Zwischen Erfolg und Herausforderung: Islamischer Religionsunterricht an Schweizer Schulen

Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen bleibt in der Schweiz eine Rarität. Im Vergleich zum weit verbreiteten konfessionell-christlichen Religionsunterricht beschränkt sich ein entsprechendes Angebot für muslimische Kinder auf wenige Schulen in der Deutschschweiz. Eine jüngste Studie der Universitäten Freiburg und Luzern hebt dabei die integrative Wirkung dieses Unterrichts hervor.

Von Aysegül Avcik-Karaaslan

Die wachsende religiöse und kulturelle Vielfalt in der Schweiz erfordert in den Schulen zuweilen gezielte Anpassungen. Als Reaktion auf diese Entwicklungen hat der islamische Religionsunterricht, auch IRU genannt, in acht Schulhäusern der Kantone Luzern, Thurgau, Zürich und Schaffhausen Einzug gehalten. Im Vergleich dazu ist der IRU im benachbarten deutschsprachigen Raum bereits weitreichender verbreitet: Österreich führte ihn bereits im Schuljahr 1982/83 ein und in Deutschland ist das Schulfach seit den 2000er-Jahren in mehreren Bundesländern etabliert. Solche Bildungsinitiativen tragen nicht nur zur religiösen Bildung muslimischer Kinder bei, sondern sie wirken integrativ, da die Lebenswelten von Schule und Religion in einen Austausch gebracht werden, wie die Studie der Universitäten Freiburg und Luzern aufzeigt.

Der IRU wird in der lokalen Landessprache angeboten und ist sowohl pädagogisch als auch didaktisch zeitgemäss ausgerichtet. Er bietet muslimischen Schüler:innen nicht nur einen Einblick in die Grundlagen ihres Glaubens, sondern verknüpft diese auch geschickt mit ihrer alltäglichen Lebenswelt. Der Unterricht fördert die Grundbildung für die religionsrelevante Teilidentität der Kinder und leitet sie zur religiösen Sprachfähigkeit an – ein bekenntnisorientierter und gleichzeitig reflektierender Unterricht, so die Definition aus der Studie.

Spannende Einblicke in den IRU bieten zwei Praxisbeispiele aus den Kantonen Luzern und Thurgau. Seit über zwei Jahrzenten hat sich der IRU in Luzern etabliert und findet in den Gemeinden Ebikon, Kriens und Luzern statt. Etwa 100 Kinder muslimischen Glaubens besuchen hier den IRU einmal wöchentlich. Der Unterricht orientiert sich am Lehrplan des Instituts für Interreligiöse Pädagogik und Didaktik in Köln. Im IRU werden unter anderem Themen wie Allah, Propheten, Umwelt, gesunde Ernährung und andere Religionen behandelt. Einblicke in den IRU ermöglicht uns Sumayah B. Sabadia, Lehrerin für IRU und Leiterin des IRU Luzern: „Die Kinder freuen sich darüber, im IRU etwas über ihren Glauben zu lernen und
muslimische Mitschüler:innen in einem schulischen Kontext zu treffen.“ Wertvoll sei dabei, dass der Unterricht in den Schulräumen stattfinde: „Die Kinder fühlen sich gleichwert zu ihren Schulkamerad:innen, da sie im gleichen Schulzimmer ihren Religionsunterricht besuchen dürfen. Auch ist der Unterricht geeignet für Familien, die keinen Kontakt zu den Moscheen haben und ihren Kindern dennoch eine religiöse Erziehung bieten wollen“, so Sabadia. Trotz des Erfolgs würden dem IRU Herausforderungen gegenüberstehen, darunter unter anderem die Finanzierung, die
Organisation von passenden Unterrichtszeiten und die teilweise fehlende Kommunikation mit Schulleitenden.

Auch IRU-Lehrer und Imam Rehan Neziri im Kanton Thurgau in Kreuzlingen kennt
Herausforderungen. Doch abgesehen vom anfänglichen politischen Widerstand,
mache er fast ausschliesslich positive Erfahrungen: „Die Schüler:innen freuen
sich, dass es diesen Unterricht gibt und fühlen sich gleichberechtigt zu den
christlichen Schüler:innen. Das Gleiche gilt auch für ihre Eltern“, so Neziri. Der IRU an
öffentlichen Schulen existiert dort seit 2010 und wird aktuell von insgesamt 95
Schüler:innen besucht. Im Vergleich zum IRU in Luzern wird hier mit dem
Bildungsplan der Grundschule „Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung“ des
Bundeslandes Baden-Württemberg (2016) gearbeitet.

Die Erfolge des islamischen Religionsunterrichts gehen dennoch mit Herausforderungen einher. Besonders die Finanzierung ist ein kritischer Punkt, wie die Studie betont. Im Vergleich zum staatlich verantworteten religionskundlichen Unterricht und dem konfessionell-christlichen Religionsunterricht seien Strukturen für den IRU weiterhin stark von privatem Engagement an Zeit und Finanzen abhängig. IRU-Projekte würden sich zudem von einer Gemeinde zur anderen unterscheiden. Das sei zum Teil durch die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen der einzelnen
Kantone bedingt, aber auch durch lokale oder individuelle Faktoren wie beispielsweise die zeitliche Verfügbarkeit beeinflusst.

Insgesamt eröffnet der islamische Religionsunterricht die Möglichkeit, selbstbewusster und offener mit der eigenen religiösen Identität umzugehen. Durch eine verstärkte Wahrnehmung und Akzeptanz dieser Identität in der öffentlichen Schule und damit auch in der Gesellschaft ermöglicht der IRU einen Beitrag zu einem gestärkten Selbstbewusstsein im Umgang mit dem eigenen Glauben.

Studie: Schmid Hansjörg, Pahud de Mortanges René, Tunger-Zanetti Andreas, Roveri Tatiana: Religiöse Diversität, interreligiöse Perspektiven und islamischer Religionsunterricht in der Schweiz: Bestandsaufnahme und Gestaltungsspielräume

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