Wie ein neuer Papst im Vatikan überlebt

Auf dem Petersplatz weht ein kühler Wind und die grauen Pflastersteine glänzen vor Nässe. Ein Heer von Schirmen bevölkert den Petersplatz. Im Vatikan sind die 115 wahlberechtigten Kardinäle zur Wahl eines neuen Pontifex eingeschlossen. Auch nach dem zweiten Wahlgang steigt um 11.30 Uhr schwarzer Rauch auf. Es gibt noch keinen neuen Papst. Vatikankenner orakeln und die italienischen Zeitungen wollen wissen, dass die Aktien des Brasilianers Kardinal Odilo Scherer im Sinkflug seien, die des Opus-Dei nahen Budapester Kardinals Erdö hingegen steigen würden.

Während die Karten im Konklave neu gemischt werden für den nächsten Wahlgang fragen wir uns, wie eigentlich ein Kardinal, der nicht aus Italien kommt, im Vatikan überlebt.  Das ist keine respektlose Scherzfrage, sondern ein ernstes Problem. Wie ernst, das zeigt das unglückliche Schicksal von Johannes Paul I.. Er überlebte seine Wahl zum Papst im Sommer 1978 um ganze 33 Tage. Dann war der Herz- und Kreislauf-kranke Papst tot.

Ein neuer Papst muss seinen Koch oder die vertraute Köchin mitbringen. Und  – falls er von ferne ins Petrusamt gelangt – muss er seinen Arzt mitbringen. Ferner: Einige Vertraute, die sich wie eine kleine Wagenburg um ihn scharen und das Anbranden der Kurienmänner und ihrer Interessen abstoppen, abfedern oder zumindest auf ein erträgliches Mass kanalisieren.

Papst Albino Luciani hatte dies 1978 unterlassen. Er war ein sozial engagierter, leutseliger, beim Kirchenvolk beliebter Patriarch von Venedig, also in einem überschaubaren Bistum gewesen. Doch im Vatikan empfing ihn eine andere Welt, der er schutzlos gegenüberstand. Kälte. Härte. Aktenberge täglich – und Luciani kam kaum nach. Er bekam Wasser in den Beinen. Die Fesseln schwollen an. Führende Kardinäle führten brüllend mit ihm Konfliktgespräche, nachdem der neue Papst verkündigt hatte, Gott sei vielleicht noch mehr Mutter als Vater.

Er wurde wohl nicht vergiftet. Er starb am extremen Stress, den ihm eine Umgebung bereitete. Als Lucianis Arzt, der den Geistlichen seit langem kannte, in Rom ankam, war es  zu spät. Der lächelnde Papst war tot.

Ein neuer Papst muss sich schützen. Mit vertrauter, heimischer Kost – wie Papst Wojtyla dies tat. Mit Vertrauten. Mit der Beziehungspflege auch zu alten Freundinnen und Freunden.

Benedikt XVI. gab zu wenig acht auf einen Schutz. Er liess es zu, dass seine vertraute Haushälterin, die Gambistin und Musikprofessorin Ingrid Stampa aus Goch am Niederrhein, ersetzt wurde durch vier Haushälterinnen . Die vier Damen kamen aus der Vereinigung Memores Domini. Das ist der ehelose Erwachsenenzweig der machtgierigen, lärmigen Bewegung Comunione e Liberazione, die in Italien weitaus mächtiger ist, als das geheimniskrämerische Opus Dei. Eine langjährige Vertraute wurde ersetzt durch vier gute Frauen, die aus einer nichtdeutschen Kultur kamen. Es hat nicht sehr lange gedauert, bis der Niedergang kam. Nach dem Verratsserie Vatileaks durch seinen Kammerdiener Paolo Gabriele und bislang ungenannte Hinterleute war der Bayer Benedikt XVI.fertig….

Es ist kalt auf dem Petersplatz. Die TV-Journalisten auf den Bühnen von Al Dschasira bis ARD und Schweizer Fernsehen frieren in ihren  dünnen Mänteln. Wann kommt der weisse Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle? Wir werden sehen…

Thomas Seiterich, Vatikan-Experte von Publik-Forum

 

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