«Was wir sind, spricht mehr, als was wir sagen»

Es gibt Hoffnungsträger:innen und visionäre Menschen, die früh gehen müssen. So auch Anton Peter, der von allen liebevoll «Toni» genannt wurde. Mit nur 45 Jahren ist Toni nach einem längeren Krebsleiden 1998 mitten in der Blüte seines Lebens von uns gegangen.

Von Josef Estermann

Als Bauernsohn aus einer kinderreichen Familie im Luzerner Hinterland schloss sich Toni zu einer Zeit der Missionsgesellschaft Bethlehem Immensee (SMB) an, als der Zenit des «Missionsfiebers» schon längst überschritten war. Aber es ging ihm nie einfach nur um «Mission» im herkömmlichen Sinne, sondern um ein Christentum, das sich einmischt, das gesellschaftlich relevant ist, das auch provoziert und nicht selten Sand im Getriebe einer gut geölten Wirtschaft und Politik ist.

Seine Dissertation zum Vergleich der Transzendentaltheologie von Karl Rahner und der Befreiungstheologie von Enrique Dussel war für die akademische Theologie in Europa ein Augenöffner. Dussel hat bei einem Treffen im Romerohaus über Toni gesagt: «Er ist der erste Theologe Europas, der mich verstanden hat!»

Dieses Lob gilt dem stillen Schaffen von Toni, seinem Versuch, sich ganz und gar in die «Denke» und das Leben des und der Anderen zu versetzen und die Welt der Armen von ihrer «Alterität» (dies ist ein Schlüsselbegriff bei Dussel) her zu denken und zu verstehen. So liess Toni Peter der Theorie Taten folgen und engagierte sich im Rahmen eines missionarischen Einsatzes von 1987 bis 1990 in einem der ersten Armenviertel in der Metropole Lima in Peru. Diese «Lehr- und Wanderjahre» – in einer missionarischen Equipe mit einem Ehepaar – sollten Toni seither prägen und nie mehr loslassen.

Toni an einem Geburtstag auf dem Dach des Pfarrhauses in Lima

In Lima sah Toni nicht nur das Elend mit eigenen Augen, sondern auch die Hoffnung und die unbändige Kraft, aus dem Glauben für eine bessere Welt zu kämpfen. Die Armen haben ihn zwar nicht «bekehrt» (weil er das schon war), wie das Oscar Romero von sich sagte, aber sie haben seiner Theologie Hand und Fuss, vor allem aber konkrete Gesichter gegeben.

Toni als Kampagnenaktivist

1986 wurde in Luzern das Romerohaus eingeweiht, das drei Zielsetzungen verfolgte: Es sollte als Missionsseminar für den eigenen Nachwuchs der SMB dienen, missionarische und entwicklungspolitische Bewusstseinsarbeit leisten sowie die theologischen Aufbrüche im globalen Süden reflektieren und in einen Dialog mit der hiesigen Theologie bringen. So wurde Toni 1990 zum Leiter der Forschungsgruppe im Romerohaus gewählt und kehrte aus Peru in die Schweiz zurück.

In dieser Funktion konnte Toni ein wichtiges Anliegen umsetzen, das ihn schon vor seiner Peru-Zeit umgetrieben hatte: Armut und Marginalisierung im globalen Süden können nur wirklich bekämpft werden, wenn deren strukturelle Bedingungen im Norden verändert werden. So war Toni schon in den 1980er-Jahren in der Anti-Apartheid-Bewegung mit Blick auf Südafrika oder bei der so genannten «Bankeninitiative» engagiert, die den hiesigen Banken Geschäfte mit diktatorischen und korrupten Regimes verbieten wollte.

1982 gründete er mit Gleichgesinnten die «Theologische Bewegung für Befreiung und Solidarität» (damals noch «…für solidarische Entwicklung»), die bis heute aktiv ist. Die Forschungsvorhaben unter seiner Leitung, aber auch die Vorlesungen im Rahmen des Lehrauftrags «Missionswissenschaft» an der Theologischen Fakultät Luzern zeugen vom Bestreben, der lateinamerikanischen Befreiungstheologie auch in Europa zum Durchbruch zu verhelfen.

In diesem Sinne war Toni Peter bis zu seinem allzu frühen Tod stets ein Brückenbauer: zwischen Kontinenten, Kulturen, Theologien und Religionen, aber vor allem zwischen Menschen. In seiner letzten Lebensphase trieben ihn vor allem die Fragen des Religionsdialogs und der Interkulturalität um. Anlässlich des Generalkapitels der SMB im Jahre 1993 fasste Toni die missionarische Präsenz, die zugleich christliches In-der-Welt-Sein ist, mit den Worten zusammen: «Was wir sind, spricht mehr, als was wir sagen».

Am Sonntag, 26. November 2023, findet im Romerohaus in Luzern ein Gedenkanlass zum 25. Todestag von Toni Peter statt (ab 14 Uhr bis ca. 17.30 Uhr). Informationen und Anmeldungen: uh@sentitreff.ch

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