Die Mühen der Bischöfe mit der Demokratie

Klara ObermüllerEin Vademecum will das Verhältnis von katholischer Kirche und staatskirchenrechtlichen Körperschaften neu regeln.  Es ist ein weiterer Versuch, unter Federführung des Churer Generalvikars Martin Grichting dem bewährten dualen System von Pfarreien und Kirchgemeinden den Garaus zu machen.

Von Klara Obermüller

Dass der römischen Zentrale die für die Schweiz typischen Parallelstrukturen der demokratisch verankerten kantonalen Körperschaften ein Dorn im Auge sind, weiss man spätestens seit dem Streit um den unter fragwürdigen Bedingungen ins Amt gehievten Churer Bischof Wolfgang Haas.

Katze aus dem Sack. Damals war der Protest von Seiten der Kirchgemeinden und der römisch-katholischen Zentralkommission so weit gegangen, dass dem Bischof der Geldhahn zugedreht und das für die Diözese bestimmte Geld auf einem Sperrkonto eingefroren wurde. Der Schock über dieses Vorgehen, das schliesslich zur Versetzung des missliebigen Bischofs geführt hatte, sitzt in Chur noch immer tief und darf auch den übrigen Diözesen als eindrückliche Warnung gelten.

Schon lange mehrten sich deshalb die Anzeichen, dass die Bischöfe, allen voran derjenige von Chur, versuchen würden, diesem Dualismus ein Ende zu setzen. Nun hat die Schweizerische Bischofskonferenz dieser Tage die Katze aus dem Sack gelassen und – einstimmig, wie es heisst – ein Papier verabschiedet, welches das Verhältnis zwischen den kanonisch-hierarchischen und den staatlich-demokratischen Strukturen auf eine neue Basis stellen soll. Es nennt sich „Vademecum für die Zusammenarbeit von katholischer Kirche und staatkirchenrechtlichen Körperschaften in der Schweiz“ und hält vor allem zwei Dinge fest:

  1. Dass die staatskirchenrechtlichen Kantonalorganisationen und Kirchgemeinden sich nicht mehr als Kirche bezeichnen dürfen und nur dann überhaupt legitim sind, wenn sie sich helfend und unterstützend den Diözesen unterordnen.
  2. Dass die Volkswahl des Pfarrers auf Zeit im Gegensatz zur unbefristeten kanonischen Ernennung durch den Bischof steht und demzufolge einen unzulässigen Eingriff in die Religionsfreiheit darstellt.

Liest man das der Römisch-katholischen Zentralkommission ohne vorherige Konsultation zugestellte Papier genau, merkt man schnell, worum es den Bischöfen bei ihren Ausführungen zu Terminologie und Funktion der Körperschaften auf der einen, der Pfarrwahl auf der andern Seite wirklich geht: nämlich um Machterhalt und um Geld.

Mitsprache der Basis. Dass in der Schweiz, anders zum Beispiel als in Deutschland, die Kirchgemeinden und kantonalen Körperschaften und nicht die Diözesen über die Finanzmittel verfügen – das ist es, was die Schweizer Bischöfe ebenso ärgert wie die Tatsache, dass die Basis bei der Wahl von Pfarrern und Gemeindeleitern ein kräftiges Wort mitzureden hat. Wie hier Abhilfe geschaffen werden soll, ist ebenfalls klar:

  1. Es soll die Zusammenarbeit zwischen katholischer Kirche und Körperschaften so geregelt werden, dass „der Bischofskonferenz eine verlässliche finanzielle Basis für die Erfüllung ihrer Aufgaben auf gesamtschweizerischer Ebene gewährleistet“ ist.
  2. Es sollen, um dem Bischof freie Hand bei der Verleihung von Pfarreien zu geben, „alle Vorschlags-, Ernennungs- und Vorbehaltsrechte abgeschafft werden“.

Beide Forderungen gehen weit über Fragen der Terminologie oder des Wahlprozedere hinaus und stellen einen massiven Eingriff in das demokratische Selbstverständnis einer schweizerischen Landeskirche dar. Dass die römische Zentrale hier ihre Hand im Spiel hat und Bischof Vitus Huonder und sein Generalvikar Martin Grichting als treibende Kraft hinter dem Papier stehen, daran besteht kein Zweifel.

Streben nach unbegrenzter Machtbefugnis. Seit langem schon warten diese Kreise darauf, das demokratische System der katholischen Kirche Schweiz aus den Angeln zu heben. Die bevorstehenden Abstimmungen über die Befreiung juristischer Personen von der Kirchensteuer in den Kantonen Zürich und Graubünden bieten ihnen gewissermassen die Steilvorlage dazu.

Wenn es ihnen gelingt, das gut austarierte Verhältnis von Kirche und Staat in der Schweiz auszuhebeln und die Flüsse der Kirchensteuern auf ihre Mühlen zu lenken, dann haben sie endlich erreicht, wovon sie angesichts renitenter Kirchgemeinden, aufmüpfiger Seelsorger und mündig gewordener Gläubigen seit langem träumen: Unabhängigkeit von staatlicher Kontrolle, unbeschränkte Machtbefugnis im eigenen Haus und die nötigen Mittel, ihrer Autorität Nachachtung zu verschaffen.

Wer die Abschaffung der Steuerpflicht befürwortet und die Trennung von Kirche und Staat vorantreibt, sollte sich deshalb gut überlegen, wem er mit seinen Postulaten in die Hände arbeiten will.     

Dieser Kommentar erschien zuerst unter www.journal21.ch

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