Wie hast du‘s mit der Religion? Auf rund 200 Seiten reden 27 Persönlichkeiten aus der Schweiz über Gott und die Welt. Sie bezeugen damit, dass Religion auch dann noch Thema ist, wenn man sich längst von ihr verabschiedet hat. Eine Rezension und Eindrück von der Buchvernissage von Sylvia Stam
Die Befragten sind Schriftsteller, Philosophin, Politiker oder Hirtin, sie sind zwischen 23 und 81 Jahre alt, die meisten sind christlicher, einer jüdischer Herkunft, selbst ein „latenter Buddhist“ ist dabei sowie eine gläubige Muslimin, manche nennen sich Atheisten oder Agnostiker. Und damit ist eigentlich schon vieles gesagt: Denn „gläubig“ im traditionellen Sinne ist kaum eine Person.
Beeindruckende Vielfalt. Das Buch zeigt vielmehr eine beeindruckende Vielfalt an „Religiosität“ im allerweitesten Sinne: Da ist die Rede vom „Aufgehoben-Sein“ im religiösen Ritual etwa einer Beerdigung (Josef Lang) oder die Erfahrung des „Sich-Getragen-Fühlens“ (Michael Meier) bei Menschen, die noch mit christlichen Bildern und Vorstellungen aufgewachsen sind. Andere drücken sich eher mystisch aus und sprechen von Gott als der „Essenz des Lebens“ (Eveline Hasler) oder etwas esoterischer: „göttliche Energie, Kraft, Licht“ (Gardi Hutter). Unverfrorener die Slam-Poetin und Philosophiestudentin Hazel Brugger, die sich ihrem Alter gemäss (23) als Agnostikerin bezeichnet und vom „Konzept Gott“ spricht, das man so auslegen könne, „dass es ihn auf jeden Fall gibt. Ich kann sagen: Es gibt Gott, weil ich selber denken kann. Eigentlich weiss ich aber nicht, ob ich denken kann. Ich bin in einer Endlosschlaufe.“
Ringen um Worte. Die Beispiele wie das ganze Buch zeigen eindrücklich, wie Menschen um Worte ringen. Menschen, denen Religion als Institution und damit auch deren Sprache abhanden gekommen sind. Sie kennen religiöse Erfahrungen aus der Kindheit oder machen heute noch welche, aber sie haben keinen Referenzrahmen mehr, der mit Worten oder Bildern benennen würde, was sie erleben. Selbst da, wo die „Kategorie des Religiösen schlicht nicht von Bedeutung“ ist (Peter Stamm), sagt der Autor von sich, er habe vielleicht „mehr Sinn für das Wunderbare als manche religiösen Menschen“.
Man kann dies als befreiende Offenheit deuten, als Spiegel unserer pluralistischen Gesellschaft. Gleichzeitig wird darin eine Unverbindlichkeit sichtbar, die unserer Zeit wohl ebenso eigen ist.
Eine ähnliche Unverbindlichkeit zeigte sich auch an der Podiumsdiskussion, die am 9. Dezember anlässlich der Buchvernissage im RomeroHaus Luzern stattfand. Drei der im Buch interviewten Personen stellten sich hier den Fragen von Moderator Erwin Koller: Der Politiker Josef Lang, die Islamwissenschaftlerin Rifa’at Lenzin und der
Schriftsteller Peter Bichsel. Die Ausgangslage war denkbar vielversprechend mit einem „ungläubigen Kulturkatholiken“, einer Muslimin, die auch in der Öffentlichkeit klar sagt: „Ja, ich glaube an Gott“, und einem ehemals pietistischen Protestanten, dem es Wurst ist, ob es Gott gibt oder nicht, „aber ich hab das nötig, an ihn zu glauben“. Die Diskussion drehte sich jedoch eher um allgemein religiöse Themen wie die Bedeutung von Ritualen in unserer Gesellschaft oder das Verhältnis von Staat und Religion.
Breite Fragestellung. Man hätte sich hier ein konfrontierenderes Nachfragen des Moderators gewünscht, ähnlich wie bei den Buchautoren, die nur vereinzelt fragen, woran ihre Gesprächspartner denn nun wirklich glauben. Vielleicht aber liegt gerade darin die Qualität des Buches: Dass es in seiner breiten Fragestellung Religion auch dort sichtbar macht, wo Menschen sich längst von ihr verabschiedet haben.
Benno Bühlmann, Martina Läubli, Wolf Südbeck-Baur (Hrsg.): Wie hast du’s mit der Religion? Gespräche über Gott und die Welt, db-Verlag 2015
Gretchen hatte diese Frage gestellt in der Erwartung einer verbindlichen Antwort.
Den Rest siehe bei Goethe.