«Wir wollen die Klimakrise bewusst machen»

Die brütende Hitze in Lausanne letzten Freitag hätte nicht besser zum Klimagipfel der jungen Leute um Greta Thunberg passen können. Bei der gekonnt präsentierten Abschluss-Pressekonferenz strichen die 450 Klimaaktivisten von «Smile For Future» drei Kernforderungen heraus. Rund 3000 Zeitgenossen schlossen sich dem Demonstrationszug durch die Stadt an.

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Bilder: Wolf Südbeck-Baur

Drei Kernforderungen präsentierte die Medizin- und Philosophiestudentin Hannah Otto, auf die sich rund 450 junge Klimaengagierte aus 38 Ländern mit 29 Sprachen nach fünf Tagen Workshop- und Plenumsdebatten geeinigt hatten. An die Adresse der politisch und wirtschaftlich Mächtigen heisst es in der Klima-Erklärung von Lausanne an erster Stelle, dass «Klimagerechtigkeit und Gleichheit gewährleistet werden müssen». Zweitens müsse der globale Temperaturanstieg unter 1,5 Grad bleiben im Vergleich zum vorindustriellen Level. Die dritte Schlüsselforderung der Klimakinder lautet: «Hört auf die besten verfügbaren Klimastudien und auf die Schlussfolgerungen der Klimaexperten». «Die Klimakrise ist wissenschaftlich belegt und erwiesen», sagt Otto. Doch die jungen Klimaaktivisten stecken den Kopf keineswegs in den Sand, sondern kämpfen für ihre Hoffnung.

«Klimagerechtigkeit heisst faire Behandlung des Themas Klimawandel in Bezug auf den Ort, wo du lebst und wie reich du bist.»  Finlay Pringle (11), Schüler

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Trotz ihrer Unterschiede teilten die Teilnehmerinnen und Teilnehmerinnen des Gipfels die gleichen Anliegen, Ziele und Werte, betonte Moderatorin Hannah Otto vor der zahlreich anwesenden Presse an der Medienkonferenz. Eine sehr unterschiedliche Gruppe hinter einer gemeinsamen Botschaft zu versammeln, sei das charakteristische Merkmal und eine Stärke dieser Bewegung. «Wir wollen Leute mobilisieren, wir wollen Aufmerksamkeit, wir wollen die Klimakrise bewusst machen», erklärt die 25jährige auf aufbruch-Nachfrage. «Deswegen demonstrieren wir und schreien in die Welt hinaus, was uns Angst macht.»

Zusammenbruch der Gesellschaft und der Ökosysteme steht bevor

Diese Ängste und Sorgen konkretisiert der 11jährige Schotte Finlay Pringle, der sich mit seinen erst 11 Jahren als Hai-Botschafter in Schottland engagiert. Dabei liegt dem Schüler der Schutz der Meere besonders am Herzen. Ohne Zögern und Zaudern trat er ans Rednerpult in der Uni Lausanne und trug die Einschätzung der Klimabewegung, wie sie in der Lausanner Erklärung formuliert ist, vor: «Wir sind an einem Scheideweg in der Geschichte. Der Zusammenbruch der Gesellschaft und der Ökosysteme steht bevor, und die Zeit läuft ab. Was in den nächsten Monaten und Jahren geschieht, wird bestimmen, wie die Zukunft der Menschheit aussehen wird. Unser kollektives Aussterben ist womöglich ein erschreckend realistisches Resultat. Politiker auf der ganzen Welt ignorieren den Notfall. Aber wir können nicht länger warten. Wir haben uns in Lausanne getroffen, weil uns unsere Ängste und Ziele einen und verbinden und es Zeit ist, jetzt zu handeln. Wir sorgen uns um unsere Zukunft.» Zum Stichwort «Klimagerechtigkeit» erläuterte der junge Schotte schnörkellos: «Klimagerechtigkeit heisst faire Behandlung des Themas Klimawandel in Bezug auf den Ort, wo du lebst und wie reich du bist.»

Dass die jungen Leute diese Forderungen sehr ernst meinen, unterstrich auch der belgische Klimatologe Professor Jean-Pascal van Ypersele, der am Lausanner Klimagipfel teilnahm. «Die Klimabewegung der jungen Leute und ihre Entschlossenheit helfen, die Weckrufe des Weltklimarats IPPC zu verbreiten.» Der frühere Vize-Präsident des Weltklimarats kam aus Genf mit dem neuen, gerade verabschiedeten Bericht des Weltklimarats in der Tasche. Laut Ypersele fokussiere dieser Bericht auf die Verschärfung der Klimakrise durch Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion. Sie generierten in der Summe übermässige CO2-Emissionen und zerstören in der Folge viel Land. Je nach Region bedeute das mehr Regen, mehr Überschwemmungen, mehr Versteppung grosser Gebiete, so dass der Lebensraum von cirka 500 Millionen Menschen bedroht ist. 800 Millionen Erdenbewohner hungern. Auch wenn die Balance zwischen einer ausreichenden Nahrungsproduktion und dem KlimaLausanne Klimagipfel (12)schutz schwierig sei, ist laut dem neuesten IPPC-Bericht die Nachhaltigkeit im Umgang mit der Erde absolut zentral. Konkret bedeute das unter anderem weniger Bevölkerungswachstum, weniger Nahrung wegwerfen, weniger Lebensmittelverschwendung und mehr klimafreundliche Ernährung. Mit diesen Verhaltensänderungen könne man bis 2050 mehrer Millionen Quadratkilometer Land renaturieren und käme den Zielen des Pariser Klima-Abkommens von 2015 zumindest näher. «Jeder Bericht des Weltklimarats», so Klimaprofessor Ypersele, «ist ein Weckruf. Er lässt sich aber leicht in die Schublade versorgen. Das ist mit der Mobilisierung junger Leute nicht mehr möglich. Das beflügelt mich und gibt Hoffnung», strahlte der Mann mit der Botschaft auf seiner weissen Krawatte «I love 1,5».

«Wir erwarten von Politikern und Machthabern, dass sie entsprechend den wissenschaftlich belegten Resultaten der Klimaexperten ihren Job machen.» Hannah Otto (25), Studentin

Damit die nötigen Schritte in Wirtschaft und Politik eingeleitet werden, «erwarten wir von Politikern und Machthabern, dass sie entsprechend den wissenschaftlich belegten Resultaten der Klimaexperten ihren Job machen», sagt Hannah Otto. Dabei unterstreicht die Studentin ausdrücklich, dass dies in der Verantwortung der Leute an den Schalthebeln liege und nicht in den Händen der jungen Generation.

Take Action not our Future

Den Schlusspunkt des imponierenden Jugend-Klimagipfels setzte ein Protestmarsch. Rund 3000 Menschen zogen bei brütender Hitze vom Bahnhof aus durch Lausanne bis Vidy an den Genfersee. Lautstark skandierten sie: «Wir sind unaufhaltsam, eine andere Welt ist möglich.» Die Botschaften ihrer Banner und Plakate ist ebenso klar: «We stand for what we stand on» oder «Take Action not our Future», «Open your eyes change system not climate» und auf berndeutsch «Gopfridstutz jetzt Klimaschutz».

Die Klimabewegung kündigte zudem an, dass sie rund um die Uno-Klimakonferenz am 23. September in New York weiter viele Menschen mobilisieren und die Proteste weltweit ausweiten will. Hierzulande sind am 27. September Kundgebungen und Demonstrationen dezentral in mehreren Städten geplant, am 28. September findet in Bern eine nationale Grosskundgebung statt.

Lausanne Klimagipfel

2 Gedanken zu „«Wir wollen die Klimakrise bewusst machen»“

  1. Wenn junge Menschen sich derart engagiert fürs (Über-)Leben einsetzen, erinnert es mich an Joel 3,1 „Danach aber wird Folgendes geschehen: / Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, / eure Alten werden Träume haben / und eure jungen Männer haben Visionen.“ Ich möchte alle dazu aufrufen, sie ernst zu nehmen, ihre Weckrufe zu unterstützen, eigenes Verhalten zu hinterfragen und die nötigen ‚Opfer‘ auf uns zu nehmen: Klimaschutz geht nicht, ohne die Bereitschaft einer/s jeden, Gewohntes loszulassen, auf eigene Vorteile und Privilegien zu verzichten – doch der Gewinn ist immens.

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