Ein Abend unter Jüdinnen, Musliminnen und Christen

Religion prägt die Schlagzeilen sämtlicher Zeitungen: Terroranschläge, extremistische Gruppen, Radikalisierung. Grosse Hoffnungen werden auf den interreligiösen Dialog als Gegenmassnahme gesetzt. Doch wie kann dies konkret passieren? Eine Gruppe junger Jüdinnen, Musliminnen und Christen versuchte ein interreligiöses Abendessen.

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Zwölf junge Menschen aus Judentum, Islam und Christentum fanden sich zusammen, um miteinander zu reden und essen. Die Initianten hatten den Abend nach dem Prinzip des „Running-Dinners“ gestaltet: Die Teilnehmenden bilden Teams, die aus zwei Personen bestehen. Jedes Team kocht eine Vorspeise oder Hauptspeise und darf bei einem anderen Team einen Gang essen. Zum Dessert trafen sich alle Teams, um den Abend miteinander ausklingen zu lassen.

Die Stimmung während den Mahlzeiten war entspannt. Zu Beginn überwog der Smalltalk, es ging um Studium, Arbeit und Freizeit. Erst nach der „Kennenlern-Phase“ entwickelten sich spannendere, brisantere Themen. So zum Beispiel die Islamwoche an der Universität Zürich. Eine Teilnehmende hatte diese organisiert, sie ist aktives Mitglied in der „Muslim Students’ Association Zurich„. Dabei wurden Informationsplakate über den Islam im Lichthof ausgestellt, Vorträge und Workshops gehalten und ein öffentliches Freitagsgebet durchgeführt. Von den Studierenden wurde diese Veranstaltung sehr positiv aufgefasst, doch ein SVP-Politiker beschwerte sich darauf beim Stadtrat und forderte eine Stellungnahme darüber, weshalb der Islam so viel Raum an der Universität einnehmen darf.

Trotz Gesprächen über verschiedenste Themen lagen unausgesprochene Fragen in der Luft. „Wie stehst du zu Sex vor der Ehe?“. Diese Frage brannte mir auf der Zunge, mein Anstand verbot mir jedoch, sie den Jüdinnen zu stellen. „Was hältst du vom Islamischen Zentralrat Schweiz und deren Veranstaltung „Longing for Peace?“, hätte ich die Musliminnen gerne gefragt. Dieser Verein, der allgemein als salafistisch, bestenfalls als konservativ eingestuft wird, macht immer wieder Schlagzeilen. Doch auch diese Frage stellte ich nicht – ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich MuslimInnen unter Generalverdacht stelle, mit konservativen Vereinen zu sympathisieren.

Fazit dieses Abends? Religion war nicht das primäre Gesprächsthema, tauchte aber in den vertieften Gesprächen immer wieder auf. Niemand wollte eine unangenehme oder angespannte Stimmung verursachen durch provokante Fragen. An einem Abend lernt man sich zu wenig kennen, um auch tiefgehende Themen diskutieren zu wollen. Alle Teilnehmenden wünschen sich ein harmonisches Zusammenleben verschiedener Religionen in der Gesellschaft, daher versuchten sie an diesem Abend wohl, diese Vision auf die Gruppe abzubilden. Doch es muss auch Raum bestehen, kritische Fragen zu diskutieren – nur so können Vorurteile abgebaut und gemeinsame Visionen für die Gesellschaft geschaffen werden.

Somit darf es keinesfalls bei einmaligen, seltenen Treffen bleiben. Ich wünsche mir, dass solche Treffen regelmässig stattfinden, dass sich Freundschaften und gemeinsame Interessensgebiete entwickeln. Auf diese Weise können wir gemeinsam auf eine konfliktfreie Zukunft hinarbeiten.

Celia Gomez studiert an der Universität Zürich Religions-, Politikwissenschaften und hebräische Literatur. Die 22-Jährige hat den Bacalauriat mit einer Arbeit über Religion und Gesellschaft im Iran.

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