Zwischen Pegida, Romantik und Weihnachtsstern

Die Fremden zu lieben: das ist die grosse Herausforderung, vor der das Christentum heute steht. Die aufbruch-Leserreise führte nach Dresden, wo dieses Zeichen der Zeit in seinen unterschiedlichen Spielarten hautnah zu erleben war

Dresden Wolf Südbeck-Baur

Es ist sechs Uhr abends in Dresden. Drüben am Altmarkt versammeln sich rund 500 Pegida-Anhänger – Ende 2014 waren es noch 25000 – zu ihrer allmontäglichen Kundgebung. Die aufbruch-Reisegruppe kommt gerade rechtzeitig und wird Augenzeuge dieser Deutschlandfahnen schwenkenden, Merkel-muss-weg skandierenden Meute von Wutbürgern.

Theologe Frank Richter, Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche erklärt den Reiseteilnehmern in seinem Vortrag später, weshalb die weltanschauliche Dimension in den Blick zu nehmen sei, um die Pegida-Leute verstehen zu können.

Was Romantik mit Pegida zu tun hat
Was hat die Romantik mit der Pegida-Bewegung zu tun, fragte Reiseleiter Michael Bangert später im Car auf dem Weg nach Herrnhut? „Die Romantik liefert die Idee der Nation, die damals aus eigener Kraft keine Rolle spielte, zu einer Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die alte Ordnung der Zünfte, Fürsten und Fürstbischöfe aufhörte zu existieren. Die Romantik“, so der Theologe und Historiker weiter, „betont das Gemüt, die Verbundenheit in verlässlicher Freundschaft fürs Leben und die Geselligkeit quasi als Gegenpol zur napoleonischen Vorherrschaft. Diesen Gedanken der Romantik von der Nation greifen die Pegida-Leute wieder auf in Form einer Nationalisierung. Die Übersteigerung des Eigenen, dem der Kontakt zur Wirklichkeit fehlt“, argumentiert Bangert weiter, „ist das, was bei Pegida und Afd in Deuschland, bei Le Pen-Anhängern in Frankreich und bei grossen Teilen der SVP in der Schweiz kennzeichnend ist“. Dabei sei allerdings nicht zu übersehen, dass Nationalisten von heute nicht Christen sein wollen, „weil diese die Fremden lieben“.

Die Fremden lieben, das wird auch bei der Herrnhuter Brüdergemeine, der nächsten Station auf unserer Leserreise, grossgeschrieben. Das 3000-Seelen Dorf Herrnhut, berühmt für seine 17-zackigen Weihnachtssterne, ist Gründungsort der evangelischen Brüder-Unität, die auch in der Schweiz um Bischof Volker Schulz mit noch rund 300 Mitgliedern aktiv ist. Dort im heutigen Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien fällten Graf Ludwig von Zinzendorf und der Zimmermann Christian David 1722 den ersten Baum, um die erste Ansiedlung der Brüdergemeine in Angriff zu nehmen – „unter des Herrn Hut“, wie Edmute Frank, Pfarrerin für die Gäste, unserer Reisegruppe im schlichten, weiss getünchten Versammlungssaal berichtet. Die Herrnhuter, deren Wurzeln in die tschechische Reformation um Jan Hus zurückreichen, haben laut Frank weltweit 1,1 Mio. Mitglieder, setzen auf die Einheit der Brüder und sind synodal organisiert.

Der Gemeinschaft verpflichtet
Die Herrnhuter haben sich der Vielfalt verschiedener Sprachen, Kulturen und Traditionen verpflichtet. Migration und Flüchtlinge spielen denn auch eine grosse Rolle. Das helfe, Grenzen zu überwinden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass mit Pfarrer Hartmut Haas ein Mitglied der Herrnhuter Brüdergemeine massgeblich den Aufbau des Berner Hauses der Religionen – Dialog der Kulturen vorangetrieben hat. Dass das Leben in Gemeinschaft von zentraler Bedeutung ist für die Brüdergemeine, ist in Herrnhut gleichsam in jedem Dorfwinkel zu spüren.

Den vollständigen Artikel zur aufbruch-Lesereise gibt es in unserer nächsten aufbruch -Ausgabe zu lesen. Hier kostenloses Ansichtsexemplar bestellen

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