EINSPRUCH, BISCHOF HUONDER!

Am 22. Februar 2013 hat Bischof Vitus Huonder einen Brief an die Unterzeichnenden der Pfarrei-Initiative geschrieben. Der aufbruch hat Erwin Koller um einen Kommentar gebeten.

Kommentar von Erwin Koller Kommentar von Erwin Koller

  1. Die Pfarrei-Initiantinnen werden dem Bischof dankbar sein für das Verständnis, das er in seinen Überlegungen der Pfarrei-Initiative entgegenbringt. Nachdem er in Anlehnung an 1 Kor 1,12 festhält: „Man kann alles tun, ob es gut ist, das ist eine andere Frage“, sind beide Seiten ja einen Schritt weiter im gegenseitigen Einverständnis über das Handeln der Pfarrei-Initiative und können sich der Frage zuwenden, „ob es gut ist“.
  2. Der Bischof schreibt, die Initiative bringe „Auffassungen und Haltungen zum Ausdruck, die mit dem Glauben und mit der geltenden Ordnung der katholischen Kirche nicht vereinbar sind“. Dass die gegenwärtige Disziplin der Kirche da und dort den Ungehorsam zur Regel macht, legen die Initiantinnen explizit dar. In keinem der zehn Punkte ist jedoch ein Widerspruch zum katholischen Glauben zu erkennen. Mit ihrer Initiative wollen sie ja entschieden in der katholischen Glaubensgemeinschaft stehen.
  3. Der Bischof wirft den Initiantinnen vor, dass sie „nicht mehr im Sinne der kirchlichen Sendung handeln, sondern nacheigenen Kriterien – meistens wird das Evangelium vorgeschoben – und nach eigenem Dafürhalten“. Dieser Vorwurf ist nicht haltbar, denn die Initiantinnen handeln ja nicht in subjektiver Willkür, sondern nach bestem Wissen und Gewissen in Treue zum Evangelium. Das haben sie in den Begründungen zur Pfarrei-Initiative und auch anlässlich der Wallfahrt nach Chur am 14. Januar 13 deutlich gemacht.
  4. Kirchliche Vorschriften waren in der Kirchengeschichte seit je Gegenstand von Debatten und Dissens. Und nicht selten wurde auf einem Konzil zur Tugend erklärt, was gestern noch strikt verboten war. So ist nicht ausgeschlossen, dass, wer heute Regeln sprengt, prophetisch die Zukunft vorweg nimmt. Jedenfalls ist aufgrund der genannten Voraussetzungen nicht zu erkennen, worin die Initiantinnen sich mit ihrem Handeln „stillschweigend gegen die Sendung durch die katholische Kirche“ aussprechen. Sie erfüllen vielmehr diese Sendung in einer schwierigen Zeit und unter grossen Opfern, und sie dürften es als Zumutung empfinden, wenn ihnen vorgeworfen wird, nicht „ehrlich zu sein“.
  5. Im Kontext des Rücktrittes von Benedikt XVI. bedauern Bischöfe, Kardinäle und selbst der Papst die Zerrissenheit der Kirche, und viele verbinden dies mit der Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen. Die Pfarrei-Initiative ist ein Ausdruck des Reformstaus in unserer Kirche. Die Initiantinnen erleben ihn jeden Tag in der Begegnung mit Menschen. Sie erweisen darum der Kirche einen guten Dienst, wenn sie, getragen vom katholischen Glau-ben, Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums deuten und in ihrer Seelsorgepraxis kreative Antworten auf diese Zerrissenheit suchen.
  6. In diesem Sinn dürfen die Initiantinnen zuversichtlich sein, dass die Zeit ausweisen wird, „ob es gut ist“, ganz gemäss dem Ratschlag von Gamaliel: „Für jetzt sage ich euch nur: Lasst ab von diesen Leuten, lasst sie gehen! Wenn nämlich diese Unternehmung und das, was sie will, von Menschen kommt, wird sie sich auflösen; wenn sie aber von Gott kommt, werdet ihr es nicht vermögen, sie zunichte zu machen – damit es ja nicht eintreffe, dass ihr gegen Gott kämpft!“ (Apg 5,38f)

Erwin Koller

 

 

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