Die Enttäuschung ist gross. Mit seinem Schreiben «Geliebtes Amazonien», veröffentlicht am 12. Februar 2020, hat Papst Franziskus die Empfehlung von 2/3 der Bischöfe an der Amazonas-Synode nach Zulassung von «viri probati» nicht aufgenommen. Text Willi Anderau
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181 Synodalen haben abgestimmt, 128 waren für die Zulassung von verheirateten Männern zum Priesteramt. Der Papst ist diesem Votum nicht gefolgt.
Allerdings – und das ist erstaunlich – er hat diesen Weg auch nicht verboten.
Und auch das steht gleich am Anfang des Schreibens, er habe mit seinem Schreiben nicht vor, das Schlussdokument (der Amazonas-Synode) zu ersetzen. Also bleibt auch die Abstimmung zu den «viri probati» gültig. Und an verschiedenen Stellen betont der Papst, wie schmerzvoll, aber auch wichtig es für die Kirche sei, den Weg der Inkulturation und Erneuerung zu gehen. Und ausdrücklich: «Die Inkulturation muss sich auch auf konkret erfahrbare Weise in den kirchlichen Organisationsformen und in den kirchlichen Ämtern entwickeln und widerspiegeln».
Der Papst mahnt, ermutigt, fordert auf, neue Wege zu beschreiten, aber er selber geht diesen Weg nicht.
In wichtigen, kirchenpolitischen Fragen entscheidet der Papst nicht. Er stellt auch hier das Signal nicht auf Grün. Allerdings: er stellt es auch nicht auf Rot. Was nun jetzt?
Die Reaktionen sind gegensätzlich: Einige mögen erleichtert sein; viele resignieren und verabschieden sich immer mehr von der Kirche. Einige aber werden diese Steilvorlage aufgreifen, um selber Verantwortung in der Kirche zu übernehmen. Der Papst entscheidet sich nicht, fordert aber auf, mutig zu Handeln und neue Wege zu beschreiten.
Ich erwarte zurzeit nicht, dass die Bischöfe den Impuls des Papstes zu mutigerem Handeln aufnehmen, aber diese Aufforderung wird zunehmend an der Basis gehört und aufgenommen. Die Aufforderung wird all den Erneuerungsbewegungen in der Kirche Auftrieb verschaffen und sie bestärken. Bis jetzt traten die Basis-Gruppen – viele davon mit frauenpolitischen Postulaten wie Frauenodination und Frauendiakonat – häufig mit ihren Anliegen und Forderungen an die Kirchenleitungen, sprich Bischöfe, heran. Dieser Weg hat sich als wenig erfolgversprechend erwiesen.
Der Nicht-Entscheid des Papstes weist darauf hin, Lösungen weniger «von oben» zu erwarten, als «unten» das Heft des Handelns selber in die Hände zu nehmen.
Das ist eine gefährliche Situation für das «System Katholische Kirche», deren Leitung ausschliesslich hierarchisch aufgebaut ist. Solche Wege höhlen das System von Innen her aus. Und manchmal frage ich mich, ob Papst Franziskus das sogar beabsichtig.
Nachtrag: Das Schreiben «Geliebtes Amazonien» ist ein sehr eindrückliches und anregendes Dokument. Wichtige ökologische und wirtschaftliche Fragen werden darin behandelt. Schade, dass diesen Themen nicht mehr Aufmerksamkeit zukommt. Aber solange die Kirche ihre eigenen Hausaufgaben nicht gemacht hat, erhält sie auch für die «aussenpolitischen Themen» wenig Aufmerksamkeit.
Willi Anderau, Kapuzinermönch
Ich stimme Pater Anderau aus ganzem Verstand zu.
Viele werden aus Enttäuschung gehen, viele werden Alternativen suchen,
vor allem die Begründung, dass … nur der zölibatäre Mann Christus vertreten kann: das ist wirklich überkommen alt, das macht den Laien zum Lakaien, da geh ich nicht mit, dem widerspreche ich laut.
Auch das heutige Radiogespräch mit Willi Anderau hat gut getan! Aufbruch, vielleicht zuweilen Ungehorsam…
Der ökologische und soziale Input zu Amazonas ist gelungen, der Teil betreffend Zölibat und echte Frauen-partizipation ein Debakel für Reformkatholiken. Der Top-down-Prozess der Veränderung ist damit mutlos sistiert worden. Bleibt zu hoffen, dass beim Prozess von unten mehr Durchschlagskraft erzielt wird. Der Block der Ultra-Klerikalen in Rom können keine Referenz sein für die Reformkatholiken. „Not only Climate Change but also Reformation of Catholic Church is furthermore our motto „.
Herzlichen Dank Bruder Anderau!
Rendez-vous am Mittag auf SRF heute 13.02.2020 war ein differenzierter Aufsteller!
Das grosse Problem ist die Kurie selbst und genau daraus rekrutiert sich auch die grösste Gegnerschaft von Papst Franziskus innerhab des Vatikans. Sie haben das wirklich plausibel erklärt.
Die Wahrheit wird uns frei machen. Die Wahrheit kann man weder besitzen noch verwalten…
Aber wir können auf die Suche nach der Wahrheit erneuern, dauerhaft.
Am besten suchen wir, wo das Himmelreich ist oder sein müsste:
In uns selbst.
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/aufbruch-oder-daempfer-bruder-willi-anderau-zum-papstschreiben?id=a14ffa05-0e4e-4f7f-a04e-c28ee55a2b2a
Wo liegen die tieferen Gründe?
Der Sachverhalt ist mir geläufig, stehe selbst vor Fragen, kann damit aber immer noch locker umgehen, weil ich bei „der Kirche“ nicht in Lohn stehe; gefährde also meine wirtschaftliche Lage nicht.
Ein strukturell gleiches Problem habe ich auf einfache Weise gelöst: Ich war Mitglied in einem Gesangverein, aus dem ich nach längerer Mitgliedschaft austrat; es hatte sich dort etwas eingeschlichen, was mir gründlich missfiel. Weil ich aber gerne singe, bin ich einem anderen Verein beigetreten; und es singt sich wieder herrlich.
Nun ist Singen aber nicht Beten, doch auch dafür gibt es eine Fülle an Lösungen in den verschiedenen Christlichen Gemeinschaften, wo all das voll verwirklicht ist, was jetzt vergeblich für die Katholische Kirche gefordert wird.