Mut zur Wut

Luzia Sutter Rehmann  mit ihrem neuen Buch "Wut im Bauch" umrahmt von den Laudatoren Kathy Ehrensberger und Beat Dietschy (re). Foto: Esther Gisler Fischer Luzia Sutter Rehmann mit ihrem neuen Buch „Wut im Bauch“ umrahmt von den Laudatoren Kathy Ehrensperger und Beat Dietschy (re). Foto: Esther Gisler Fischer

Umwerfend, aufstellend und theologisch hervorragend. Mit „Wut im Bauch. Hunger im Neuen Testament“ legt Bibelwissenschafterin Luzia Sutter Rehmann ein Buch vor, das ein neues Licht auf die biblischen Erzählungen von den Hungernden wirft. Von der Vernissage im Refektorium der Offenen Kirche Elisabethen in Basel berichtet Esther Gisler Fischer

 

Gastgeberin Monika Hungerbühler begrüsste eine grosse Schar von Gästen und stellte die Autorin kurz vor: Luzia Sutter Rehmann ist promovierte Theologin. reformierte Pfarrerin und Titularprofessorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Basel. Sie arbeitet zudem als Studienleiterin beim Arbeitskreis für Zeitfragen in Biel. Geladen waren als LaudatorIn. Beat Dietschy,  Zentralsekretär von Brot für alle und Kathy Ehrensperger, Dozentin für Neues Testament an der Universität von Wales. Ehrensperger warnte gleich zu Beginn: „Beware! Dieses Buch wird sie nicht unberührt lassen. Ganz im Gegenteil: es wird Sie mit Haut und Haar in Beschlag nehmen und Sie mitnehmen auf eine spirituelle Reise, die ins Herz trifft und den Bauch aufwühlt.“ Das Buch sei eine Einladung, sich zu öffnen und einzulassen auf reale Geschichten des Hungers. Diese Begegnung sei körperlich spürbar und ergreife alle Zellen. Die von der Autorin gewählte Herangehensweise an die Texte unter dem Vorzeichen des Mangels entlarve die irreale Spaltung von Geist, Seele und Körper als verblendet und nicht in der Tradition der hebräischen Bibel stehend; ebenso die Zweiteilung zwischen Alten und Neuem Testament. Vielmehr zeige sie auf, dass Jesus, der Jude, die befreienden Traditionen innerhalb seiner eigenen Religion weiter geführt habe. Durch diese „Hermeneutik der Wut“ erschliesse sie den Gehalt der Geschichten auf ganz neue Weise. Sie zeige gekonnt auf, wie „Wut im Bauch“; die Wut über Mangel, Menschen in Bewegung gesetzt hat hin zu mehr Recht und Gerechtigkeit. Damit leiste die Autorin einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarmachung der Vielstimmigkeit innerhalb der Bibel. Das Buch mache im besten Sinne „Mut zur Wut“.
Beat Dietschy bezeichnete seine Leseeindrücke als „umwerfend oder doch wohl eher aufstellend; das beste theologische Buch seit Langem!“ Es sei die Sprache gewesen, die ihn fasziniert habe und ihm die Lust gegeben habe, weiterzulesen. Indem sie mit den Texten und den Personen darin in einen Dialog getreten sei, habe die Basler Bibelwissenschafterin Luzia Sutter Rehmann neue Zugänge frei gelegt: „Die Hungernden zu entdecken, verwandelt uns“, zitierte er aus dem Buch. Mit einer „Hermeneutik (die Art und Weise, wie Texte ausgelegt werden) des Hungers“ würden Geschichten aus dem Neuen Testament neu übersetzt und gegen den Strich gelesen. Als Beispiel nennt er die Erzählung über die Speisung der 5000. Diese hätten nicht einfach keine Zeit zum Essen gehabt, sondern die Zeiten seien nicht günstig fürs Essen gewesen; will heissen, es herrschte eine Hungersnot! Oder das Gleichnis vom Feigenbaum: Da stimme Jesus ein in die Wut der Hungrigen, und Dietschy schlug einen Bogen zur Konkurrenz zwischen der Agroindustrie, welche auf Effizienz und Gewinn, und der bäuerlichen Landwirtschaft, die auf Suffizienz und Nahrungssicherheit ausgerichtet sei.

Luzia Sutter Rehmann, Wut im Bauch. Hunger im Neuen Testament, Gütersloher Verlagshaus 2014, 464 Seiten

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