Guerilla und Panzer

Machtspiele vor der Papstwahl

Nächsten Dienstag beginnt das Konklave. 115 wahlberechtigte Kardinäle werden einen der ihren zum neuen Papst wählen. Auf Hochtouren läuft im Vatikan das  so genannte Vorkonklave. Derzeit sondieren die Purpurträger. Für den Publizisten Peter Hertel spricht einiges dafür, dass der neue Papst aus Kreisen kommt, die dem mächtigen Opus Dei und dem einflussreichen Moviomento Communione e Liberatione nahe stehen.

Von Peter Hertel

Etwa 40 Purpurträger stehen dem Opus Dei nahe, 20 der CL-Bewegung. Die beiden Organisationen wünschen eine in sich geschlossene Kirche und eine katholisch geprägte Gesellschaft, wie es Giussanis berühmte Forderung  „Eine Taufe, ein Glaube, eine Partei“ zeigt. Sie lassen starke Vorbehalte gegenüber Nicht-Katholiken erkennen, insbesondere gegenüber der protestantischen Theologie, die in die katholische Kirche eindringe. Ihre schlagkräftigen gesellschaftlichen Institutionen verschaffen ihnen Kapital, Besitz und damit kirchliche Macht. Sie mischten in der Politik ihrer Heimatländer mit, gerieten aber in Skandale, durch die sie zurückgeworfen wurden: Opus Dei unter Franco in Spanien, CL mit seiner politischen Bewegung ”Movimento Popolare” beim Untergang der Democrazia Cristiana (DC).

Doch dann ging der Aufstieg unaufhaltsam weiter. Benedikt XVI. setzte den Opus-freundlichen Kurs seines Vorgängers fort. Aber noch stärker fühlt er sich der CL verbunden. 2005 war er – kurz vor seiner Wahl zum Papst – nach Mailand gereist, um den verstorbenen CL-Gründer Giussani beizusetzen. Sein Assistent, Georg Gänswein („Il bello Giorgio“ – Der schöne Georg), war Dozent in der römischen Opus-Universität.  Er sorgte aber auch dafür, daß vier italienische CL-Frauen in die enge Umgebung des Papstes einrückten. Der deutschen Musikprofessorin Ingrid Stampa, die schon dem Kardinal Ratzinger den Haushalt geführt und ihm bei Übersetzungen zur Seite gestanden hatte, wurde deshalb der Stuhl vor den Päpstlichen Palast gesetzt.

Am Tage des Papstrücktritts machte CL deutlich: „Bewegt durch die Ankündigung des Papstes und noch mehr durch unsere Verantwortung“ werde sie „intelligent und leidenschaftlich dem Charisma des Vaters Giussani“ folgen. Dabei sieht sie sich durch zehn Würdenträger unterstützt. Fünf davon gehören zu den etwa 15 Kardinälen, die „papabile“ sind – also als wählbar für das Papstamt gelten: Angelo Bagnasco (Genua), Timothy Dolan (New York), Odilo Scherer (São Paulo), Christoph Schönborn (Wien) und Angelo Scola (Mailand). Unerwähnt blieb diesmal Kardinal Ouellet, Kandidat Benedikts XVI. und Freund  des CL-Gründers Giussani. Dolan, Bagnasco und Scherer unterhalten auch Kontakte zum Opus Dei. Diese Offenheit nach beiden Seiten lässt sie umso eher als Papst-Favoriten erscheinen. Dem Opus Dei stehen von den „Papabile“ nahe: Joao Braz de Aviz (Brasilien-Vatikan),  George Pell (Sidney), Gianfranco Ravasi (Italien-Vatikan), Luis Antonio Tagle (Manila) und Jean Louis Tauran (Frankreich-Vatikan).

Der künftige Papst dürfte aus den etwa 60 Purpurträgern hervorgehen, die den beiden Organisationen verbunden sind. Da die Zweidrittelmehrheit der 115 Wahlmänner notwendig ist, werden sie jedoch nicht einfach einen ihrer Hardliner durchsetzen können.  Fest steht indes, dass der neue Heilige Vater nicht an Guerilla und Panzer vorbei auf den Thron gehievt werden kann. Und falls er es dann überhaupt wollte: es dürfte ihm nicht möglich sein, an der mächtigen Seilschaft vorbei zu regieren oder ohne sie gar im Vatikan „aufzuräumen“, wie es sich nicht wenige Katholiken nach den jüngsten Affären und Spekulationen um Sex und Dokumentenklau erhoffen. Die vatikanischen Dienststuben sind mit Mitgliedern und Sympathisanten beider Organisationen durchsetzt. Und das Geld, mit dem die Streitmacht dem Vatikan gegebenenfalls zur Seite steht und kirchenpolitische Ziele dirigieren kann, verleiht ihr schier unbezwingbare Macht.

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