Vatikan gegen US-Nonnen

Sie kümmern sich mehr um die Armen als um die Dogmen der Kirche.
Jetzt wurden sie in einem Verfahren der Glaubenskongregation gemassregelt.

Papst Franziskus in der Bibliothek des Apostolischen Palastes mit Verantwortlichen der US-amerikanischen Schwesternvertretung LCWR (Foto: L`Osservatore Romano)
Papst Franziskus in der Bibliothek des Apostolischen Palastes
mit Verantwortlichen der US-amerikanischen Schwesternvertretung LCWR (Foto: L`Osservatore Romano)

Kommentar von Erwin Koller*

Am 16. April 2015 hat die vatikanische Glaubenskongregation den Schlussstrich unter das Verfahren gezogen, das sie vor drei Jahren gegen die US-amerikanischen Nonnen, die im LCWR (Leadership Conference of Women Religious) zusammengeschlossen sind, eröffnet hat.
Den Gegenstand der Untersuchung hat die Süddeutsche Zeitung im Dezember 2013 wie folgt zusammengefasst:
„In den USA werden gerade ein paar rebellische Nonnen sehr berühmt, weil sie sich mehr um die Armen als um die Dogmen der Kirche kümmern. … Die Frauen kümmern sich zu viel um die Ärmsten und protestieren nicht laut genug gegen Empfängnisverhütung, Schwulenehe und die Ordination von Frauen…“
Es war wohl nur noch die letzte Kröte, welche die Nonnen in diesem Inquisitionsverfahren schlucken mussten, wenn nun der Schlussbericht dazu als Joint Final Report der Glaubenskongregation und der LCWR präsentiert wurde. Der Inquisitionsprozess wird neu als „Doctrinal Assessment“ verkauft, somit etwa als Verfahren zur Beurteilung der Treue gegenüber der kirchlichen Lehre.

Fromme Floskeln
Die Verlautbarung wählt insgesamt einen wohlwollenden Ton. Alles wird gut verpackt in diplomatische Floskeln gegenseitigen Respekts. Doch was heisst es schon, wenn der zuständige Erzbischof Sartain von einem „Geist der Zusammenarbeit“ spricht. Oder wenn der Chef der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, den verantwortlichen Schwestern dankt „für ihre Bereitschaft zur Teilnahme an diesem wichtigen und heiklen Unternehmen“. Wenn man weiss, wer solche Phrasen von sich gibt, wird man misstrauisch. Noch im Mai 2014 hatte Müller den Schwestern vorgeworfen, sie zeigten gegenüber vatikanischen Weisungen einen Ungehorsam, der an Sabotage grenze.
Sharon Holland, die Präsidentin der LCWR, lässt vieles durchblicken, wenn sie feststellt: Durch den Prozess zwischen unserer Schwesternorganisation und der Glaubenskongregation gelangten wir „zu einem tieferen Verständnis der beiderseitigen Erfahrungen, Rollen, Verantwortlichkeiten und Hoffnungen für die Kirche und das Volk Gottes, dem sie dient“. Viel aussagekräftiger ist jedoch die Tatsache, dass sie schliesslich am Treffen vom 16. April nicht teilnahm. Wer einen solchen Prozess durchgestanden hat, ist nicht ohne einen sehr, sehr triftigen Grund abwesend.

In welchem Jahrhundert leben wir denn?
Am Ende hat man den Schwestern noch eine 30-tägige Schweigepflicht auferlegt – wohl in der Annahme, bis dann sei die Sache etwas verraucht. Die Inquisition hat zwar gelernt, ihre absolutistische Besserwisserei etwas zu verpacken, doch sie gängelt die Öffentlichkeit nach wie vor mit Maulkörben.
Der dicke Hund aber sind die Auflagen, welche die Glaubenskongregation dem LCWR macht. In welchem Jahrhundert leben wir denn, wenn ein höchstes Gremium der katholischen Kirche der Leitung von 50‘000 erwachsenen und frommen christlichen Frauen die Vorschrift macht:
„Publikationen benötigen eine solide Begründung in der Lehre. Zu diesem Zweck werden Massnahmen ergriffen zur Förderung wissenschaftlicher Strenge. Das soll theologische Genauigkeit sicherstellen und hilfreich sein, um Aussagen zu vermeiden, die im Hinblick auf die kirchliche Lehre mehrdeutig sind und sogar als Widerspruch zu ihr verstanden werden können … Dafür existiert ein Gutachterausschuss für Publikationen, und Manuskripte werden von kompetenten Theologen überprüft, um die theologische Integrität des Führungsorgans der Frauenorden zu schützen.“

Daumenschrauben der alten Inquisition
Das sind doch noch ganz die Daumenschrauben der alten Inquisition: Demütigung und Zensur. Doch wann hat diese Behörde je die Gläubigen in ihrem eigenständigen Urteil über Christsein in der heutigen Zeit ernst genommen?!
Alles in allem ist wohl als positiv zu werten, dass die Sache abgeschlossen ist und die Nonnen wieder zum Courant normal übergehen können, zur überaus wertvollen Arbeit, zu der sie sich berufen wissen und die sie anerkanntermassen auch vielfältig leisten – bei den Ärmsten der Gesellschaft und auf theologischen Lehrstühlen der Universitäten. Man kann dabei nur hoffen, dass sie sich mit der gleichen Entschiedenheit und Hartnäckigkeit, mit der sie diese mehr als lästige Sache hinter sich gebracht haben, den Interpretationsspielraum des Abkommens mit Herrn Müller ausnützen und strapazieren.

Freundlicher Empfang durch Papst Franziskus
Tröstlich ist jedenfalls die Tatsache, dass der Bischof von Rom mit den Frauen während fast einer vollen Stunde ein Gespräch geführt hat. Das Bild, das der Vatikan darüber publiziert hat, macht eindeutiger als alles andere klar, wo die Schwestern stehen. Hätte Franziskus nicht grösste Hochachtung für sie, hätte er sie nicht am gleichen Tag, da Kardinal Müller sie gezüchtigt hatte, freundschaftlich empfangen.

Die Herbert-Haag-Stiftung hat den Nonnen 2013 den Preis für Freiheit in der Kirche verliehen. Schwester Pat Farell nahm die Auszeichnung entgegen. Zur Eröffnung des Verfahrens ein Jahr zuvor hatte sie als Präsidentin des LCWR vor ihren Nonnen gesagt:
„Wenn wir die grossen und kleinen Veränderungen unserer Zeit betrachten, wie würde eine prophetische Antwort auf die ‚Lehrmässige Beurteilung‘ dann aussehen? Ich glaube, sie wäre demütig, aber nicht unterwürfig; in einem gesunden Selbstbewusstsein verwurzelt, aber nicht selbstgerecht; aufrichtig, aber freundlich und absolut furchtlos. Ich möchte eindringliche Fragen stellen: Sind wir aufgefordert, uns angemessen zurechtstutzen zu lassen, und sind wir offen dafür? Ist die ‚Lehrmässige Beurteilung‘ Ausdruck der Fürsorge oder ein Versuch, uns zu kontrollieren? Fürsorge gründet auf Liebe und lädt zur Einheit ein. Kontrolle durch Angst und Einschüchterung wäre ein Machtmissbrauch.“
Dem kann man zuallerletzt nur noch ein anderes Wort aus dieser Rede von Pat Farell hinzu

fügen. „Sie können ein paar Blumen zertreten, aber sie können den Frühling nicht aufhalten!“

Dieser Kommentar ist am 19. April 2015 im Journal21 erschienen.

*Erwin Koller ist Ehren-Herausgeber des aufbruch und Präsident der Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche

2 Gedanken zu „Vatikan gegen US-Nonnen“

  1. Der Kommentar ist philosophisch unbefriedigend und kann in dieser Hinsicht – betone: „in dieser Hinsicht“ – sowohl dem Ansehen des Autors als auch dem der „Herbert-Haag-Stiftung“, mit der der Autor Verbindung gebracht wird, abträglich sein.

    Begründung (nicht notwendig vollständig):
    Ich halte es für fragwürdig, die „Süddeutsche Zeitung“, und dann noch in einer Ausgabe von 2013, zum Zeugen für einen Sachverhalt, der jetzt entschieden worden ist, wie folgt heranzuziehen: „ … Die Frauen kümmern sich zu viel um die Ärmsten und protestieren nicht laut genug gegen Empfängnisverhütung, Schwulenehe und die Ordination von Frauen…“

    Ganz sicher entspricht es nicht den Tatsachen, dass diese Frauen dafür gemaßregelt werden / worden sind, weil sie sich zu viel um die Ärmsten gekümmert haben.

    Die Berechtigung einer Kritik an dem im Vatikan Zuständigen hat sich alleine darnach zu richten, ob dieser sein Amt gemäß seinem Auftrag wahrgenommen hat. Vielleicht sollte man, wenn man sich mit diesem befasst, nicht einfach „Herr Müller“ schreiben – analog wie etwa von einem „Herrn Obama“. Solches ist zwar nicht falsch, es könnte aber leicht als Befangenheit in einer Ablehnung aufgefasst werden.

    Etwas anderes ganz Anderes ist es natürlich, ob der Autor und / oder die „Herbert-Haag-Stiftung“ die Auffassungen der Römisch-Katholischen Kirche zeitgemäß finden; darin sind beide frei. Hubert Krebser

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  2. Hier wird wissentlich der falsche Eindruck erweckt, die Kirche würde die Sorge der Nonnen um die Armen missbilligen. Das traf in 2000 Jahren Kirchengeschichte nicht zu. Die Kirche hat den Einsatz für die Armen sehr oft mit der Heiligsprechung bewertet. Der falsche Vorwurf wird erhoben, um Stimmung gegen die Kirche in Sachen „Homoehe“ usw.zu machen. Warum nicht differenzieren? Das wäre besser und sachgerechter als vermischen.
    Eduard Werner, Augsburg

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