geburtsgeschichte erzählt: Das KIND zählt, mit dem KIND muss gerechnet werden – auch mit dem Kind, das in jedem der Menschen wohnt. Aber unsere Gesellschaftsform und -ordnung hat – trotz der ehrlichen und manchmal auch erfolgreichen Bemühungen um einen Bewusstseinswandel – kann mit „Weihnachten“ in diesem Sinne kaum etwas anfangen, wenn man die gezielte Infantilisierung beobachtet, die vom Kommerz dominiert ist, im Spektrum von „O Tannenbaum“ bis zu „schum schei, schum, schei“ oder „Heitschi bumbeitschi bumbum…“

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  5. Im biologischen Verständnis bin ich mir über die Vaterschaft Josefs schon längst im Klaren, desgleiche über die unbefleckte Empfängnis Mariens, die es im biologischen Verständnis gar nicht geben kann.
    Im theologischen Verständnis sind wir aber alle Töchter und Söhne Gottes – wie Jesus und unbefleckt empfangen – wie Maria.

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  6. Ach Gottchen. Gibt es auch 2017 nichts originelleres zu sagen über Weihnachten, als wieder einmal die Kernfamilie zu verklären? Beschreibt doch wenigstens mal den deftigen Ehekrach, den die beiden gehabt haben dürften : „Nur wegen dir sind wir zu spät aufgebrochen und haben jetzt kein Hotel gefunden!“ „Du Schlampe wärst besser bei dem Typ geblieben der dich geschwängert hat!“ „DEIN Kind schreit schon wieder!“ usw……

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  7. Die ‚unbefleckte Empfängnis Marias‘ hat nichts zu tun mit fehlenden Flecken auf dem Betlaken, sondern ist eine rein dogmatische Aussage über Maria, welche von ihrer Mutter Anna ohne Erbschuld empfangen worden sein soll. Dies, damit sie würdig ist, die ‚Gottesgebärerin‘ genannt zu werden. Alles den Köpfen von Männern entsprungen!

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