«Viele sind religiöse Analphabeten»

Bisher sind 88 junge Menschen aus der Schweiz als Kriegsreisende jihadistisch motiviert und radikalisiert für den IS in den Kampf gezogen. Was genau treibt junge Menschen in die Radikalisierung?

Miryam Eser Davolio. Bild: Wolf Südbeck-Baur

Bild: Wolf Südbeck-Baur

Von Wolf Südbeck-Baur

Was sind die Auslöser, sich einer extremistischen Gruppe anzuschliessen? Steht dahinter eine Politisierung des Islams oder ist es die Islamisierung des Extremismus? Dieser Frage geht die Radikalismusforscherin Miryam Eser Davolio, Dozentin an der ZHAW nach. Sie hat mit ihrem Team die Hintergründe jihadistischer Radikalisierung in der Schweiz untersucht. 

Weshalb sind beispielsweise Konvertiten wesentlich anfälliger für eine jihadistische Radikalisierung?

Eser Davolio: Jugendliche und junge Leute, die zum Islam konvertiert sind, wissen sehr wenig über den Islam. Die Entscheidung zur Konversion hängt meist mit vorgängigen Krisensituationen zusammen. Solche verunsichernde Problembereiche können die Sexualität und die Geschlechterverhältnisse, das Scheitern von Aufstiegsversuchen oder das Problem der fehlenden Zugehörigkeit sein. Daraus resultieren meist Erfahrungen der Entwertung, des Statusverlustes und der Desintegration. Vor diesem Hintergrund führt die Konversion zu einer ordnenden und vereinfachende Weltwahrnehmung und Sinnstiftung für die individuelle Lebensgestaltung, zu einem Ausbrechen aus den bisherigen Rollenerwartungen und zu einer radikalen Übernahme neuer Rollen.

Welche Rolle spielen Bezugsgruppen wie Familie oder Jugendgruppen?

Eser Davolio: Diese Konvertiten haben kein Korrektiv, in der Regel also keine familiäre Gemeinschaft oder unabhängige Jugendgruppe etwa in einer Moschee, in der über Religion diskutiert wird. Niemand stellt kritische Fragen, wenn Prediger Hass und Gewalt rechtfertigen. Zudem beherrschen Konvertiten die Herkunftssprachen beispielsweise in einer albanischen oder türkischen Moschee nicht, den Koran auf Arabisch zu lesen überfordert sie. Folglich weichen sie auf deutsch- oder französischsprachige Angebote aus und landen so auch rasch auf den Plattformen des so genannten Islamischen Zentralrats der Schweiz.

Lesen Sie das ganze Interview mit der Radikalismus-Forscherin Eser Davolio in der nächsten aufbruch-Ausgabe.

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