Weihnachten

Was für mich Weihnachten ist?

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Durch die Hölle des Kerzenziehens gehen, den Kindern zuliebe. «Der kleine Lord» im Fernsehen (mir zuliebe), aber nicht «Lord of the Rings» (dem Buch zuliebe). Aufrichtige Freude über den Verwandtenbesuch, auch wenn der Besuch länger anhält als die Freude. Das ist für mich Weihnachten.

Aus Prinzip keine Nordmanntanne kaufen, sondern ein chrutzliges Rottännchen, bei dem der Bauer zweimal überlegt hat, ob er es überhaupt umhauen soll oder doch lieber den Rehen überlassen. Aber es riecht so wunderbar. Und überhaupt ist Weihnachten ja kein Schönheitswettbewerb.

Bis spät in die Nacht hinein guetslen, die «Zäller Wiehnacht» rauf und runter hören und beim Lied von den rabenschwarzen Mohren lauthals «UaUa» mitsingen. Die Mailänderli im Ofen vergessen, bis sie so schwarz sind wie Caspar. Und sie trotzdem essen.

Aus dem Keller die Krippenfigren holen, die schon in der Stube standen, als ich noch ein kleiner Pfüdi war. Maria das Christkind unter das orangene Kleid stecken und an Heiligabend Geburtshelfer spielen. Ausnahmsweise, aber nur ausnahmsweise auch das Playmobil-Nashorn zur Krippe lassen.

Überhaupt, mehr Gelassenheit. Auch gegenüber den importierten Festtagsbräuchen. Nicht gleich einen Wildhüter rufen, wenn ein Rentier mit eindeutigen Grippe-Symptomen auftaucht. Sondern Rudolf ein paar verbrannte Mailänderli hinhalten. Und den Santa einen adipösen alten Mann sein lassen. Selber schuld, wenn er im Kamin stecken bleibt.

Rollschinkli, unbedingt Rollschinkli, so viel, dass man sich auch am Stephanstag noch eine Scheibe davon aufs Brot legen kann. Die Bretzeli nach dem Rezept meiner Schwiegermutter. Näher zusammenrücken und gerade deshalb spüren, wie sehr jene fehlen, die nicht mehr mit am Tisch sitzen. Das ist für mich Weihnachten.

Sich nichts wünschen und mehr bekommen, als man sich erhofft hat.

Den ganzen Advent über keinen Bock haben auf Weihnachten, aber in der Mitternachtsmesse ehrlich gerührt sein, wenn der Sakristan fürs «Stille Nacht» das Licht ausmacht, dass man den Text im KGB nicht lesen kann, und trotzdem alle auswendig und inbrünstig mitsingen. Bis zur dritten Strophe. Das ist für mich Weihnachten.

Stolz ertragen, wie sich die Grosse mit dem Spöizknebel durch «Jingle Bells» hyperventiliert, während der Kleine dazu den Triangel schlägt mit einem heiligen Ernst, als hinge das Heil der Welt davon ab. Was es auch tut in diesem einen Moment.

Das Wunder, wenn das Krippenspiel klappt. Auch wenn die Hirten den Stall fast nicht finden.

Ein Ochse oder ein Esel sein, und trotzdem ganz vorne mittun dürfen. Das ist Weihnachten für mich. Oder Politik.

Die Türen hoch und die Herzen weit machen, und wenn abgekämpfte Fremde anklopfen, sagen: «Kommt rein, nehmt mein Bett, ich schlaf solange im Stall.» Das wäre Weihnachten für mich.

Dem Stern folgen, obwohl unser Navi dringend empfiehlt, bei der nächsten Gelegenheit zu wenden. Den Engel nicht abwimmeln, der uns sagt: «Fürchte dich nicht.» Klein werden vor dem Kleinen, das das Grosse ist. Wenn sich der Himmel auftut auf Erden, weil wir Mensch werden.

Dann ist für mich Weihnachten. Ganz egal, welches Datum im Kalender steht.

4 Gedanken zu „Weihnachten“

  1. Grüezi Herr Weber, der wunderbare Text zeigt eine ungewöhnliche Grosszügigkeit und spricht mir aus dem Herzen. Bloss die Mitternachtsmesse könnte ich nicht so wie Sie geniessen, da kommen mir die ungelösten kirchlichen Probleme in den Sinn. Auch weil der Pfarrer alle Sprech-Texte singt – da hält man fast nicht aus. Ihnen eine gute Zeit!

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  2. Herzlichen Dank Herr Moser, dank ihrem Text freue ich mich auf Weihnachten. Es ist einfach herrlich wie sie schreiben und ich werde im nächsten Advent ungeduldig auf Ihren Text warten. Frohes Fest

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