Ein deutliches Ja zur Minder-Initiative wird die Stimmung in der Schweiz prägen und den Ausgang weiterer Urnengänge, bei denen es ans Eingemachte geht, beeinflussen.
Von Carlo Knöpfel
Wenn Sie darüber abstimmen wollen, wie viel Lohn und Bonifikationen in Zukunft Joe Jimenez (Norvatis), Brady Dougan (Crédit Suisse) oder Paul Bulcke (Nestlé) erhalten sollen, dann können Sie die Unterlagen über die „Abzocker-Initiative“ zur Seite legen. Denn darum geht es bei dieser Vorlage gar nicht. Die Initiative sagt nur, dass die Summe aller Vergütungen der Geschäftsleitung zwingend der Aktionärsversammlung vorgelegt werden muss. Wenn Sie also mitreden wollen, müssen sie sich schon eine Aktie der dreihundert an der Schweizer Börse kotierten Firmen kaufen. Nur werden Sie auch dann kaum einen grossen Einfluss auf die Entscheide der Aktionärsversammlung nehmen können. Denn da sind andere, sehr viel grösserer Player im Spiel, die den Gang der Dinge bestimmen.
Immerhin können Sie über ihre Mitgliedschaft in einer Pensionskasse versuchen, ihren Vorstellungen von fairen Löhnen Nachdruck zu verschaffen. Denn diese institutionellen Anleger müssen gemäss Initiative neu „im Sinne“ ihrer Mitglieder abstimmen, diese also vor der Aktionärsversammlung über ihre Meinung befragen. Hier weht ein Hauch von Aktionärsdemokratie durch die Schweiz. Und prompt wird von economiesuisse bei diesem Punkt heftig auf die steigenden Verwaltungskosten für die Pensionskassen hingewiesen. Selbst die Gewerkschaften scheinen blind für diesen Hebel zu sein, über den wenigsten etwas mehr Druck auf den Verwaltungsrat und das Management der grossen Firmen ausgeübt werden könnte.
Trotzdem: Die Initiative ist kein probates Mittel gegen die Lohnexzesse in den Chefetagen. Also auf die Teilnahme an dieser Abstimmung verzichten? Keineswegs. Auf der symbolischen Ebene geht es eben doch darum, ein Zeichen gegen die Abzocker zu setzen. Ein deutliches Ja zur Minder-Initiative wird die Stimmung in der Schweiz prägen und den Ausgang weiterer Urnengänge über die ökonomischen Rahmenbedingungen beeinflussen. Bald werden wir über die Mindestlohn-Initiative, die 1:12-Initiative und die Erbschaftssteuerinitiative abstimmen. Dann geht es nicht mehr um politische Metaphysik, dann geht es ans Eingemachte. Mit einem klaren Ja zur Abzocker-Initiative wird Anlauf genommen für Urnengänge, die die Wirtschaft in der Schweiz wirklich verändern könnten.
Carlo Knöpfel ist promovierter Sozialwissenschaftler