Aufbruch zu Neuen Energien

Die aufbruch-Leserreise nach Sachsen anfangs April 2017 führte immer wieder zu Themen aus der Zeit der Reformation. Heute 500 Jahre später leben wir im Zeitalter des Klimawandels. Die gesellschaftlichen Prozesse damals und heute weisen überraschende Parallelen auf.

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Während wir entlang grosser Photovoltaikanlagen und durch weite Landschaften mit ruhig drehenden Windturbinen fuhren, realisierte ich: Die gesellschaftlichen Prozesse in der Mitte des vergangen Jahrtausends weisen einige Parallelen zu unserer heutigen Situation auf. Dazu nur drei Aspekte: Damals wie heute lösten grosse wirtschaftliche Ungereimtheiten Proteste, Konflikte und schliesslich Umdenken aus. So führten mit dem Ablasswesen finanzielle Anreize zum Machtmissbrauch durch die Kirche. Die heutigen Machtzentren liegen in den Energieunternehmen, die über Jahrzehnte eine verzerrende Preispolitik mit Subventionierung der Atomenergie verfolgt haben. Mit Martin Luther war damals ein erprobter Kircheninsider der geistige Vater der Reformationsbewegung – ein Pendant finden wir 1986 nach der Katastrophe im AKW Tschernobyl in Vassili Nesterenko. Er war als sowjetischer Experte für zivile und militärische Atomprojekte mit Zugangserlaubnis zu den „verbotenen Städten“ ebenfalls ein Insider. Nach dem Super-GAU in der Ukraine wurde er zum unermüdlichen Verfechter eines gerechten Strahlenschutzes für die Menschen in den nuklear verseuchten Gebieten – ein moderner Saulus. Und war es drittens um 1500 die Erfindung des Buchdrucks, die einen Quantensprung bei der Verbreitung neuer Ideen erlaubte, so ermöglicht die Elektronik unserer Generation einen Informationsaustausch in bisher nie dagewesenem Umfang und höchstem Tempo.

Ein Prozess unglaublicher Tragweite
Das Phänomen des durch den Menschen verursachten globalen Klimawandels ist neu. Mag er für uns Europäer vielleicht noch wenig konkret sein, da der Einzelne keine nachweislichen, direkten Folgen verspürt, so ist wissenschaftlich erwiesen, dass ein Prozess von unglaublicher Tragweite im Gange ist. So beträgt 2017 die exponentiell zunehmende Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre erstmals seit 50 Millionen Jahren 410 ppm (Anzahl Teilchen pro Million). Als eines der wichtigsten Treibhausgase ist CO2 Ausdruck des beschleunigten Klimawandels infolge der Nutzung fossiler Energieträger durch die Industrialisierung in den letzten 200 Jahren.

Klimawandel verstärkt Fluchtbewegungen
Von dieser abstrakten Zahl zur Bedeutung im Lebensalltag führt ein kurzer Weg. Der Mensch hat sich die Welt tatsächlich untertan gemacht – dies in einem Masse, dass die Lebensgrundlagen Wasser, Luft und Boden ernsthaft bedroht sind. Der Anstieg des Meeresspiegels um 3 cm pro Jahrzehnt – bedingt durch die Erwärmung der Weltmeere – und die zunehmenden Dürren in Afrika erschrecken uns. Wir lernen, die aktuelle Flüchtlingsproblematik in diesen grossen Zusammenhängen zu verstehen. Das damit verbundene kollektive Leid ist voraussehbar: Durch die veränderten Klimawabedingungen werden in Zukunft gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich Hunderttausende Menschen sterben. Eine klimabedingte Zunahme der Krankheiten der Atemwege, von Allergien, Infektionen und Kreislauferkrankungen bis hin zum Tod ist bereits jetzt Tatsache.

Kirchen für ein JA zur Energiestrategie 2050
Mit einem JA zur Energiestrategie am 21. Mai, wie sie von den Behörden vorgeschlagen wird, können wir einen Beitrag zur Abkehr von der fossilen und nuklearen Energie hin zu Energieeffizienz und nachhaltigen, umweltverträglichen Energieformen leisten. Nicht nur medizinische, ökologische oder ökonomische Argumente sprechen für die Energiewende: Der ethisch begründete Aufruf für einen Aufbruch zu neuen Energien lässt sich auch aus Stellungsnahmen von höchster kirchlicher Warte heraushören. So forderte Papst Franziskus in seiner Enzyklika 2015 angesichts des erschütternden Klimawandels und der dadurch verursachten Armut einen Schutz von globalen Allgemeingütern wie der Atmosphäre, der Ozeane und der Wälder. Ebenso erinnerte Bischof Felix Gmür in seiner kürzlichen Osterbotschaft eindringlich an unsere Mitverantwortung für die Klimaerwärmung. Und auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund sowie der Verein oeku Kirche und Umwelt unterstützen die Energiestrategie des Bundes. Damit ist deutlich: es ist ein Gebot der Stunde, am 21. Mai mit einem Ja zur Energiestrategie 2050 der Klimaerwärmung politisch entgegenzutreten.

Dr. med. Claudio Knüsli, Onkologe und Mitglied von ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges (PSR/IPPNW
Schweiz) und Teilnehmer der aufbruch-Leserreise nach Dresden im April 2017.

 

1 Gedanke zu „Aufbruch zu Neuen Energien“

  1. Ja zum Energiegesetz
    Ressourcen gehen zur Neige, der Energiehunger zerstört Lebensräume und entfacht Kriege, es wird viel zu schnell zu heiss. Nicht erst die Atomkatastrophe von Fukushima hat drastisch gezeigt, dass die Energieversorgung möglichst rasch sehr viel sparsamer, erneuerbarer, sicherer, umweltfreundlicher und wirtschaftlicher organisiert werden muss. Das passiert nicht von allein, sondern braucht einen gesetzlichen Rahmen. Die Umstellung kostet angesichts der Schäden jetzt noch vergleichsweise wenig, es braucht aber vor allem den Willen und die Anstrengung vieler gesellschaftlicher Kräfte in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Naturschutz sowie jedes Einzelnen. Wir halten mit Papst Franziskus Massnahmen zum Energie-und Ressourcensparen und zum Schutz der Oekosysteme für dringend geboten. Der Preis fürs Weitermachen wie bisher wird jedes Jahr höher, und für Künftige unbezahlbar. Das Gesetz zielt in die richtige Richtung. Wir schliessen uns oeku Kirche und Umwelt an, und empfehlen ein Ja zum Energiegesetz.

    Kommission Kirche und Umwelt, Kath. Landeskirche TG
    Gaby Zimmermann, Präsidentin

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