Wie der Ilanzer Sommer Raum zum Dialog und Durchatmen freilegt

Die dritte Ausgabe des Ilanzer Sommers befasste sich Mitte August mit einer neuen Friedenskultur. In lockerer Stimmung bot das Haus der Begegnung einen erfrischenden Rahmen für bereichernde Begegnungen. Eine Tour d’Horizonte gibt Einblicke.

Von Hansuli Gerber

Zukunftswut. Zukunftsmut: So lautete das Motto des dritten Ilanzer Sommers vom 9. bis 13. August. Die schöne Lage des Klosters oberhalb des Städtchens Ilanz verstärkt die Lust aufs vielfältige Programm dieses besonderen Anlasses. Im Haus der Begegnung, dem ehemaligen Internat des Dominikanerinnenklosters in der Surselva, lässt sich gut leben und tagen, beraten, bewegen, austauschen und gemeinsam nachdenken oder üben. Der Ilanzer Sommer, organisiert vom Forum für Friedenskultur, ist für all das konzipiert. Die Stimmung war fröhlich-beschwingt, trotz der komplexen Themen und gelegentlich schwer aufliegenden Fakten.

Mut braucht es in einer von Multikrisen geschüttelten Zeit. Wie finden und stärken wir Mut? Wut ist natürlich angesichts des schreienden Unrechts und der unausweichlichen Bedrohungen. – Wie können wir Wut anerkennen und in konstruktive Aktion umwandeln? Diesen und verwandten Fragen stellten sich die Teilnehmenden an rund 30 Anlässen in den Bereichen Musik, Film, Spoken Word, Diskussionskultur und
Ateliers. Ausflüge und Meditationsangebote bereicherten die Tagung und boten Raum zum Durchatmen.

Neue Dialogformate
Im Vorspann zum Ilanzer Sommer fand die 6. Schweizerische Friedenskonferenz statt. Da wird der Friedensstab von einer Friedenseinrichtung an eine andere weiter gereicht. Das Konferenzthema “175 Jahre Frieden in der Schweiz – Visionen für eine
aktive Friedensnation Schweiz” wurde aufgrund von sieben Thesen zum Stichwort Sicherheit neu denken beackert. Einiges davon floss ein in ein neues Dialogformat des Ilanzer Sommers, 3x3x3. An drei Tagen äusserten sich je drei wechselnde Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik, Sicherheit und Religion zu spezifischen Fragen, um anschliessend ins Gespräch zu kommen miteinander und mit anderen
Teilnehmenden.

Engagiertes Zuhören und Nachfragen war angesagt statt Polemik und Schlagabtausch. Eine Nationalrätin wünschte sich am Schluss, dass solche Dialogform im Bundeshaus Bern Einzug finden möge. Es wurde klar: Sicherheit ist nicht eindimensional, sondern komplex und vielschichtig. Bemerkenswerterweise taucht der Begriff Sicherheit im religiösen Bereich kaum auf. Da geht es eher um Versöhnung und Gerechtigkeit. Was dies für unsere Bemühungen in diversen gesellschaftlichen Bereichen bedeutet, konnte nur andeutungsweise eruiert werden.

Die Ateliers erfreuten sich grosser Nachfrage. Ein Atelier stellte sich der Frage “Lohnt sich ziviler Widerstand?” Der ist so alt wie die Menschheit und ist doch weitgehend unbekannt und erst seit Kurzem erforscht. Es erweist sich, dass gewaltloser ziviler Widerstand erfolgreicher ist als bewaffneter Aufstand – und auch nachhaltiger. Anhand von Beispielen wurden Erfolgsfaktoren erarbeitet, so zum Beispiel, dass es eine starke und diverse Teilnahme und viel Innovation in den Aktionen braucht, aber auch Resilienz gegenüber der Gewalt. Auch der Klimawandel war an der Tagesordnung: Die Klimajugend lud zum Gespräch und vermittelte den Teilnehmenden einen Eindruck dessen, was Wut an Aktion und Entschiedenheit bewirken kann, sowohl auf der individuellen wie auch auf der kollektiven Ebene.

Unvergesslich für manche Teilnehmenden sind die Gedankengänge, bei welchen während eines stündigen Spaziergangs in und um Ilanz zwei Personen miteinander ins Gespräch kommen zu einem Thema, z.B. Über die Schönheit, begleitet von bis zu 30 Personen, die mit Kopfhörern ausgestattet sind. Auch die abendliche Filmreihe im Cinema Sil Platz war gut besucht, mit Filmen zu den Themen Klimawandel, (Erhährungs-)Sicherheit, Widerstand. Eine Gesprächsrunde mit Protagonisten des Films folgte jeweils der Projektion. Alles in allem eine Art Festival mit schönen Begegnungen und inspirierenden bis aufrüttelnden Veranstaltungen.

Mehr Informationen unter: ilanzersommer.ch.

3 Gedanken zu „Wie der Ilanzer Sommer Raum zum Dialog und Durchatmen freilegt“

  1. So, wie ich es lese, muss dies eine wunderbar konstruktive, kritische und gleichzeitig für Beteiligte auch beglückende und versöhnliche Veranstaltung gewesen sein !
    BRAVO !
    Mir gefällt das Formal 3x3x3 als Idee supergut!

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  2. Anspruchsvolles Unternehmen

    Bei diesem Erlebnisbericht denke ich, dass ich unter den geschilderten Bedingung auch gerne dabei gewesen wäre, schon weil alles so passend war. Doch was ist mit Frieden? Um nicht missverstanden zu werden, sollte ich sagen, dass ich mich verschiedentlich mit Friedensbewegten auseinanderzusetzen hatte, darunter intensiver mit einer anspruchsvollen christlichen Gruppe in meiner Gemeinde. – alles prima! Heraus kam allerdings nichts, nichts was auch sichtbar Wirkung gehabt hätte.
    Am besten scheint mir, über Versöhnung und Gerechtigkeit nachzudenken, nicht über Frieden zu reden, vor allem einen solchen nicht gleich überall herstellen / fördern zu wollen; denn Frieden ist zuallererst personal.

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  3. Liebe OrganisatorInnen
    Sehr eindrücklich dieser Bericht über den diesjährigen Ilanzer Sommer! So eine Veranstaltung schenkt mir Hoffnung und – eben – Zukunftsmut.
    Ich danke allen Beteiligten für ihr Engagement.
    Herzliche Grüsse
    Irene Morger-Strebel

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