Sozialpolitische Blockade

 

Sozialpolitisch wird es enger nach dem Wahlsieg der SVP (Foto: Südbeck-Baur)
Sozialpolitisch wird es enger nach dem Wahlsieg der SVP (Foto: Südbeck-Baur)

Dunkle Wolken sind nach dem Rechtsruck im Nationalrat im Anflug. Es droht ein sozialpolitisches Treten an Ort, während sich die sozialen Problemlagen weiter verschärfen werden. Ein Kommentar zu den Nationalratswahlen aus sozialpolitischer Sicht von Carlo Knöpfel, Professor für Sozialpolitik an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Prof. Dr. Carlo Knöpfel, Dozent an der Hochschule für Soziale Arbeit, Institut Sozialplanung und Stadtentwicklung. © Photo Dominik Pluess / 16. September 2014
Carlo Knöpfel (Foto Dominik Pluess)

Die Nationalratswahlen 2015 sind vorbei, von der zweiten Runde bei den Ständeratswahlen sind keine Überraschungen zu erwarten. Unwägbar bleiben die anstehenden Bundesratswahlen am 9. Dezember. Der Nationalrat ist deutlich nach rechts gerutscht. Der rechts-konservative Block hat sogar eine knappe absolute Mehrheit, wenn er geschlossen aufzutreten vermag. Der Ständerat wird auch weiterhin eine mitte-links zu verortende Mehrheit haben. Über die zukünftige Zusammensetzung des Bundesrates wollen wir hier nicht spekulieren, nur eine Aussage sei gewagt. Bundesrat Alain Berset wird auf seinem Posten als Chef des Eidgenössisches Departement des Innern verbleiben. Was bedeutet diese Konstellation für die Sozialpolitik in der nächsten Legislaturperiode? Denken wir die Folgen der Wahlen an einem Beispiel durch: die Revisionen der AHV und der 2. Säule, zusammengefasst im Projekt „Altersvorsorge 2020“.

Der „alte“ Ständerat hat noch ein Kompromisspaket geschnürt, dass sich im Wesentlichen aus der Anhebung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre, eine Kürzung der Renten aus der 2. Säule und einer geringfügigen Erhöhung der AHV besteht. Damit liegt er sehr nahe bei den Vorstellungen des Bundesrates. Dieser Vorschlag hat trotz Bedenken aus wirtschaftsnahen sowie gewerkschaftlich orientierten Kreisen eine Mehrheit gefunden. Schon jetzt ist absehbar, was im neuen Nationalrat passieren wird: rechten Hardlinern wird der ständerätliche Kompromiss zu weit gehen, linke Volksvertreterinnen und -vertreter werden sich gegen jegliche Kürzung der Renten wehren. Am Schluss wird das Paket in dieser Form abgelehnt werden und unerledigt zum Ständerat zurückwandern.

Das Beispiel macht dreierlei deutlich. Der Ständerat bleibt fähig, sozialpolitische Kompromisse zu formulieren, die an der Urne eine Mehrheit finden können. Die geschwächte Mitte im Nationalrat trägt hingegen dazu bei, dass die sogenannten Polparteien auf ihren grundsätzlichen Positionen verharren und gemeinsam sozialpolitische Vorlagen aus völlig verschiedenen Motiven versenken werden. Denn eines haben viele übersehen: SP und SVP haben im neuen Nationalrat zusammen sogar noch eine deutlichere Mehrheit als die Blocher-Partei und der Freisinn! So droht auch in dieser Legislaturperiode ein sozialpolitisches Treten an Ort, während sich die sozialen Problemlagen weiter verschärfen werden. Schon bald wird sich die wirtschaftliche Entwicklung in steigenden Zahlen bei den Arbeitslosen und der IV wiederspiegeln. Den Sozialwerken drohen neue Defizite und Schulden. Das ist eine gefährliche Entwicklung, denn so können am Ende Mehrheiten für einen gravierenden Leistungsabbau bei den Sozialversicherungen entstehen. Alain Berset ist als politischer Mediator gefordert.

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