„Je suis noires“: Porträts wider den strukturellen Rassismus in der Schweiz

Ruhig und doch klar, mit einem guten Gespür für Dissonanzen verleiht „Je suis noires“ Ängsten, Sorgen, Wut und Traurigkeit Gesichter, rückt mit eindrücklichen Bildfolgen und pointierten Interviews Frauen und Themen in den Mittelpunkt, die für gewöhnlich marginalisiert werden.

Filmkritik von Anna K. Flamm

„In diesem mehrheitlich weissen Land gilt Diskriminierung nicht als ein Problem. Dennoch hatte ich nicht erwartet, dass es keine Daten und Informationen über schwarze Frauen in der Schweiz gibt. Wo ich das Gefühl habe, ihnen doch täglich zu begegnen. Wie denken sie? Wie werden sie wahrgenommen?“ Es sind spannende und wichtige Fragen, die die Protagonistin von „Je suis noires“, Rachel M‘ Bon, zusammen mit Filmemacherin Juliana Fanjul in den Raum stellt. Fragen, die bis anhin in der öffentlichen Debatte der Schweiz, einem Land, das sich in seiner Neutralität gerne frei von Zeichen der Kolonialisierung glaubt, vergeblich gesucht werden. Fragen, die es aber zu stellen gilt, um Lebensrealitäten in den Fokus zu rücken, die tagtäglich von Rassismus und Sexismus gekennzeichnet sind.

„Je suis noires“ läuft ab dem 9. März in den Kinos der Deutschschweiz.

Minderwertigkeitskomplexe, die Ablehnung und Verleugnung der eigenen Herkunft, der tiefe Wunsch, endlich dazuzugehören, sich zuhause zu fühlen, und ein ständiger Kampf gegen stigmatisierende Stereotype: Berührend persönlich illustrieren die Porträts sechs Schweizer Women of Colour Alltagssituationen, die von verschiedenen, mehr oder minder bewussten Unterdrückungsmechanismen geprägt sind. Da ist Tallulah Bar, eine Bankmanagerin, die zugibt, als Kind dafür gebetet zu haben, eines Tages mit weisser Haut aufzuwachen, und die permanent gegen ihre eigenen Benachteiligungen aufgrund ihres Aussehens kämpft; Brigitte Lembwadio, eine Anwältin, die darüber nachdenkt, wie sie ihre wahre Identität endlich ungehemmt ausdrücken und gezielt Diskriminierung entgegenwirken kann; Armelle Saunier, ebenfalls Bankdirektorin, die sich aus eigener Erfahrung um die Stigmatisierung ihrer Kinder in der Schule sorgt; Paula Charles, die sich als ehemals „exotische“ Tänzerin nun als Schriftstellerin für mehr Respekt einsetzt; die junge Studentin Khalissa Akadi, die ihren eigenen Weg als junge Schweizerin mit gemischter Hautfarbe sucht, und schliesslich Carmel Frohlicher, eine Psychologin, die sich für eine multikulturelle Schweiz stark macht.

Ruhig und doch klar, mit einem guten Gespür für Dissonanzen verleiht „Je suis noires“ Ängsten, Sorgen, Wut und Traurigkeit Gesichter, rückt mit eindrücklichen Bildfolgen und pointierten Interviews Frauen und Themen in den Mittelpunkt, die für gewöhnlich marginalisiert werden. Der 50-minütige Dokumentarfilm bildet so einen brillant-prägnanten Auftakt für eine intensivere Auseinandersetzung mit den eingangs gestellten Fragen – eine Auseinandersetzung, die, das ist spätestens nach diesem Film klar, für ein gesellschaftliches Vorankommen in der Schweiz unbedingt lohnenswert ist.

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