Religion und die Freiheit der Kunst

Urs Meier, Yasmina El Sombati, Adrian Portmann und Hans Wiprächtiger diskutieren über Religion und die Freiheit der Kunst. Foto: Wolf Südbeck-Baur Urs Meier, Yasmina El Sombati, Adrian Portmann und Hans Wiprächtiger diskutieren über Religion und die Freiheit der Kunst. (
Foto: Wolf Südbeck-Baur)

Auch ein noch so obszön schäbiges Kunstwerk, das religiöse Empfindungen aufs Ärgste herausfordert, darf nicht verboten werden. Karrikaturen, Filme oder Kunstbilder müssen sich aber einer öffentlichen Debatte und Kritik stellen. Trotzdem ist die Freiheit der Kunst aufgrund bestehender Machtstrukturen, Gesetze und Konventionen nicht unbeschränkt, so der Tenor des Podiumgesprächs über Religion und die Freiheit der Kunst. Das Gespräch fand am 7. Mai im Basler Literaturhaus statt in der Reihe „Wechselwirkungen. Gespräche über Gott und die Welt“. Mitveranstalter ist der aufbruch .

Von Wolf Südbeck-Baur

Ob der Streit um die Mohammed-Karrikaturen oder der Fall um die russische Girlband Pussy Riot oder der des ägyptischen Satiriker und Fernsehmoderators Bassem Jussi, jedesmal und neuerdings immer öfter steht das Grundrecht der Freiheit der Kunst einer „zunehmenden religiösen Erregbarkeit gegenüber“, wie Moderator Adrian Portmann vom Forum für Zeitfragen es formulierte. Darf die Kunst also aufgrund der Meinungsfreiheit religiös empfindende Menschen verletzen? Urs Meier, früherer Direktor der Reformierten Medien, antwortete differenziert. Zwar gebe es „abstrakt formuliert keine Grenzen der Freiheit der Kunst“. Doch realiter stosse sie an Grenzen von Machtansprüchen, Tabus und gesellschaftlichen Konventionen, die die Kunst entsprechend ihrem Selbstverständnis überschreiten könne und dürfe. Meier verwies auf die Idee des künstlerischen Genies, das für sich in Anspruch nehmen könne, von aussen einen Blick auf die regulierte Welt zu werfen.

Alt Bundesrichter Hans Wiprächtiger erklärte mit Verweis auf das schweizerische Strafrecht, dass alle Freiheiten durch das Recht eingeschränkt seien: „durch das Gesetz, durch öffentliches Interesse und das Prinzip der Verhältnismässigkeit“. Darum stellt das Strafgesetzbuch gemäss Paragraph 261 die „Störung der Glaubensfreiheit“ unter Strafe. Dazu gehöre auch die Verhöhnung von religiösen Symbolfiguren wie etwa Mohammed. Wenn mit der umstrittenen Mohammed-Karrikatur der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten der Prophet der Muslime also grundsätzlich hätte verhöhnt und attackiert werden sollen, hätte ein Schuldspruch erfolgen müssen. Da in der westlichen Rechtsordnung aber nicht Gott oder eine göttliche Autorität vom Gesetz unter Schutz gestellt werden könne, sondern nur die religiöse Überzeugung eines jeden Bürgers, wäre eine strafrechtliche Verurteilung des Karikaturisten undenkbar gewesen. Laut Wiprächtiger habe es in der Schweiz in den letzten Jahren nur drei Verurteilungen aufgrund des Paragrphen 261 STGB gegeben. Das zeige, „Gotteslästerung, Blasphemie ist in der Schweiz kein Thema“.

Vor diesem Hintergrund führte die Basler Lehrerin und Buchautorin Jasmina El-Sambati an, dass in der arabischen Welt eine Gotteslästerung selbst unter Strafe gestellt sei. Aufgrund der unterschiedlichen Werte- und Rechtssysteme, so die Mitbegründerung des Forums für einen fortschrittlichen Islam, empfinde es ein Muslim als einen persönlichen Angriff auf seinen Glauben, wenn der Prophet Mohammed lächerlich gemacht werde. Wie soll man im Konfliktfall zwischen religiösen Empfindungen und der Freiheit der Kunst entscheiden, wenn ein religiös diffamierendes Machwerk wie jüngst der Film „Innocence of Islam“ an die Öffentlichkeit tritt? Theologe Urs Meier machte deutlich: „Wenn es ein Grundrecht auf Meinungsfreiheitsäusserung gibt, ist auch die schäbigste Meinung durch dieses Recht geschützt.“ Es sei dann allerdings Aufgabe der gesellschaftlichen Diskussion, ein verunglimpfendes künstlerisches Machwerk zu kritisieren und zurückzuweisen. Kurz: Verbieten nein, kritisieren ja!

 

 

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